uns deinen Sieg über sie zeigen möchtest. Hier- auf sagte Tourville, der sich allemal mit dem Witz aus der andern Hand, mit dem Witz aus dem Gedächtnisse, mit fremden Witze begnügen lässet, einige gebundne Zeilen her, die sich zu der Sache schickten. Zween von uns gaben ihren Beyfall darüber zu erkennen; ob sie gleich voll Zweydeu- tigkeit waren. Du wandtest dich zu der Fräu- lein, weil du ihr ernsthaftes Gesicht bey einer Stelle von diesen Zeilen bemerktest, und batest, daß sie uns ihre Gedanken, von dem Witze eröff- nen möchte: einer Eigenschaft, sagtest du, die ein jeder schätzte, er möchte sie nun an sich, oder an andern wahrnehmen.
Den Augenblick zog sie alle unsre Aufmerk- samkeit auf sich. Es wäre eine Eigenschaft, sprach sie, wovon viel geschwatzet, aber, wie sie glaubte, sehr wenig verstanden würde. Wenig- stens müßte sie gestehen, wenn sie also frey seyn dürfte, ihr Urtheil nach dem, was in der gegen- wärtigen Gesellschaft vorgefallen, davon zu fällen, daß Witz und Verstand bey Mannspersonen et- was anderes und bey Frauenzimmern wiederum ganz etwas anders wäre.
Dieß setzte uns alle in Verwirrung - - Wie sahen unsre Weibsbilder auf! Wie zogen sie den Mund wieder ein, den kurz vorher ein freyes La- chen über die hergesagten Zeilen aus den Falten gebracht hatte! Wie wir an ihren Blicken merk- ten: so hatten sie dieselben sehr wohl verstanden. Unterdessen ersuchte ich die Fräulein, uns zu un-
serer
Fünfter Theil. C
uns deinen Sieg uͤber ſie zeigen moͤchteſt. Hier- auf ſagte Tourville, der ſich allemal mit dem Witz aus der andern Hand, mit dem Witz aus dem Gedaͤchtniſſe, mit fremden Witze begnuͤgen laͤſſet, einige gebundne Zeilen her, die ſich zu der Sache ſchickten. Zween von uns gaben ihren Beyfall daruͤber zu erkennen; ob ſie gleich voll Zweydeu- tigkeit waren. Du wandteſt dich zu der Fraͤu- lein, weil du ihr ernſthaftes Geſicht bey einer Stelle von dieſen Zeilen bemerkteſt, und bateſt, daß ſie uns ihre Gedanken, von dem Witze eroͤff- nen moͤchte: einer Eigenſchaft, ſagteſt du, die ein jeder ſchaͤtzte, er moͤchte ſie nun an ſich, oder an andern wahrnehmen.
Den Augenblick zog ſie alle unſre Aufmerk- ſamkeit auf ſich. Es waͤre eine Eigenſchaft, ſprach ſie, wovon viel geſchwatzet, aber, wie ſie glaubte, ſehr wenig verſtanden wuͤrde. Wenig- ſtens muͤßte ſie geſtehen, wenn ſie alſo frey ſeyn duͤrfte, ihr Urtheil nach dem, was in der gegen- waͤrtigen Geſellſchaft vorgefallen, davon zu faͤllen, daß Witz und Verſtand bey Mannsperſonen et- was anderes und bey Frauenzimmern wiederum ganz etwas anders waͤre.
Dieß ſetzte uns alle in Verwirrung ‒ ‒ Wie ſahen unſre Weibsbilder auf! Wie zogen ſie den Mund wieder ein, den kurz vorher ein freyes La- chen uͤber die hergeſagten Zeilen aus den Falten gebracht hatte! Wie wir an ihren Blicken merk- ten: ſo hatten ſie dieſelben ſehr wohl verſtanden. Unterdeſſen erſuchte ich die Fraͤulein, uns zu un-
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Fuͤnfter Theil. C
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uns deinen Sieg uͤber ſie zeigen moͤchteſt. Hier-
auf ſagte Tourville, der ſich allemal mit dem Witz
aus der andern Hand, mit dem Witz aus dem
Gedaͤchtniſſe, mit fremden Witze begnuͤgen laͤſſet,
einige gebundne Zeilen her, die ſich zu der Sache
ſchickten. Zween von uns gaben ihren Beyfall
daruͤber zu erkennen; ob ſie gleich voll Zweydeu-
tigkeit waren. Du wandteſt dich zu der Fraͤu-
lein, weil du ihr ernſthaftes Geſicht bey einer
Stelle von dieſen Zeilen bemerkteſt, und bateſt,
daß ſie uns ihre Gedanken, von dem Witze eroͤff-
nen moͤchte: einer Eigenſchaft, ſagteſt du, die ein
jeder ſchaͤtzte, er moͤchte ſie nun an ſich, oder an
andern wahrnehmen.
Den Augenblick zog ſie alle unſre Aufmerk-
ſamkeit auf ſich. Es waͤre eine Eigenſchaft,
ſprach ſie, wovon viel geſchwatzet, aber, wie ſie
glaubte, ſehr wenig verſtanden wuͤrde. Wenig-
ſtens muͤßte ſie geſtehen, wenn ſie alſo frey ſeyn
duͤrfte, ihr Urtheil nach dem, was in der gegen-
waͤrtigen Geſellſchaft vorgefallen, davon zu faͤllen,
daß Witz und Verſtand bey Mannsperſonen et-
was anderes und bey Frauenzimmern wiederum
ganz etwas anders waͤre.
Dieß ſetzte uns alle in Verwirrung ‒ ‒ Wie
ſahen unſre Weibsbilder auf! Wie zogen ſie den
Mund wieder ein, den kurz vorher ein freyes La-
chen uͤber die hergeſagten Zeilen aus den Falten
gebracht hatte! Wie wir an ihren Blicken merk-
ten: ſo hatten ſie dieſelben ſehr wohl verſtanden.
Unterdeſſen erſuchte ich die Fraͤulein, uns zu un-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/39>, abgerufen am 21.11.2024.
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