Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



meinen geheimesten Gedanken fragen: ich will
sie entdecken; es sey nun, daß sie für oder wider
mich ausfallen.

Lovel. Edelmüthige Schöne! wer kann so,
wie sie, reden?

Die Weibsleute hielten ihre Hände und Au-
gen in die Höhe: eine jede, als wenn sie, nicht
ich, gesprochen hätte.

Hier ist keine Unordnung, die von einer Ge-
müthskrankheit zeuge, sprach Jungfer Rawlins:
allein wenn sie nach ihrem Herzen urtheilte, so,
glaube ich, dachte sie auch zugleich, daß gewaltig
viel Unwahrscheinliches dabey wäre.

Gewiß recht fein gesprochen, sagte die Wit-
we Bevis und zuckte die Achsel.

Frau Moore seufzete.

Bruder Belford, dachte ich, weiß alle meine
Gedanken. Jch bin in diesem Stücke aufrichti-
ger, als eine von den dreyen Weibspersonen, und
schicke mich wohl zu diesem unvergleichlichen Mu-
ster, ein Paar mit ihr auszumachen.

Cl. Wie Herr Lovelace mich hier aufgespü-
ret habe, kann ich nicht sagen. Aber solche nie-
derträchtige Ränke, so listige so arge Verklei-
dungen, damit er mir seine Gegenwart unerwar-
tet aufdringen möchte; so kühne, so nachtheilige
Unwahrheiten - -

Capit. Haben sie die Gewogenheit, Jhro
Gnaden, mir nur ein Wort in geheim zu erlau-
ben - -

Cl.



meinen geheimeſten Gedanken fragen: ich will
ſie entdecken; es ſey nun, daß ſie fuͤr oder wider
mich ausfallen.

Lovel. Edelmuͤthige Schoͤne! wer kann ſo,
wie ſie, reden?

Die Weibsleute hielten ihre Haͤnde und Au-
gen in die Hoͤhe: eine jede, als wenn ſie, nicht
ich, geſprochen haͤtte.

Hier iſt keine Unordnung, die von einer Ge-
muͤthskrankheit zeuge, ſprach Jungfer Rawlins:
allein wenn ſie nach ihrem Herzen urtheilte, ſo,
glaube ich, dachte ſie auch zugleich, daß gewaltig
viel Unwahrſcheinliches dabey waͤre.

Gewiß recht fein geſprochen, ſagte die Wit-
we Bevis und zuckte die Achſel.

Frau Moore ſeufzete.

Bruder Belford, dachte ich, weiß alle meine
Gedanken. Jch bin in dieſem Stuͤcke aufrichti-
ger, als eine von den dreyen Weibsperſonen, und
ſchicke mich wohl zu dieſem unvergleichlichen Mu-
ſter, ein Paar mit ihr auszumachen.

Cl. Wie Herr Lovelace mich hier aufgeſpuͤ-
ret habe, kann ich nicht ſagen. Aber ſolche nie-
dertraͤchtige Raͤnke, ſo liſtige ſo arge Verklei-
dungen, damit er mir ſeine Gegenwart unerwar-
tet aufdringen moͤchte; ſo kuͤhne, ſo nachtheilige
Unwahrheiten ‒ ‒

Capit. Haben ſie die Gewogenheit, Jhro
Gnaden, mir nur ein Wort in geheim zu erlau-
ben ‒ ‒

Cl.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0400" n="394"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
meinen geheime&#x017F;ten Gedanken fragen: ich will<lb/>
&#x017F;ie entdecken; es &#x017F;ey nun, daß &#x017F;ie fu&#x0364;r oder wider<lb/>
mich ausfallen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Lovel.</hi> Edelmu&#x0364;thige Scho&#x0364;ne! wer kann &#x017F;o,<lb/>
wie &#x017F;ie, reden?</p><lb/>
          <p>Die Weibsleute hielten ihre Ha&#x0364;nde und Au-<lb/>
gen in die Ho&#x0364;he: eine jede, als wenn &#x017F;ie, nicht<lb/><hi rendition="#fr">ich,</hi> ge&#x017F;prochen ha&#x0364;tte.</p><lb/>
          <p>Hier i&#x017F;t keine Unordnung, die von einer Ge-<lb/>
mu&#x0364;thskrankheit zeuge, &#x017F;prach Jungfer Rawlins:<lb/>
allein wenn &#x017F;ie nach ihrem Herzen urtheilte, &#x017F;o,<lb/>
glaube ich, dachte &#x017F;ie auch zugleich, daß gewaltig<lb/>
viel Unwahr&#x017F;cheinliches dabey wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <p>Gewiß recht fein <hi rendition="#fr">ge&#x017F;prochen,</hi> &#x017F;agte die Wit-<lb/>
we Bevis und zuckte die Ach&#x017F;el.</p><lb/>
          <p>Frau Moore &#x017F;eufzete.</p><lb/>
          <p>Bruder Belford, dachte ich, weiß alle meine<lb/>
Gedanken. Jch bin in die&#x017F;em Stu&#x0364;cke aufrichti-<lb/>
ger, als eine von den dreyen Weibsper&#x017F;onen, und<lb/>
&#x017F;chicke mich wohl zu die&#x017F;em unvergleichlichen Mu-<lb/>
&#x017F;ter, ein Paar mit ihr auszumachen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Cl.</hi> Wie Herr Lovelace mich hier aufge&#x017F;pu&#x0364;-<lb/>
ret habe, kann ich nicht &#x017F;agen. Aber &#x017F;olche nie-<lb/>
dertra&#x0364;chtige Ra&#x0364;nke, &#x017F;o li&#x017F;tige &#x017F;o arge Verklei-<lb/>
dungen, damit er mir &#x017F;eine Gegenwart unerwar-<lb/>
tet aufdringen mo&#x0364;chte; &#x017F;o ku&#x0364;hne, &#x017F;o nachtheilige<lb/>
Unwahrheiten &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Capit.</hi> Haben &#x017F;ie die Gewogenheit, Jhro<lb/>
Gnaden, mir nur ein Wort in geheim zu erlau-<lb/>
ben &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Cl.</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[394/0400] meinen geheimeſten Gedanken fragen: ich will ſie entdecken; es ſey nun, daß ſie fuͤr oder wider mich ausfallen. Lovel. Edelmuͤthige Schoͤne! wer kann ſo, wie ſie, reden? Die Weibsleute hielten ihre Haͤnde und Au- gen in die Hoͤhe: eine jede, als wenn ſie, nicht ich, geſprochen haͤtte. Hier iſt keine Unordnung, die von einer Ge- muͤthskrankheit zeuge, ſprach Jungfer Rawlins: allein wenn ſie nach ihrem Herzen urtheilte, ſo, glaube ich, dachte ſie auch zugleich, daß gewaltig viel Unwahrſcheinliches dabey waͤre. Gewiß recht fein geſprochen, ſagte die Wit- we Bevis und zuckte die Achſel. Frau Moore ſeufzete. Bruder Belford, dachte ich, weiß alle meine Gedanken. Jch bin in dieſem Stuͤcke aufrichti- ger, als eine von den dreyen Weibsperſonen, und ſchicke mich wohl zu dieſem unvergleichlichen Mu- ſter, ein Paar mit ihr auszumachen. Cl. Wie Herr Lovelace mich hier aufgeſpuͤ- ret habe, kann ich nicht ſagen. Aber ſolche nie- dertraͤchtige Raͤnke, ſo liſtige ſo arge Verklei- dungen, damit er mir ſeine Gegenwart unerwar- tet aufdringen moͤchte; ſo kuͤhne, ſo nachtheilige Unwahrheiten ‒ ‒ Capit. Haben ſie die Gewogenheit, Jhro Gnaden, mir nur ein Wort in geheim zu erlau- ben ‒ ‒ Cl.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/400
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/400>, abgerufen am 24.11.2024.