Hiernächst erzählte er ihr, daß ihr Onkel schon einige Schritte zu einer allgemeinen Aus- söhnung gethan hätte. Den Augenblick, Jhro Gnaden, wenn er erfähret, daß sie wirklich ver- mählet sind, wird er sich mit ihrem Vater darü- ber in Unterhandlung einlassen: indem er sein Verlangen, mit ihnen, mit ihrer Frau Mut- ter, ausgesöhnet zu seyn, ausdrücklich bezeu- get hat.
Was sagte denn meine Mutter, mein Herr? Was sagte meine liebe Muter? Dieß fragte sie mit großer Bewegung, und hielte ihr anmuth- reiches Gesicht, wie sie mir der Capitain be- schrieben hat, mit der sorgfältigsten Aufmerksam- keit hervor, als wenn sie den Weg, welchen seine Worte zu ihrem Herzen nehmen sollten, verkürzen wollte.
Jhre Frau Mutter, gnädige Fräulein, ge- rieth darüber in Thränen, und ihr Onckel wur- de durch die zärtliche Liebe derselben so gerüh- ret, daß er die Unterredung von der Sache nicht weiter fortsetzen konnte. Er ist aber gesonnen, sich eigentlich darüber mit ihr einzulassen: so bald er höret, daß die Trauung geschehen ist.
Nach dem Tone von ihrer Stimme zu ur- theilen, weinte sie. Das liebe Kind, dachte ich, fänget an nachzugeben. Jch beneidete dem Buben seine Beredsamkeit. Kaum war mir der Gedanke erträglich, daß eine lebendige Seele unter den Mannspersonen das Vermögen haben sollte, das ich verlohren hatte, diese stolze Fräu-
lein
Fünfter Theil. C c
Hiernaͤchſt erzaͤhlte er ihr, daß ihr Onkel ſchon einige Schritte zu einer allgemeinen Aus- ſoͤhnung gethan haͤtte. Den Augenblick, Jhro Gnaden, wenn er erfaͤhret, daß ſie wirklich ver- maͤhlet ſind, wird er ſich mit ihrem Vater daruͤ- ber in Unterhandlung einlaſſen: indem er ſein Verlangen, mit ihnen, mit ihrer Frau Mut- ter, ausgeſoͤhnet zu ſeyn, ausdruͤcklich bezeu- get hat.
Was ſagte denn meine Mutter, mein Herr? Was ſagte meine liebe Muter? Dieß fragte ſie mit großer Bewegung, und hielte ihr anmuth- reiches Geſicht, wie ſie mir der Capitain be- ſchrieben hat, mit der ſorgfaͤltigſten Aufmerkſam- keit hervor, als wenn ſie den Weg, welchen ſeine Worte zu ihrem Herzen nehmen ſollten, verkuͤrzen wollte.
Jhre Frau Mutter, gnaͤdige Fraͤulein, ge- rieth daruͤber in Thraͤnen, und ihr Onckel wur- de durch die zaͤrtliche Liebe derſelben ſo geruͤh- ret, daß er die Unterredung von der Sache nicht weiter fortſetzen konnte. Er iſt aber geſonnen, ſich eigentlich daruͤber mit ihr einzulaſſen: ſo bald er hoͤret, daß die Trauung geſchehen iſt.
Nach dem Tone von ihrer Stimme zu ur- theilen, weinte ſie. Das liebe Kind, dachte ich, faͤnget an nachzugeben. Jch beneidete dem Buben ſeine Beredſamkeit. Kaum war mir der Gedanke ertraͤglich, daß eine lebendige Seele unter den Mannsperſonen das Vermoͤgen haben ſollte, das ich verlohren hatte, dieſe ſtolze Fraͤu-
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Fuͤnfter Theil. C c
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Hiernaͤchſt erzaͤhlte er ihr, daß ihr Onkel
ſchon einige Schritte zu einer allgemeinen Aus-
ſoͤhnung gethan haͤtte. Den Augenblick, Jhro
Gnaden, wenn er erfaͤhret, daß ſie wirklich ver-
maͤhlet ſind, wird er ſich mit ihrem Vater daruͤ-
ber in Unterhandlung einlaſſen: indem er ſein
Verlangen, mit ihnen, mit ihrer Frau Mut-
ter, ausgeſoͤhnet zu ſeyn, ausdruͤcklich bezeu-
get hat.
Was ſagte denn meine Mutter, mein Herr?
Was ſagte meine liebe Muter? Dieß fragte ſie
mit großer Bewegung, und hielte ihr anmuth-
reiches Geſicht, wie ſie mir der Capitain be-
ſchrieben hat, mit der ſorgfaͤltigſten Aufmerkſam-
keit hervor, als wenn ſie den Weg, welchen
ſeine Worte zu ihrem Herzen nehmen ſollten,
verkuͤrzen wollte.
Jhre Frau Mutter, gnaͤdige Fraͤulein, ge-
rieth daruͤber in Thraͤnen, und ihr Onckel wur-
de durch die zaͤrtliche Liebe derſelben ſo geruͤh-
ret, daß er die Unterredung von der Sache nicht
weiter fortſetzen konnte. Er iſt aber geſonnen,
ſich eigentlich daruͤber mit ihr einzulaſſen: ſo
bald er hoͤret, daß die Trauung geſchehen iſt.
Nach dem Tone von ihrer Stimme zu ur-
theilen, weinte ſie. Das liebe Kind, dachte
ich, faͤnget an nachzugeben. Jch beneidete dem
Buben ſeine Beredſamkeit. Kaum war mir
der Gedanke ertraͤglich, daß eine lebendige Seele
unter den Mannsperſonen das Vermoͤgen haben
ſollte, das ich verlohren hatte, dieſe ſtolze Fraͤu-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/407>, abgerufen am 24.11.2024.
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