Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Das ist die erste Weibsperson, dachte ich,
die jemals so von mir geredet oder gedacht hat:
das ist mein Trost. - - Aber meine Allerliebste,
da dieß hinter meinem Rücken zu dem Freunde
deines Onkels gesprochen ist: so hilft es dein schon
mehr als zu volles Maaß noch weiter aufhäufen.
- - Es ist in meiner Schreibtafel niederge-
schrieben.

Cl. Wenn ich auf sein ganzes Bezeigen ge-
gen ein armes junges Frauenzimmer; ich bin ja
noch sehr jung, zurücksehe; so kann ich ihn von
dem Vorwurfe entweder einer großen Thorheit;
oder durchtriebener Ränke nicht frey sprechen -
- - Und verwichene Mittwoche - - Dabey
hielte sie inne, und kehrte, wie ich vermuthe, ihr
Gesicht weg. Jch wundere mich, daß sie sich
nicht schämte, von dem, was sie für so schämens-
würdig hielte, einen Wink zu geben; und zwar
gegen eine Mannsperson, die noch dazu allei-
ne
mit ihr war.

Capit. Es sey ferne von mir, gnädige Fräu-
lein, daß ich um eine so bedenkliche Sache allzu
genau zu wissen verlangen sollte. Er gestehet,
daß sie Ursache haben, über ihn misvergnügt zu
seyn. Aber er spricht sich gegen mich so feyerlich
von aller vorsetzlichen Beleidigung frey - -

Cl. Er kann sich nicht freysprechen, Herr
Tomlinson. Die Leute von dem Hause müssen
eben so wohl, als er, von recht ehrenloser Gesin-
nung seyn. Jch bin überzeugt, daß ein gottloses

Bünd-
C c 2


Das iſt die erſte Weibsperſon, dachte ich,
die jemals ſo von mir geredet oder gedacht hat:
das iſt mein Troſt. ‒ ‒ Aber meine Allerliebſte,
da dieß hinter meinem Ruͤcken zu dem Freunde
deines Onkels geſprochen iſt: ſo hilft es dein ſchon
mehr als zu volles Maaß noch weiter aufhaͤufen.
‒ ‒ Es iſt in meiner Schreibtafel niederge-
ſchrieben.

Cl. Wenn ich auf ſein ganzes Bezeigen ge-
gen ein armes junges Frauenzimmer; ich bin ja
noch ſehr jung, zuruͤckſehe; ſo kann ich ihn von
dem Vorwurfe entweder einer großen Thorheit;
oder durchtriebener Raͤnke nicht frey ſprechen ‒
‒ ‒ Und verwichene Mittwoche ‒ ‒ Dabey
hielte ſie inne, und kehrte, wie ich vermuthe, ihr
Geſicht weg. Jch wundere mich, daß ſie ſich
nicht ſchaͤmte, von dem, was ſie fuͤr ſo ſchaͤmens-
wuͤrdig hielte, einen Wink zu geben; und zwar
gegen eine Mannsperſon, die noch dazu allei-
ne
mit ihr war.

Capit. Es ſey ferne von mir, gnaͤdige Fraͤu-
lein, daß ich um eine ſo bedenkliche Sache allzu
genau zu wiſſen verlangen ſollte. Er geſtehet,
daß ſie Urſache haben, uͤber ihn misvergnuͤgt zu
ſeyn. Aber er ſpricht ſich gegen mich ſo feyerlich
von aller vorſetzlichen Beleidigung frey ‒ ‒

Cl. Er kann ſich nicht freyſprechen, Herr
Tomlinſon. Die Leute von dem Hauſe muͤſſen
eben ſo wohl, als er, von recht ehrenloſer Geſin-
nung ſeyn. Jch bin uͤberzeugt, daß ein gottloſes

Buͤnd-
C c 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0409" n="403"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Das i&#x017F;t die er&#x017F;te Weibsper&#x017F;on, dachte ich,<lb/>
die jemals &#x017F;o von mir geredet oder gedacht hat:<lb/>
das i&#x017F;t mein Tro&#x017F;t. &#x2012; &#x2012; Aber meine Allerlieb&#x017F;te,<lb/>
da dieß hinter meinem Ru&#x0364;cken zu dem Freunde<lb/>
deines Onkels ge&#x017F;prochen i&#x017F;t: &#x017F;o hilft es dein &#x017F;chon<lb/>
mehr als zu volles Maaß noch weiter aufha&#x0364;ufen.<lb/>
&#x2012; &#x2012; Es i&#x017F;t in meiner Schreibtafel niederge-<lb/>
&#x017F;chrieben.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Cl.</hi> Wenn ich auf &#x017F;ein ganzes Bezeigen ge-<lb/>
gen ein armes junges Frauenzimmer; ich bin ja<lb/>
noch <hi rendition="#fr">&#x017F;ehr</hi> jung, zuru&#x0364;ck&#x017F;ehe; &#x017F;o kann ich ihn von<lb/>
dem Vorwurfe entweder einer großen Thorheit;<lb/>
oder durchtriebener Ra&#x0364;nke nicht frey &#x017F;prechen &#x2012;<lb/>
&#x2012; &#x2012; Und verwichene Mittwoche &#x2012; &#x2012; Dabey<lb/>
hielte &#x017F;ie inne, und kehrte, wie ich vermuthe, ihr<lb/>
Ge&#x017F;icht weg. Jch wundere mich, daß &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
nicht &#x017F;cha&#x0364;mte, von dem, was &#x017F;ie fu&#x0364;r &#x017F;o &#x017F;cha&#x0364;mens-<lb/>
wu&#x0364;rdig hielte, einen Wink zu geben; und zwar<lb/>
gegen eine <hi rendition="#fr">Mannsper&#x017F;on,</hi> die noch dazu <hi rendition="#fr">allei-<lb/>
ne</hi> mit ihr war.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Capit.</hi> Es &#x017F;ey ferne von mir, gna&#x0364;dige Fra&#x0364;u-<lb/>
lein, daß ich um eine &#x017F;o bedenkliche Sache allzu<lb/>
genau zu wi&#x017F;&#x017F;en verlangen &#x017F;ollte. Er ge&#x017F;tehet,<lb/>
daß &#x017F;ie Ur&#x017F;ache haben, u&#x0364;ber ihn misvergnu&#x0364;gt zu<lb/>
&#x017F;eyn. Aber er &#x017F;pricht &#x017F;ich gegen mich &#x017F;o feyerlich<lb/>
von aller vor&#x017F;etzlichen Beleidigung frey &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Cl.</hi> Er kann &#x017F;ich nicht frey&#x017F;prechen, Herr<lb/>
Tomlin&#x017F;on. Die Leute von dem Hau&#x017F;e mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
eben &#x017F;o wohl, als er, von recht ehrenlo&#x017F;er Ge&#x017F;in-<lb/>
nung &#x017F;eyn. Jch bin u&#x0364;berzeugt, daß ein gottlo&#x017F;es<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C c 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Bu&#x0364;nd-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[403/0409] Das iſt die erſte Weibsperſon, dachte ich, die jemals ſo von mir geredet oder gedacht hat: das iſt mein Troſt. ‒ ‒ Aber meine Allerliebſte, da dieß hinter meinem Ruͤcken zu dem Freunde deines Onkels geſprochen iſt: ſo hilft es dein ſchon mehr als zu volles Maaß noch weiter aufhaͤufen. ‒ ‒ Es iſt in meiner Schreibtafel niederge- ſchrieben. Cl. Wenn ich auf ſein ganzes Bezeigen ge- gen ein armes junges Frauenzimmer; ich bin ja noch ſehr jung, zuruͤckſehe; ſo kann ich ihn von dem Vorwurfe entweder einer großen Thorheit; oder durchtriebener Raͤnke nicht frey ſprechen ‒ ‒ ‒ Und verwichene Mittwoche ‒ ‒ Dabey hielte ſie inne, und kehrte, wie ich vermuthe, ihr Geſicht weg. Jch wundere mich, daß ſie ſich nicht ſchaͤmte, von dem, was ſie fuͤr ſo ſchaͤmens- wuͤrdig hielte, einen Wink zu geben; und zwar gegen eine Mannsperſon, die noch dazu allei- ne mit ihr war. Capit. Es ſey ferne von mir, gnaͤdige Fraͤu- lein, daß ich um eine ſo bedenkliche Sache allzu genau zu wiſſen verlangen ſollte. Er geſtehet, daß ſie Urſache haben, uͤber ihn misvergnuͤgt zu ſeyn. Aber er ſpricht ſich gegen mich ſo feyerlich von aller vorſetzlichen Beleidigung frey ‒ ‒ Cl. Er kann ſich nicht freyſprechen, Herr Tomlinſon. Die Leute von dem Hauſe muͤſſen eben ſo wohl, als er, von recht ehrenloſer Geſin- nung ſeyn. Jch bin uͤberzeugt, daß ein gottloſes Buͤnd- C c 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/409
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/409>, abgerufen am 24.11.2024.