Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Capit. Jch muß in der That gestehen, mein
Herr, sie haben nicht wohl daran gethan, daß sie
die Furcht eines schon vorher in Schrecken gesetz-
ten Frauenzimmers noch vermehret haben.

Sie versuchte hierauf neben mir wegzugehen.
Jch stellte mich aber mit dem Rücken an die
Thür und bat sie, noch einige Augenblicke bey uns
zu bleiben. Jch würde nicht einmal so viel ge-
saget haben, meine Allerliebste: wenn ich es nicht
ihrentwegen so wohl als um mein selbst willen ge-
than hätte, damit der Capitain Tomlinson nicht
denken möchte, daß ich schändlicher gehandelt
hätte, als wirklich geschehen ist. Jch will auch
kein Wort mehr von der Sache reden, sondern
nur theils ihnen selbst zu bedenken anheimstellen,
ob es nicht nöthig gewesen ist, so viel zu sagen,
theils mich auf den eignen Ausspruch des Capi-
tains berufen, ob er nicht sonst mit einer weit är-
gern Meynung von mir, weggegangen wäre,
wenn er die von mir geschehene Beleidigung nach
der Heftigkeit ihres Unwillens beurtheilet hätte.

Capit. Das würde ich allerdings gethan
haben.
Jch muß es gestehen. Es ist mir
lieb, Herr Lovelace, daß sie im Stande sind, sich
so weit zu vertheidigen.

Cl. Eine Sache, wobey der Beleidiger mit
dem Richter auf einer Bank sitzet, muß wohl ge-
prüfet werden - - Jch lasse den Ausspruch über
meine Sache nicht auf Mannspersonen ankom-

men


Capit. Jch muß in der That geſtehen, mein
Herr, ſie haben nicht wohl daran gethan, daß ſie
die Furcht eines ſchon vorher in Schrecken geſetz-
ten Frauenzimmers noch vermehret haben.

Sie verſuchte hierauf neben mir wegzugehen.
Jch ſtellte mich aber mit dem Ruͤcken an die
Thuͤr und bat ſie, noch einige Augenblicke bey uns
zu bleiben. Jch wuͤrde nicht einmal ſo viel ge-
ſaget haben, meine Allerliebſte: wenn ich es nicht
ihrentwegen ſo wohl als um mein ſelbſt willen ge-
than haͤtte, damit der Capitain Tomlinſon nicht
denken moͤchte, daß ich ſchaͤndlicher gehandelt
haͤtte, als wirklich geſchehen iſt. Jch will auch
kein Wort mehr von der Sache reden, ſondern
nur theils ihnen ſelbſt zu bedenken anheimſtellen,
ob es nicht noͤthig geweſen iſt, ſo viel zu ſagen,
theils mich auf den eignen Ausſpruch des Capi-
tains berufen, ob er nicht ſonſt mit einer weit aͤr-
gern Meynung von mir, weggegangen waͤre,
wenn er die von mir geſchehene Beleidigung nach
der Heftigkeit ihres Unwillens beurtheilet haͤtte.

Capit. Das wuͤrde ich allerdings gethan
haben.
Jch muß es geſtehen. Es iſt mir
lieb, Herr Lovelace, daß ſie im Stande ſind, ſich
ſo weit zu vertheidigen.

Cl. Eine Sache, wobey der Beleidiger mit
dem Richter auf einer Bank ſitzet, muß wohl ge-
pruͤfet werden ‒ ‒ Jch laſſe den Ausſpruch uͤber
meine Sache nicht auf Mannsperſonen ankom-

men
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0416" n="410"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Capit.</hi> Jch muß in der That ge&#x017F;tehen, mein<lb/>
Herr, &#x017F;ie haben nicht wohl daran gethan, daß &#x017F;ie<lb/>
die Furcht eines &#x017F;chon vorher in Schrecken ge&#x017F;etz-<lb/>
ten Frauenzimmers noch vermehret haben.</p><lb/>
          <p>Sie ver&#x017F;uchte hierauf neben mir wegzugehen.<lb/>
Jch &#x017F;tellte mich aber mit dem Ru&#x0364;cken an die<lb/>
Thu&#x0364;r und bat &#x017F;ie, noch einige Augenblicke bey uns<lb/>
zu bleiben. Jch wu&#x0364;rde nicht einmal &#x017F;o viel ge-<lb/>
&#x017F;aget haben, meine Allerlieb&#x017F;te: wenn ich es nicht<lb/>
ihrentwegen &#x017F;o wohl als um mein &#x017F;elb&#x017F;t willen ge-<lb/>
than ha&#x0364;tte, damit der Capitain Tomlin&#x017F;on nicht<lb/>
denken mo&#x0364;chte, daß ich &#x017F;cha&#x0364;ndlicher gehandelt<lb/>
ha&#x0364;tte, als wirklich ge&#x017F;chehen i&#x017F;t. Jch will auch<lb/>
kein Wort mehr von der Sache reden, &#x017F;ondern<lb/>
nur theils ihnen &#x017F;elb&#x017F;t zu bedenken anheim&#x017F;tellen,<lb/>
ob es nicht no&#x0364;thig gewe&#x017F;en i&#x017F;t, &#x017F;o viel zu &#x017F;agen,<lb/>
theils mich auf den eignen Aus&#x017F;pruch des Capi-<lb/>
tains berufen, ob er nicht &#x017F;on&#x017F;t mit einer weit a&#x0364;r-<lb/>
gern Meynung von mir, weggegangen wa&#x0364;re,<lb/>
wenn er die von mir ge&#x017F;chehene Beleidigung nach<lb/>
der Heftigkeit ihres Unwillens beurtheilet ha&#x0364;tte.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Capit.</hi> Das <hi rendition="#fr">wu&#x0364;rde</hi> ich allerdings <hi rendition="#fr">gethan<lb/>
haben.</hi> Jch muß es <hi rendition="#fr">ge&#x017F;tehen.</hi> Es i&#x017F;t mir<lb/>
lieb, Herr Lovelace, daß &#x017F;ie im Stande &#x017F;ind, &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;o weit zu vertheidigen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Cl.</hi> Eine Sache, wobey der Beleidiger mit<lb/>
dem Richter auf einer Bank &#x017F;itzet, muß wohl ge-<lb/>
pru&#x0364;fet werden &#x2012; &#x2012; Jch la&#x017F;&#x017F;e den Aus&#x017F;pruch u&#x0364;ber<lb/>
meine Sache nicht auf Mannsper&#x017F;onen ankom-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">men</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[410/0416] Capit. Jch muß in der That geſtehen, mein Herr, ſie haben nicht wohl daran gethan, daß ſie die Furcht eines ſchon vorher in Schrecken geſetz- ten Frauenzimmers noch vermehret haben. Sie verſuchte hierauf neben mir wegzugehen. Jch ſtellte mich aber mit dem Ruͤcken an die Thuͤr und bat ſie, noch einige Augenblicke bey uns zu bleiben. Jch wuͤrde nicht einmal ſo viel ge- ſaget haben, meine Allerliebſte: wenn ich es nicht ihrentwegen ſo wohl als um mein ſelbſt willen ge- than haͤtte, damit der Capitain Tomlinſon nicht denken moͤchte, daß ich ſchaͤndlicher gehandelt haͤtte, als wirklich geſchehen iſt. Jch will auch kein Wort mehr von der Sache reden, ſondern nur theils ihnen ſelbſt zu bedenken anheimſtellen, ob es nicht noͤthig geweſen iſt, ſo viel zu ſagen, theils mich auf den eignen Ausſpruch des Capi- tains berufen, ob er nicht ſonſt mit einer weit aͤr- gern Meynung von mir, weggegangen waͤre, wenn er die von mir geſchehene Beleidigung nach der Heftigkeit ihres Unwillens beurtheilet haͤtte. Capit. Das wuͤrde ich allerdings gethan haben. Jch muß es geſtehen. Es iſt mir lieb, Herr Lovelace, daß ſie im Stande ſind, ſich ſo weit zu vertheidigen. Cl. Eine Sache, wobey der Beleidiger mit dem Richter auf einer Bank ſitzet, muß wohl ge- pruͤfet werden ‒ ‒ Jch laſſe den Ausſpruch uͤber meine Sache nicht auf Mannsperſonen ankom- men

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/416
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/416>, abgerufen am 01.06.2024.