der mit größerer und unwidersprechlicherer Be- redtsamkeit das Wort für sie führet, als alle Menschen in der Welt für sie reden können. Und war sie nicht von mir loßgekommen? - - Wie habe ich aber meine erste Absicht, sie (*) und in ihr die Tugend der Allertugendhaftesten unter dem schönen Geschlechte auf die Probe zu stellen, ausgeführet? - - Einfältiger Bube, wolltest du wohl verlangen, daß ich eine Probe, die zur Ehre eines Geschlechtes gereicht, das wir alle so herz- lich lieben, aufgeben sollte?
So haben sie denn, mein Herr, keine Gedan- ken - - keine Gedanken - - er sahe noch im- mer trauriger aus - - diese wundernswürdige Fräulein zu heyrathen?
Ja, einfältiger Knabe, ich habe allerdings die Gedanken. Aber ich muß erst, meinen Stolz zu vergnügen, ihren Stolz herunterbrin- gen. Jch muß sehen, daß sie mich stark genug liebet, mir um mein selbst willen zu vergeben. Hat sie sich nicht kurz zuvor beklaget, daß sie nicht in ihres Vaters Hause geblieben wäre: da doch dir Folge davon, wenn sie geblieben wäre, nothwendig diese würde gewesen seyn, daß sie des verhaßten Solmes Weib geworden wäre? Sie- hest du denn nicht, daß, wenn sie sich nun, die Meinige zu werden, bewegen läßt, bloß die Aus- söhnung mit ihren verfluchten Anverwand- ten, wie es allemal bey ihr gewesen ist, nicht
Liebe
(*) Siehe den III Th. den XVII. Brief S. 177 u. f.
der mit groͤßerer und unwiderſprechlicherer Be- redtſamkeit das Wort fuͤr ſie fuͤhret, als alle Menſchen in der Welt fuͤr ſie reden koͤnnen. Und war ſie nicht von mir loßgekommen? ‒ ‒ Wie habe ich aber meine erſte Abſicht, ſie (*) und in ihr die Tugend der Allertugendhafteſten unter dem ſchoͤnen Geſchlechte auf die Probe zu ſtellen, ausgefuͤhret? ‒ ‒ Einfaͤltiger Bube, wollteſt du wohl verlangen, daß ich eine Probe, die zur Ehre eines Geſchlechtes gereicht, das wir alle ſo herz- lich lieben, aufgeben ſollte?
So haben ſie denn, mein Herr, keine Gedan- ken ‒ ‒ keine Gedanken ‒ ‒ er ſahe noch im- mer trauriger aus ‒ ‒ dieſe wundernswuͤrdige Fraͤulein zu heyrathen?
Ja, einfaͤltiger Knabe, ich habe allerdings die Gedanken. Aber ich muß erſt, meinen Stolz zu vergnuͤgen, ihren Stolz herunterbrin- gen. Jch muß ſehen, daß ſie mich ſtark genug liebet, mir um mein ſelbſt willen zu vergeben. Hat ſie ſich nicht kurz zuvor beklaget, daß ſie nicht in ihres Vaters Hauſe geblieben waͤre: da doch dir Folge davon, wenn ſie geblieben waͤre, nothwendig dieſe wuͤrde geweſen ſeyn, daß ſie des verhaßten Solmes Weib geworden waͤre? Sie- heſt du denn nicht, daß, wenn ſie ſich nun, die Meinige zu werden, bewegen laͤßt, bloß die Aus- ſoͤhnung mit ihren verfluchten Anverwand- ten, wie es allemal bey ihr geweſen iſt, nicht
Liebe
(*) Siehe den III Th. den XVII. Brief S. 177 u. f.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0454"n="448"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
der mit groͤßerer und unwiderſprechlicherer Be-<lb/>
redtſamkeit das Wort fuͤr ſie fuͤhret, als alle<lb/>
Menſchen in der Welt fuͤr ſie reden koͤnnen.<lb/>
Und war ſie nicht von mir loßgekommen? ‒‒<lb/>
Wie habe ich aber meine erſte Abſicht, ſie <noteplace="foot"n="(*)">Siehe den <hirendition="#aq">III</hi> Th. den <hirendition="#aq">XVII.</hi> Brief S. 177 u. f.</note> und<lb/>
in <hirendition="#fr">ihr</hi> die Tugend der Allertugendhafteſten unter<lb/>
dem ſchoͤnen Geſchlechte auf die Probe zu ſtellen,<lb/>
ausgefuͤhret? ‒‒ Einfaͤltiger Bube, wollteſt du<lb/>
wohl verlangen, daß ich eine Probe, die zur Ehre<lb/>
eines Geſchlechtes gereicht, das wir alle ſo herz-<lb/>
lich lieben, aufgeben ſollte?</p><lb/><p>So haben ſie denn, mein Herr, keine Gedan-<lb/>
ken ‒‒ keine Gedanken ‒‒<hirendition="#fr">er ſahe noch im-<lb/>
mer trauriger aus</hi>‒‒ dieſe wundernswuͤrdige<lb/>
Fraͤulein zu heyrathen?</p><lb/><p>Ja, einfaͤltiger Knabe, ich habe allerdings<lb/>
die Gedanken. Aber ich muß erſt, <hirendition="#fr">meinen</hi><lb/>
Stolz zu vergnuͤgen, <hirendition="#fr">ihren</hi> Stolz herunterbrin-<lb/>
gen. Jch muß ſehen, daß ſie mich ſtark genug<lb/>
liebet, mir um <hirendition="#fr">mein ſelbſt</hi> willen zu vergeben.<lb/>
Hat ſie ſich nicht kurz zuvor beklaget, daß ſie nicht<lb/>
in ihres Vaters Hauſe geblieben waͤre: da doch<lb/>
dir Folge davon, wenn ſie <hirendition="#fr">geblieben waͤre,</hi><lb/>
nothwendig dieſe wuͤrde geweſen ſeyn, daß ſie des<lb/>
verhaßten Solmes Weib geworden waͤre? Sie-<lb/>
heſt du denn nicht, daß, wenn ſie ſich nun, die<lb/>
Meinige zu werden, bewegen laͤßt, bloß die <hirendition="#fr">Aus-<lb/>ſoͤhnung</hi> mit ihren <hirendition="#fr">verfluchten Anverwand-<lb/>
ten,</hi> wie es <hirendition="#fr">allemal</hi> bey ihr geweſen iſt, nicht<lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Liebe</hi></fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[448/0454]
der mit groͤßerer und unwiderſprechlicherer Be-
redtſamkeit das Wort fuͤr ſie fuͤhret, als alle
Menſchen in der Welt fuͤr ſie reden koͤnnen.
Und war ſie nicht von mir loßgekommen? ‒ ‒
Wie habe ich aber meine erſte Abſicht, ſie (*) und
in ihr die Tugend der Allertugendhafteſten unter
dem ſchoͤnen Geſchlechte auf die Probe zu ſtellen,
ausgefuͤhret? ‒ ‒ Einfaͤltiger Bube, wollteſt du
wohl verlangen, daß ich eine Probe, die zur Ehre
eines Geſchlechtes gereicht, das wir alle ſo herz-
lich lieben, aufgeben ſollte?
So haben ſie denn, mein Herr, keine Gedan-
ken ‒ ‒ keine Gedanken ‒ ‒ er ſahe noch im-
mer trauriger aus ‒ ‒ dieſe wundernswuͤrdige
Fraͤulein zu heyrathen?
Ja, einfaͤltiger Knabe, ich habe allerdings
die Gedanken. Aber ich muß erſt, meinen
Stolz zu vergnuͤgen, ihren Stolz herunterbrin-
gen. Jch muß ſehen, daß ſie mich ſtark genug
liebet, mir um mein ſelbſt willen zu vergeben.
Hat ſie ſich nicht kurz zuvor beklaget, daß ſie nicht
in ihres Vaters Hauſe geblieben waͤre: da doch
dir Folge davon, wenn ſie geblieben waͤre,
nothwendig dieſe wuͤrde geweſen ſeyn, daß ſie des
verhaßten Solmes Weib geworden waͤre? Sie-
heſt du denn nicht, daß, wenn ſie ſich nun, die
Meinige zu werden, bewegen laͤßt, bloß die Aus-
ſoͤhnung mit ihren verfluchten Anverwand-
ten, wie es allemal bey ihr geweſen iſt, nicht
Liebe
(*) Siehe den III Th. den XVII. Brief S. 177 u. f.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/454>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.