Es ist das gewöhnliche Schicksal bey un- gleichen Ehen, daß dadurch oft ganz leidliche Personen in Vorwürfe gerathen, die sonst, wenn sie glücklicher geheyrathet hätten, sich wür- den Ruhm erworben haben. Soll ich denn nicht billig ein Bündniß mit einem Manne fliehen, der ein Frauenzimmer zu Fehlern verleiten könnte, das sich schmeichelt, mit einer Neigung zum Gu- ten beglückt zu seyn, und das einen jeden, mit dem sie einige Verbindung hat, bis auf ihre Bedienten selbst, glücklich zu machen wünschet?
Sie ruhete wiederum aus und ging einmal im Zimmer herum. Der alberne Kerl, hohl ihn der Teufel, war alle diese Zeit über ein todter Hund. Die Fräulein setzte die Unterre- dung wieder fort.
Es ist wahr, ehemals habe ich mir Hoff- nung gemacht, ein geringes Werkzeug zu seiner Bekehrung zu werden. Da ich aber keine sol- che Hoffnung weiter habe: ist es denn wohl recht; sie sind ja ein aufrichtiger Mann, mein Herr; et- was zu wagen, wodurch meine eigenen Grund- sätze in der Sittenlehre Gefahr leiden dürf- ten?
Noch immer schwieg der elende Kerl stille. Hatte mein Fürsprecher nichts für mich zu sa- gen: was blieb mir denn für Hoffnung übrig, meine Sache zu treiben?
Was kommt nun aus dem allen heraus, mein Herr? - Es ist dieses. Wo sie den Ein- fluß über ihn haben, den ein Mann von ihrem
Ver-
Es iſt das gewoͤhnliche Schickſal bey un- gleichen Ehen, daß dadurch oft ganz leidliche Perſonen in Vorwuͤrfe gerathen, die ſonſt, wenn ſie gluͤcklicher geheyrathet haͤtten, ſich wuͤr- den Ruhm erworben haben. Soll ich denn nicht billig ein Buͤndniß mit einem Manne fliehen, der ein Frauenzimmer zu Fehlern verleiten koͤnnte, das ſich ſchmeichelt, mit einer Neigung zum Gu- ten begluͤckt zu ſeyn, und das einen jeden, mit dem ſie einige Verbindung hat, bis auf ihre Bedienten ſelbſt, gluͤcklich zu machen wuͤnſchet?
Sie ruhete wiederum aus und ging einmal im Zimmer herum. Der alberne Kerl, hohl ihn der Teufel, war alle dieſe Zeit uͤber ein todter Hund. Die Fraͤulein ſetzte die Unterre- dung wieder fort.
Es iſt wahr, ehemals habe ich mir Hoff- nung gemacht, ein geringes Werkzeug zu ſeiner Bekehrung zu werden. Da ich aber keine ſol- che Hoffnung weiter habe: iſt es denn wohl recht; ſie ſind ja ein aufrichtiger Mann, mein Herr; et- was zu wagen, wodurch meine eigenen Grund- ſaͤtze in der Sittenlehre Gefahr leiden duͤrf- ten?
Noch immer ſchwieg der elende Kerl ſtille. Hatte mein Fuͤrſprecher nichts fuͤr mich zu ſa- gen: was blieb mir denn fuͤr Hoffnung uͤbrig, meine Sache zu treiben?
Was kommt nun aus dem allen heraus, mein Herr? ‒ Es iſt dieſes. Wo ſie den Ein- fluß uͤber ihn haben, den ein Mann von ihrem
Ver-
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Es iſt das gewoͤhnliche Schickſal bey un-
gleichen Ehen, daß dadurch oft ganz leidliche
Perſonen in Vorwuͤrfe gerathen, die ſonſt,
wenn ſie gluͤcklicher geheyrathet haͤtten, ſich wuͤr-
den Ruhm erworben haben. Soll ich denn nicht
billig ein Buͤndniß mit einem Manne fliehen, der
ein Frauenzimmer zu Fehlern verleiten koͤnnte,
das ſich ſchmeichelt, mit einer Neigung zum Gu-
ten begluͤckt zu ſeyn, und das einen jeden, mit
dem ſie einige Verbindung hat, bis auf ihre
Bedienten ſelbſt, gluͤcklich zu machen wuͤnſchet?
Sie ruhete wiederum aus und ging einmal
im Zimmer herum. Der alberne Kerl, hohl
ihn der Teufel, war alle dieſe Zeit uͤber ein
todter Hund. Die Fraͤulein ſetzte die Unterre-
dung wieder fort.
Es iſt wahr, ehemals habe ich mir Hoff-
nung gemacht, ein geringes Werkzeug zu ſeiner
Bekehrung zu werden. Da ich aber keine ſol-
che Hoffnung weiter habe: iſt es denn wohl recht;
ſie ſind ja ein aufrichtiger Mann, mein Herr; et-
was zu wagen, wodurch meine eigenen Grund-
ſaͤtze in der Sittenlehre Gefahr leiden duͤrf-
ten?
Noch immer ſchwieg der elende Kerl ſtille.
Hatte mein Fuͤrſprecher nichts fuͤr mich zu ſa-
gen: was blieb mir denn fuͤr Hoffnung uͤbrig,
meine Sache zu treiben?
Was kommt nun aus dem allen heraus,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/472>, abgerufen am 24.11.2024.
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