Hierauf wandte sie sich von mir, um in das Haus hineinzugehen.
Beglücken sie mich, meine geliebte Fräulein, beglücken sie mich noch länger mit dieser rühren- den Unterredung. - - Mein Herz ist ganz von Reue eingenommen - - Jch habe ausnehmend böse gehandelt - - Geben sie, durch die Fortse- tzung dieser stillen, aber durch meine Seele drin- genden Unterredung, mir ferner Ursache, meine unbedächtliche Thorheit zu verfluchen.
Nein, nein, Herr Lovelace. Jch habe zu viel gesaget. Die Ungeduld fängt an, sich mei- ner zu bemächtigen. Können sie mich bey der Lady und Fräulein Montague entschuldigen: so wird es um meines Gemüthes und um ihres gu- ten Namens willen besser seyn, daß ich dieselben nicht spreche. Geben sie mich bey ihnen für all zu eigen, unartig, spröde aus: wofür es ihnen beliebt, dafür geben sie mich bey ihnen aus. Keine Seele außer der Fräulein Howe, bey der ich, nächst dem Allmächtigen und meiner Mut- ter, von vorsetzlichen Fehlern losgesprochen zu seyn wünsche, soll ganz erfahren, was vorgegan- gen ist. Seyn sie glücklich, wie sie seyn können! - - Verdienen sie glücklich zu seyn: so werden sie wenigstens in ihren eignen Gedanken glücklich seyn; wenn sie auch in anderer Betrachtung noch so unglücklich seyn sollten. Kann ich mei- nes Theils nur, bey gehöriger Ueberlegung, auf meine eigne Aufführung ohne den wichtigen Vor- wurf, daß ich so vorsetzlich und gegen meine Ueber-
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Hierauf wandte ſie ſich von mir, um in das Haus hineinzugehen.
Begluͤcken ſie mich, meine geliebte Fraͤulein, begluͤcken ſie mich noch laͤnger mit dieſer ruͤhren- den Unterredung. ‒ ‒ Mein Herz iſt ganz von Reue eingenommen ‒ ‒ Jch habe ausnehmend boͤſe gehandelt ‒ ‒ Geben ſie, durch die Fortſe- tzung dieſer ſtillen, aber durch meine Seele drin- genden Unterredung, mir ferner Urſache, meine unbedaͤchtliche Thorheit zu verfluchen.
Nein, nein, Herr Lovelace. Jch habe zu viel geſaget. Die Ungeduld faͤngt an, ſich mei- ner zu bemaͤchtigen. Koͤnnen ſie mich bey der Lady und Fraͤulein Montague entſchuldigen: ſo wird es um meines Gemuͤthes und um ihres gu- ten Namens willen beſſer ſeyn, daß ich dieſelben nicht ſpreche. Geben ſie mich bey ihnen fuͤr all zu eigen, unartig, ſproͤde aus: wofuͤr es ihnen beliebt, dafuͤr geben ſie mich bey ihnen aus. Keine Seele außer der Fraͤulein Howe, bey der ich, naͤchſt dem Allmaͤchtigen und meiner Mut- ter, von vorſetzlichen Fehlern losgeſprochen zu ſeyn wuͤnſche, ſoll ganz erfahren, was vorgegan- gen iſt. Seyn ſie gluͤcklich, wie ſie ſeyn koͤnnen! ‒ ‒ Verdienen ſie gluͤcklich zu ſeyn: ſo werden ſie wenigſtens in ihren eignen Gedanken gluͤcklich ſeyn; wenn ſie auch in anderer Betrachtung noch ſo ungluͤcklich ſeyn ſollten. Kann ich mei- nes Theils nur, bey gehoͤriger Ueberlegung, auf meine eigne Auffuͤhrung ohne den wichtigen Vor- wurf, daß ich ſo vorſetzlich und gegen meine Ueber-
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Hierauf wandte ſie ſich von mir, um in das
Haus hineinzugehen.
Begluͤcken ſie mich, meine geliebte Fraͤulein,
begluͤcken ſie mich noch laͤnger mit dieſer ruͤhren-
den Unterredung. ‒ ‒ Mein Herz iſt ganz von
Reue eingenommen ‒ ‒ Jch habe ausnehmend
boͤſe gehandelt ‒ ‒ Geben ſie, durch die Fortſe-
tzung dieſer ſtillen, aber durch meine Seele drin-
genden Unterredung, mir ferner Urſache, meine
unbedaͤchtliche Thorheit zu verfluchen.
Nein, nein, Herr Lovelace. Jch habe zu
viel geſaget. Die Ungeduld faͤngt an, ſich mei-
ner zu bemaͤchtigen. Koͤnnen ſie mich bey der
Lady und Fraͤulein Montague entſchuldigen: ſo
wird es um meines Gemuͤthes und um ihres gu-
ten Namens willen beſſer ſeyn, daß ich dieſelben
nicht ſpreche. Geben ſie mich bey ihnen fuͤr
all zu eigen, unartig, ſproͤde aus: wofuͤr es ihnen
beliebt, dafuͤr geben ſie mich bey ihnen aus.
Keine Seele außer der Fraͤulein Howe, bey der
ich, naͤchſt dem Allmaͤchtigen und meiner Mut-
ter, von vorſetzlichen Fehlern losgeſprochen zu
ſeyn wuͤnſche, ſoll ganz erfahren, was vorgegan-
gen iſt. Seyn ſie gluͤcklich, wie ſie ſeyn koͤnnen!
‒ ‒ Verdienen ſie gluͤcklich zu ſeyn: ſo werden
ſie wenigſtens in ihren eignen Gedanken gluͤcklich
ſeyn; wenn ſie auch in anderer Betrachtung
noch ſo ungluͤcklich ſeyn ſollten. Kann ich mei-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/505>, abgerufen am 24.11.2024.
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