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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

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wie sie will. Jch schäme mich nicht zu gestehen,
daß ich bey denen Gebetern, die ich meinem ar-
men Onkel in der Abwesenheit eines sehr guten
Geistlichen, der ihn ordentlich besucht, vorlesen
muß, nicht vergesse, ein oder ein paar Worte
für mich selbst einfließen zu lassen.

Lachest du über mich, Lovelace: so wird dein
Gelächter mehr deinen Handlungen, als dem,
was du glaubest, gemäß seyn. Die Teufel
glauben und zittern.
Kannst du verruchter
seyn, als diese sind?

Jch muß hier noch bey der Gelegenheit, da
ich meines armen Alten gedenke, hinzufügen, daß
ich oft wünsche, du möchtest nur eine halbe Stun-
de des Tages gegenwärtig seyn, damit du sehen
möchtest, wie endlich die Hefen von einem lusti-
gen Leben in der schmerzlichsten Marter, welche
die Kolik, der Stein, und der kalte Brand zu-
gleich verursachen können, verlaufen müssen; da-
mit du hören möchtest, wie er in der bittersten
Angst eines Geistes, der alle Stunden auf den
Ruf zu seiner letzten Rechenschaft wartet, die
Leichtfertigkeit in seinem vergangenen Leben be-
weinet - - Gleichwohl hat er sich, bey allen sei-
nen Bekenntnissen, in Verlauf von sieben und
sechzig Lebensjahren nicht die Hälfte von den
recht schändlichen Ausschweifungen vorzuhalten,
die wir, du und ich, allein in den letzten sieben
Jahren begangen haben.

Schlüßlich



wie ſie will. Jch ſchaͤme mich nicht zu geſtehen,
daß ich bey denen Gebetern, die ich meinem ar-
men Onkel in der Abweſenheit eines ſehr guten
Geiſtlichen, der ihn ordentlich beſucht, vorleſen
muß, nicht vergeſſe, ein oder ein paar Worte
fuͤr mich ſelbſt einfließen zu laſſen.

Lacheſt du uͤber mich, Lovelace: ſo wird dein
Gelaͤchter mehr deinen Handlungen, als dem,
was du glaubeſt, gemaͤß ſeyn. Die Teufel
glauben und zittern.
Kannſt du verruchter
ſeyn, als dieſe ſind?

Jch muß hier noch bey der Gelegenheit, da
ich meines armen Alten gedenke, hinzufuͤgen, daß
ich oft wuͤnſche, du moͤchteſt nur eine halbe Stun-
de des Tages gegenwaͤrtig ſeyn, damit du ſehen
moͤchteſt, wie endlich die Hefen von einem luſti-
gen Leben in der ſchmerzlichſten Marter, welche
die Kolik, der Stein, und der kalte Brand zu-
gleich verurſachen koͤnnen, verlaufen muͤſſen; da-
mit du hoͤren moͤchteſt, wie er in der bitterſten
Angſt eines Geiſtes, der alle Stunden auf den
Ruf zu ſeiner letzten Rechenſchaft wartet, die
Leichtfertigkeit in ſeinem vergangenen Leben be-
weinet ‒ ‒ Gleichwohl hat er ſich, bey allen ſei-
nen Bekenntniſſen, in Verlauf von ſieben und
ſechzig Lebensjahren nicht die Haͤlfte von den
recht ſchaͤndlichen Ausſchweifungen vorzuhalten,
die wir, du und ich, allein in den letzten ſieben
Jahren begangen haben.

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[45/0051] wie ſie will. Jch ſchaͤme mich nicht zu geſtehen, daß ich bey denen Gebetern, die ich meinem ar- men Onkel in der Abweſenheit eines ſehr guten Geiſtlichen, der ihn ordentlich beſucht, vorleſen muß, nicht vergeſſe, ein oder ein paar Worte fuͤr mich ſelbſt einfließen zu laſſen. Lacheſt du uͤber mich, Lovelace: ſo wird dein Gelaͤchter mehr deinen Handlungen, als dem, was du glaubeſt, gemaͤß ſeyn. Die Teufel glauben und zittern. Kannſt du verruchter ſeyn, als dieſe ſind? Jch muß hier noch bey der Gelegenheit, da ich meines armen Alten gedenke, hinzufuͤgen, daß ich oft wuͤnſche, du moͤchteſt nur eine halbe Stun- de des Tages gegenwaͤrtig ſeyn, damit du ſehen moͤchteſt, wie endlich die Hefen von einem luſti- gen Leben in der ſchmerzlichſten Marter, welche die Kolik, der Stein, und der kalte Brand zu- gleich verurſachen koͤnnen, verlaufen muͤſſen; da- mit du hoͤren moͤchteſt, wie er in der bitterſten Angſt eines Geiſtes, der alle Stunden auf den Ruf zu ſeiner letzten Rechenſchaft wartet, die Leichtfertigkeit in ſeinem vergangenen Leben be- weinet ‒ ‒ Gleichwohl hat er ſich, bey allen ſei- nen Bekenntniſſen, in Verlauf von ſieben und ſechzig Lebensjahren nicht die Haͤlfte von den recht ſchaͤndlichen Ausſchweifungen vorzuhalten, die wir, du und ich, allein in den letzten ſieben Jahren begangen haben. Schluͤßlich

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/51>, abgerufen am 21.11.2024.