fortgegangen bin, in den Stand gesetzt, alles zu sa- gen, was für dich zu sagen nöthig gewesen ist?
Jedoch noch einmal will ich es mit dir auf- nehmen.
Gemein, verlegen, armselig, sagst du, sind einige von meinen ersonnenen Anschlägen; sonderlich der mit der Witwe - Mir vergeht die Geduld mit dir - Hatte dieser Einfall zu der Zeit nicht seine Wirkung, mir Aufschub zu ver- schaffen? Und hatte ich damals nicht Ursache zu fürchten, daß sie genug finden würde, wodurch ihr dieß Haus zuwider seyn könnte? War es bey der Absicht, die ich hatte, nicht recht, sie von Zeit zu Zeit in den Gedanken zu erhalten, daß bald ein eignes Haus für sie bereit seyn würde, damit sie sich bereden ließe, hier so lange zu bleiben?
Gemein, verlegen, armselig! - - Du bist ein schlechter Bruder und kein Richter, wenn du dieß sagst. Hätte ich dir nicht als ein Einfalts- pinsel, so wie ich von Schritt zu Schritt fortge- gangen bin, die geheimen Absichten meines Her- zens entdecket, sondern alles bey mir behalten, bis der Ausgang meine Geheimnisse ans Licht gebracht: so würde ich dir auf alle Gefahr Trotz geboten haben, ob du das geringste geschickter, als die Fräulein, gewesen wärest, das, was ihr begegnen sollte, zu errathen, bis es wirklich ge- schehen wäre. Jch zweifle auch in dem Fall nicht, daß du, an statt über ihre Leichtglaubigkeit
deine
fortgegangen bin, in den Stand geſetzt, alles zu ſa- gen, was fuͤr dich zu ſagen noͤthig geweſen iſt?
Jedoch noch einmal will ich es mit dir auf- nehmen.
Gemein, verlegen, armſelig, ſagſt du, ſind einige von meinen erſonnenen Anſchlaͤgen; ſonderlich der mit der Witwe ‒ Mir vergeht die Geduld mit dir ‒ Hatte dieſer Einfall zu der Zeit nicht ſeine Wirkung, mir Aufſchub zu ver- ſchaffen? Und hatte ich damals nicht Urſache zu fuͤrchten, daß ſie genug finden wuͤrde, wodurch ihr dieß Haus zuwider ſeyn koͤnnte? War es bey der Abſicht, die ich hatte, nicht recht, ſie von Zeit zu Zeit in den Gedanken zu erhalten, daß bald ein eignes Haus fuͤr ſie bereit ſeyn wuͤrde, damit ſie ſich bereden ließe, hier ſo lange zu bleiben?
Gemein, verlegen, armſelig! ‒ ‒ Du biſt ein ſchlechter Bruder und kein Richter, wenn du dieß ſagſt. Haͤtte ich dir nicht als ein Einfalts- pinſel, ſo wie ich von Schritt zu Schritt fortge- gangen bin, die geheimen Abſichten meines Her- zens entdecket, ſondern alles bey mir behalten, bis der Ausgang meine Geheimniſſe ans Licht gebracht: ſo wuͤrde ich dir auf alle Gefahr Trotz geboten haben, ob du das geringſte geſchickter, als die Fraͤulein, geweſen waͤreſt, das, was ihr begegnen ſollte, zu errathen, bis es wirklich ge- ſchehen waͤre. Jch zweifle auch in dem Fall nicht, daß du, an ſtatt uͤber ihre Leichtglaubigkeit
deine
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fortgegangen bin, in den Stand geſetzt, alles zu ſa-
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Jedoch noch einmal will ich es mit dir auf-
nehmen.
Gemein, verlegen, armſelig, ſagſt du,
ſind einige von meinen erſonnenen Anſchlaͤgen;
ſonderlich der mit der Witwe ‒ Mir vergeht die
Geduld mit dir ‒ Hatte dieſer Einfall zu der
Zeit nicht ſeine Wirkung, mir Aufſchub zu ver-
ſchaffen? Und hatte ich damals nicht Urſache zu
fuͤrchten, daß ſie genug finden wuͤrde, wodurch
ihr dieß Haus zuwider ſeyn koͤnnte? War es bey
der Abſicht, die ich hatte, nicht recht, ſie von Zeit
zu Zeit in den Gedanken zu erhalten, daß bald
ein eignes Haus fuͤr ſie bereit ſeyn wuͤrde, damit
ſie ſich bereden ließe, hier ſo lange zu bleiben?
Gemein, verlegen, armſelig! ‒ ‒ Du biſt
ein ſchlechter Bruder und kein Richter, wenn du
dieß ſagſt. Haͤtte ich dir nicht als ein Einfalts-
pinſel, ſo wie ich von Schritt zu Schritt fortge-
gangen bin, die geheimen Abſichten meines Her-
zens entdecket, ſondern alles bey mir behalten,
bis der Ausgang meine Geheimniſſe ans Licht
gebracht: ſo wuͤrde ich dir auf alle Gefahr Trotz
geboten haben, ob du das geringſte geſchickter,
als die Fraͤulein, geweſen waͤreſt, das, was ihr
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/53>, abgerufen am 22.11.2024.
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