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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

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Jedoch wollte ich bey allem dem nicht gern
bey dir in dem Verdachte stehen, daß ich meine
schwache Seite nicht kenne. Jch habe dir schon
ehemals zu bedenken gegeben, daß es dem ge-
schicktesten General schwer sey zu sagen, was er
thun wolle oder thun könne, wenn er seine Be-
wegungen nach den Bewegungen eines wachsa-
men Feindes abmessen und einrichten muß (*).
Wofern du dieser Betrachtung ihr gehöriges Ge-
wicht lässest: so wirst du dich nicht wundern, daß
ich viele Märsche und Contremärsche thue, da-
von einige einem schlechten Zuschauer leicht un-
nöthig scheinen können.

Allein ich muß mich doch beyläufig mit dir
in den Streit über diese Sache einlassen: da ich
schon das Ende von meinem Zuge absehen kann.

Du schreibst mir eine Menge von Dingen,
die nichts zur Sache beytragen. Einige davon
hast du bloß von mir selbst: andre habe ich lan-
ge vorher gewußt.

Alles, was du zum Lobe meiner reizenden
Schönen anführest, reicht lange noch nicht an
dasjenige, was ich über diese unerschöpfliche Ma-
terie gesagt und geschrieben habe.

Jhre Tugend, ihr Widerstand, welches ihre
Verdienste sind, treiben mich eben an. Habe
ich dir das nicht zwanzigmal gesagt?

Nennen mich diese Mädchen unter sich einen
Teufel: was bin ich denn für ein Teufel, anders

als
(*) S. Th. III. S. 299.
Fünfter Theil. D


Jedoch wollte ich bey allem dem nicht gern
bey dir in dem Verdachte ſtehen, daß ich meine
ſchwache Seite nicht kenne. Jch habe dir ſchon
ehemals zu bedenken gegeben, daß es dem ge-
ſchickteſten General ſchwer ſey zu ſagen, was er
thun wolle oder thun koͤnne, wenn er ſeine Be-
wegungen nach den Bewegungen eines wachſa-
men Feindes abmeſſen und einrichten muß (*).
Wofern du dieſer Betrachtung ihr gehoͤriges Ge-
wicht laͤſſeſt: ſo wirſt du dich nicht wundern, daß
ich viele Maͤrſche und Contremaͤrſche thue, da-
von einige einem ſchlechten Zuſchauer leicht un-
noͤthig ſcheinen koͤnnen.

Allein ich muß mich doch beylaͤufig mit dir
in den Streit uͤber dieſe Sache einlaſſen: da ich
ſchon das Ende von meinem Zuge abſehen kann.

Du ſchreibſt mir eine Menge von Dingen,
die nichts zur Sache beytragen. Einige davon
haſt du bloß von mir ſelbſt: andre habe ich lan-
ge vorher gewußt.

Alles, was du zum Lobe meiner reizenden
Schoͤnen anfuͤhreſt, reicht lange noch nicht an
dasjenige, was ich uͤber dieſe unerſchoͤpfliche Ma-
terie geſagt und geſchrieben habe.

Jhre Tugend, ihr Widerſtand, welches ihre
Verdienſte ſind, treiben mich eben an. Habe
ich dir das nicht zwanzigmal geſagt?

Nennen mich dieſe Maͤdchen unter ſich einen
Teufel: was bin ich denn fuͤr ein Teufel, anders

als
(*) S. Th. III. S. 299.
Fuͤnfter Theil. D
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[49/0055] Jedoch wollte ich bey allem dem nicht gern bey dir in dem Verdachte ſtehen, daß ich meine ſchwache Seite nicht kenne. Jch habe dir ſchon ehemals zu bedenken gegeben, daß es dem ge- ſchickteſten General ſchwer ſey zu ſagen, was er thun wolle oder thun koͤnne, wenn er ſeine Be- wegungen nach den Bewegungen eines wachſa- men Feindes abmeſſen und einrichten muß (*). Wofern du dieſer Betrachtung ihr gehoͤriges Ge- wicht laͤſſeſt: ſo wirſt du dich nicht wundern, daß ich viele Maͤrſche und Contremaͤrſche thue, da- von einige einem ſchlechten Zuſchauer leicht un- noͤthig ſcheinen koͤnnen. Allein ich muß mich doch beylaͤufig mit dir in den Streit uͤber dieſe Sache einlaſſen: da ich ſchon das Ende von meinem Zuge abſehen kann. Du ſchreibſt mir eine Menge von Dingen, die nichts zur Sache beytragen. Einige davon haſt du bloß von mir ſelbſt: andre habe ich lan- ge vorher gewußt. Alles, was du zum Lobe meiner reizenden Schoͤnen anfuͤhreſt, reicht lange noch nicht an dasjenige, was ich uͤber dieſe unerſchoͤpfliche Ma- terie geſagt und geſchrieben habe. Jhre Tugend, ihr Widerſtand, welches ihre Verdienſte ſind, treiben mich eben an. Habe ich dir das nicht zwanzigmal geſagt? Nennen mich dieſe Maͤdchen unter ſich einen Teufel: was bin ich denn fuͤr ein Teufel, anders als (*) S. Th. III. S. 299. Fuͤnfter Theil. D

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/55>, abgerufen am 22.11.2024.