Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Jch habe nicht Zeit, dir die eigentlichen Um-
stände, wie wir unsern Handel getrieben haben,
zu melden.

Meine Geliebte läßt itzo einige von ihren
Kleidern zusammen packen: - - um nimmer-
mehr einen Fuß wieder in dieß Haus zu setzen.
Sie wird es auch niemals wieder thun, das kann
ich zuversichtlich sagen, wenn sie noch einmal aus
demselben heraus ist.

Allein ich habe nicht die geringste Hoffnung
zur Vergebung, nicht einmal zu einer bedingten
Vergebung, bisher erlangen können! - - Die
Harlowischgesinnte Schöne will sich meiner
Barmherzigkeit nicht würdig machen! Sie
will auf den nächsten Brief von der Fräulein
Howe warten: und alsdenn, wo sie eine Schwie-
rigkeit bey ihren neuen Anschlägen findet;

dabey habe ich ihr für nichts zu danken; will sie
- - Was will sie? - - Ey alsdenn will sie sich
noch erst Zeit nehmen, zu überlegen, ob sie mir
vergeben kann oder mich auf ewig abweisen muß.
Eine Gleichgültigkeit, die in meinem Herzen das
Andenken von tausend andern dieser Art wieder
lebendig machet! - - Und gleichwohl erklären
sich Lady Elisabeth und Fräulein Montague, daß
ich mit einem so stolzen Aufschub, der mich auf
das ungewisse abweiset, zufrieden seyn müsse.
Man möchte fast in die Versuchung gerathen,
Bruder, zu denken, als wenn sie wünschten, daß
die Fräulein meine Rache reizen möchte.

Sie


Jch habe nicht Zeit, dir die eigentlichen Um-
ſtaͤnde, wie wir unſern Handel getrieben haben,
zu melden.

Meine Geliebte laͤßt itzo einige von ihren
Kleidern zuſammen packen: ‒ ‒ um nimmer-
mehr einen Fuß wieder in dieß Haus zu ſetzen.
Sie wird es auch niemals wieder thun, das kann
ich zuverſichtlich ſagen, wenn ſie noch einmal aus
demſelben heraus iſt.

Allein ich habe nicht die geringſte Hoffnung
zur Vergebung, nicht einmal zu einer bedingten
Vergebung, bisher erlangen koͤnnen! ‒ ‒ Die
Harlowiſchgeſinnte Schoͤne will ſich meiner
Barmherzigkeit nicht wuͤrdig machen! Sie
will auf den naͤchſten Brief von der Fraͤulein
Howe warten: und alsdenn, wo ſie eine Schwie-
rigkeit bey ihren neuen Anſchlaͤgen findet;

dabey habe ich ihr fuͤr nichts zu danken; will ſie
‒ ‒ Was will ſie? ‒ ‒ Ey alsdenn will ſie ſich
noch erſt Zeit nehmen, zu uͤberlegen, ob ſie mir
vergeben kann oder mich auf ewig abweiſen muß.
Eine Gleichguͤltigkeit, die in meinem Herzen das
Andenken von tauſend andern dieſer Art wieder
lebendig machet! ‒ ‒ Und gleichwohl erklaͤren
ſich Lady Eliſabeth und Fraͤulein Montague, daß
ich mit einem ſo ſtolzen Aufſchub, der mich auf
das ungewiſſe abweiſet, zufrieden ſeyn muͤſſe.
Man moͤchte faſt in die Verſuchung gerathen,
Bruder, zu denken, als wenn ſie wuͤnſchten, daß
die Fraͤulein meine Rache reizen moͤchte.

Sie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0581" n="575"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Jch habe nicht Zeit, dir die eigentlichen Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde, wie wir un&#x017F;ern Handel getrieben haben,<lb/>
zu melden.</p><lb/>
          <p>Meine Geliebte la&#x0364;ßt itzo einige von ihren<lb/>
Kleidern zu&#x017F;ammen packen: &#x2012; &#x2012; um nimmer-<lb/>
mehr einen Fuß wieder in dieß Haus zu &#x017F;etzen.<lb/>
Sie wird es auch niemals wieder thun, das kann<lb/>
ich zuver&#x017F;ichtlich &#x017F;agen, wenn &#x017F;ie noch einmal aus<lb/>
dem&#x017F;elben heraus i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Allein ich habe nicht die gering&#x017F;te Hoffnung<lb/>
zur Vergebung, nicht einmal zu einer bedingten<lb/>
Vergebung, bisher erlangen ko&#x0364;nnen! &#x2012; &#x2012; Die<lb/>
Harlowi&#x017F;chge&#x017F;innte Scho&#x0364;ne will &#x017F;ich meiner<lb/>
Barmherzigkeit nicht <hi rendition="#fr">wu&#x0364;rdig machen!</hi> Sie<lb/>
will auf den na&#x0364;ch&#x017F;ten Brief von der Fra&#x0364;ulein<lb/>
Howe warten: und alsdenn, wo &#x017F;ie <hi rendition="#fr">eine Schwie-<lb/>
rigkeit bey ihren neuen An&#x017F;chla&#x0364;gen findet;</hi><lb/>
dabey habe ich ihr fu&#x0364;r nichts zu danken; will &#x017F;ie<lb/>
&#x2012; &#x2012; Was will &#x017F;ie? &#x2012; &#x2012; Ey <hi rendition="#fr">alsdenn</hi> will &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
noch er&#x017F;t Zeit nehmen, zu u&#x0364;berlegen, ob &#x017F;ie mir<lb/>
vergeben kann oder mich auf ewig abwei&#x017F;en muß.<lb/>
Eine Gleichgu&#x0364;ltigkeit, die in meinem Herzen das<lb/>
Andenken von tau&#x017F;end andern die&#x017F;er Art wieder<lb/>
lebendig machet! &#x2012; &#x2012; Und gleichwohl erkla&#x0364;ren<lb/>
&#x017F;ich Lady Eli&#x017F;abeth und Fra&#x0364;ulein Montague, daß<lb/>
ich mit einem &#x017F;o &#x017F;tolzen Auf&#x017F;chub, der mich auf<lb/>
das ungewi&#x017F;&#x017F;e abwei&#x017F;et, zufrieden &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.<lb/>
Man mo&#x0364;chte fa&#x017F;t in die Ver&#x017F;uchung gerathen,<lb/>
Bruder, zu denken, als wenn &#x017F;ie wu&#x0364;n&#x017F;chten, daß<lb/>
die Fra&#x0364;ulein meine Rache reizen mo&#x0364;chte.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[575/0581] Jch habe nicht Zeit, dir die eigentlichen Um- ſtaͤnde, wie wir unſern Handel getrieben haben, zu melden. Meine Geliebte laͤßt itzo einige von ihren Kleidern zuſammen packen: ‒ ‒ um nimmer- mehr einen Fuß wieder in dieß Haus zu ſetzen. Sie wird es auch niemals wieder thun, das kann ich zuverſichtlich ſagen, wenn ſie noch einmal aus demſelben heraus iſt. Allein ich habe nicht die geringſte Hoffnung zur Vergebung, nicht einmal zu einer bedingten Vergebung, bisher erlangen koͤnnen! ‒ ‒ Die Harlowiſchgeſinnte Schoͤne will ſich meiner Barmherzigkeit nicht wuͤrdig machen! Sie will auf den naͤchſten Brief von der Fraͤulein Howe warten: und alsdenn, wo ſie eine Schwie- rigkeit bey ihren neuen Anſchlaͤgen findet; dabey habe ich ihr fuͤr nichts zu danken; will ſie ‒ ‒ Was will ſie? ‒ ‒ Ey alsdenn will ſie ſich noch erſt Zeit nehmen, zu uͤberlegen, ob ſie mir vergeben kann oder mich auf ewig abweiſen muß. Eine Gleichguͤltigkeit, die in meinem Herzen das Andenken von tauſend andern dieſer Art wieder lebendig machet! ‒ ‒ Und gleichwohl erklaͤren ſich Lady Eliſabeth und Fraͤulein Montague, daß ich mit einem ſo ſtolzen Aufſchub, der mich auf das ungewiſſe abweiſet, zufrieden ſeyn muͤſſe. Man moͤchte faſt in die Verſuchung gerathen, Bruder, zu denken, als wenn ſie wuͤnſchten, daß die Fraͤulein meine Rache reizen moͤchte. Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/581
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/581>, abgerufen am 24.11.2024.