wird? Und wird ihr nicht die rechte Krone ih- res Ruhms, der Beweis ihrer trefflichen Vorzü- ge, die bisher über alles gehen, fehlen: wenn ich nahe bey dem letzten Versuche inne halte?
Nunmehr ist das Ende meiner vorgesetzten Absichten vor der Hand, welche lange durch die Ehrfurcht gegen ihre Person unterdrücket, oft verschoben sind. Habe ich wohl nöthig, das was ihre verfluchte Familie gesündiget hat, mit in die Wagschale zu legen, die schon ohne das nur all- zu weit überschlägt?
Allein Gewalt sey verfluchet! - - Ver- flucht sey der Gedanke, Gewalt zu gebrau- chen! Durch Gewalt erhält man keinen Sieg über den Willen! Dieß habe ich selbst gesagt: das weiß ich wohl (*). Aber habe ich denn nicht auf alle Art vermeiden wollen, Gewalt zu gebrauchen, wo ich könnte? - - Habe ich nicht alle andere Mittel versucht? Und ist mir noch eine andere Zuflucht übrig? Kann sie wohl die äußerste Gewalt höher empfinden, als sie einen schwächern Versuch empfunden hat? - - Und wenn ihr Unwillen auch noch so hoch stei- get: kann ich es denn nicht durch Heyrathen wie- der gut machen? - - Sie wird meine Hand nicht ausschlagen; das weiß ich, Bruder; die übermü- thige Schöne wird meine Hand nicht ausschla- gen: wenn ihr Stolz, daß sie in ihrer Person unverletzet ist, gedemüthiget worden; wenn sie keine Histörchen erzählen kann, sondern selbst Per-
sonen
(*) Siehe den IV. Th. S. 264.
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wird? Und wird ihr nicht die rechte Krone ih- res Ruhms, der Beweis ihrer trefflichen Vorzuͤ- ge, die bisher uͤber alles gehen, fehlen: wenn ich nahe bey dem letzten Verſuche inne halte?
Nunmehr iſt das Ende meiner vorgeſetzten Abſichten vor der Hand, welche lange durch die Ehrfurcht gegen ihre Perſon unterdruͤcket, oft verſchoben ſind. Habe ich wohl noͤthig, das was ihre verfluchte Familie geſuͤndiget hat, mit in die Wagſchale zu legen, die ſchon ohne das nur all- zu weit uͤberſchlaͤgt?
Allein Gewalt ſey verfluchet! ‒ ‒ Ver- flucht ſey der Gedanke, Gewalt zu gebrau- chen! Durch Gewalt erhaͤlt man keinen Sieg uͤber den Willen! Dieß habe ich ſelbſt geſagt: das weiß ich wohl (*). Aber habe ich denn nicht auf alle Art vermeiden wollen, Gewalt zu gebrauchen, wo ich koͤnnte? ‒ ‒ Habe ich nicht alle andere Mittel verſucht? Und iſt mir noch eine andere Zuflucht uͤbrig? Kann ſie wohl die aͤußerſte Gewalt hoͤher empfinden, als ſie einen ſchwaͤchern Verſuch empfunden hat? ‒ ‒ Und wenn ihr Unwillen auch noch ſo hoch ſtei- get: kann ich es denn nicht durch Heyrathen wie- der gut machen? ‒ ‒ Sie wird meine Hand nicht ausſchlagen; das weiß ich, Bruder; die uͤbermuͤ- thige Schoͤne wird meine Hand nicht ausſchla- gen: wenn ihr Stolz, daß ſie in ihrer Perſon unverletzet iſt, gedemuͤthiget worden; wenn ſie keine Hiſtoͤrchen erzaͤhlen kann, ſondern ſelbſt Per-
ſonen
(*) Siehe den IV. Th. S. 264.
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wird? Und wird ihr nicht die rechte Krone ih-
res Ruhms, der Beweis ihrer trefflichen Vorzuͤ-
ge, die bisher uͤber alles gehen, fehlen: wenn ich
nahe bey dem letzten Verſuche inne halte?
Nunmehr iſt das Ende meiner vorgeſetzten
Abſichten vor der Hand, welche lange durch die
Ehrfurcht gegen ihre Perſon unterdruͤcket, oft
verſchoben ſind. Habe ich wohl noͤthig, das was
ihre verfluchte Familie geſuͤndiget hat, mit in die
Wagſchale zu legen, die ſchon ohne das nur all-
zu weit uͤberſchlaͤgt?
Allein Gewalt ſey verfluchet! ‒ ‒ Ver-
flucht ſey der Gedanke, Gewalt zu gebrau-
chen! Durch Gewalt erhaͤlt man keinen
Sieg uͤber den Willen! Dieß habe ich ſelbſt
geſagt: das weiß ich wohl (*). Aber habe ich
denn nicht auf alle Art vermeiden wollen, Gewalt
zu gebrauchen, wo ich koͤnnte? ‒ ‒ Habe ich
nicht alle andere Mittel verſucht? Und iſt mir
noch eine andere Zuflucht uͤbrig? Kann ſie wohl
die aͤußerſte Gewalt hoͤher empfinden, als ſie
einen ſchwaͤchern Verſuch empfunden hat? ‒
‒ Und wenn ihr Unwillen auch noch ſo hoch ſtei-
get: kann ich es denn nicht durch Heyrathen wie-
der gut machen? ‒ ‒ Sie wird meine Hand nicht
ausſchlagen; das weiß ich, Bruder; die uͤbermuͤ-
thige Schoͤne wird meine Hand nicht ausſchla-
gen: wenn ihr Stolz, daß ſie in ihrer Perſon
unverletzet iſt, gedemuͤthiget worden; wenn ſie
keine Hiſtoͤrchen erzaͤhlen kann, ſondern ſelbſt Per-
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(*) Siehe den IV. Th. S. 264.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 581. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/587>, abgerufen am 24.11.2024.
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