Pompejus war, oder bis er den Gipfel seiner ehrgeizigen Absichten erreichete: eben so hat auch dein Lovelace nicht gewußt, was es hieße, finster und misvergnügt zu seyn, bis er seine Wünsche bey dem schönsten Frauenzimmern in der Welt, wie jener bey dem mächtigsten Staat, der jemals gewesen, erfüllet hatte.
Allein warum sage ich, erfüllet? Da der Wille, an ihrer Seite, ihre Einwilligung, fehlet - - und ich noch mein Augenmerk darauf gerichtet habe?
Jch könnte beynahe mit dir einig seyn, und mir den Wunsch, den du durch deinen Diener an mich bestellet hast, so unfreundlich er auch ist, gefallen lassen, daß ich dein Unglück vor der verwichnen Montagsnacht gehabt haben möchte. Denn die arme Fräulein ist itzo auf die andere Seite in eine Ausschweifung gerathen, die gerade das Gegentheil von demjenigen ist, was ich dir zuletzt geschrieben habe. Sie ist nun eben so viel zu lebhaft, als sie vorher unempfindlich war- Wenn man ausnimmt, daß sie einige Abwechse- lungen hat, wobey sie oft ganz verständig ist: so würde man sie für unsinnig halten, und ich könn- te fast gezwungen werden, sie einzusperren.
Jch bin verzweifelt unruhig dabey; denn mir wird bange, daß ihr Verstand einen unersetz- lichen Schaden gelitten habe.
Wer Teufel hätte von einer so gemeinen und so geringen Ursache so wunderliche Wirkungen vermuthen können?
Allein
Q q 3
Pompejus war, oder bis er den Gipfel ſeiner ehrgeizigen Abſichten erreichete: eben ſo hat auch dein Lovelace nicht gewußt, was es hieße, finſter und misvergnuͤgt zu ſeyn, bis er ſeine Wuͤnſche bey dem ſchoͤnſten Frauenzimmern in der Welt, wie jener bey dem maͤchtigſten Staat, der jemals geweſen, erfuͤllet hatte.
Allein warum ſage ich, erfuͤllet? Da der Wille, an ihrer Seite, ihre Einwilligung, fehlet ‒ ‒ und ich noch mein Augenmerk darauf gerichtet habe?
Jch koͤnnte beynahe mit dir einig ſeyn, und mir den Wunſch, den du durch deinen Diener an mich beſtellet haſt, ſo unfreundlich er auch iſt, gefallen laſſen, daß ich dein Ungluͤck vor der verwichnen Montagsnacht gehabt haben moͤchte. Denn die arme Fraͤulein iſt itzo auf die andere Seite in eine Ausſchweifung gerathen, die gerade das Gegentheil von demjenigen iſt, was ich dir zuletzt geſchrieben habe. Sie iſt nun eben ſo viel zu lebhaft, als ſie vorher unempfindlich war- Wenn man ausnimmt, daß ſie einige Abwechſe- lungen hat, wobey ſie oft ganz verſtaͤndig iſt: ſo wuͤrde man ſie fuͤr unſinnig halten, und ich koͤnn- te faſt gezwungen werden, ſie einzuſperren.
Jch bin verzweifelt unruhig dabey; denn mir wird bange, daß ihr Verſtand einen unerſetz- lichen Schaden gelitten habe.
Wer Teufel haͤtte von einer ſo gemeinen und ſo geringen Urſache ſo wunderliche Wirkungen vermuthen koͤnnen?
Allein
Q q 3
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Pompejus war, oder bis er den Gipfel ſeiner
ehrgeizigen Abſichten erreichete: eben ſo hat auch
dein Lovelace nicht gewußt, was es hieße, finſter
und misvergnuͤgt zu ſeyn, bis er ſeine Wuͤnſche
bey dem ſchoͤnſten Frauenzimmern in der Welt,
wie jener bey dem maͤchtigſten Staat, der jemals
geweſen, erfuͤllet hatte.
Allein warum ſage ich, erfuͤllet? Da der
Wille, an ihrer Seite, ihre Einwilligung,
fehlet ‒ ‒ und ich noch mein Augenmerk darauf
gerichtet habe?
Jch koͤnnte beynahe mit dir einig ſeyn, und
mir den Wunſch, den du durch deinen Diener
an mich beſtellet haſt, ſo unfreundlich er auch iſt,
gefallen laſſen, daß ich dein Ungluͤck vor der
verwichnen Montagsnacht gehabt haben moͤchte.
Denn die arme Fraͤulein iſt itzo auf die andere
Seite in eine Ausſchweifung gerathen, die gerade
das Gegentheil von demjenigen iſt, was ich dir
zuletzt geſchrieben habe. Sie iſt nun eben ſo viel
zu lebhaft, als ſie vorher unempfindlich war-
Wenn man ausnimmt, daß ſie einige Abwechſe-
lungen hat, wobey ſie oft ganz verſtaͤndig iſt: ſo
wuͤrde man ſie fuͤr unſinnig halten, und ich koͤnn-
te faſt gezwungen werden, ſie einzuſperren.
Jch bin verzweifelt unruhig dabey; denn
mir wird bange, daß ihr Verſtand einen unerſetz-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/619>, abgerufen am 24.11.2024.
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