Der zwey und vierzigste Brief von Herrn Lovelace an Hrn. Johann Belford.
Freytags, den 16ten Jun.
Jch habe das Unglück, das dir begegnet ist, ungern gehört: aber ich hoffe, daß du nicht lange deswegen bettlägerig seyn wirst. Dein Bedienter erzählt mir, wie bald es um deinen Hals geschehen gewesen wäre. Jch wünsche nur, daß es keine böse Vorbedeutung seyn möge: wie- wohl du mir nicht mehr so viel zu wagen schei- nest, als vordem. Allein du siehest doch daß der Hals eines liederlichen Bruders, er mag fröhlich oder traurig seyn, allemal in Gefahr ist, wo nicht vor dem Henker, vor seinem eignen Pserde. Die Schindkracke taugt nicht, wie es scheint. Du möchtest es nur niemals wieder wagen, dich dar- auf zu setzen. Denn es ist eine schlimme Sache, wenn Reuter und Pferd beyde nichts taugen.
Dein Kerl sagt mir, du verlangest, daß ich mit meinen Briefen an dich fortfahren soll, damit ich dich bey deinem Verdruß über den Zwang, eingesperrt zu seyn, aufmuntere. Aber wie kann ich glauben, daß es in meiner Gewalt ste- he, jemand aufzumuntern, wenn das, wovon ich schreibe, mir selbst nicht gefällt.
Cäsar wußte niemals, was es hieße, mistrau- isch und furchtsam zu seyn, bis er das ward, was
Pom-
Der zwey und vierzigſte Brief von Herrn Lovelace an Hrn. Johann Belford.
Freytags, den 16ten Jun.
Jch habe das Ungluͤck, das dir begegnet iſt, ungern gehoͤrt: aber ich hoffe, daß du nicht lange deswegen bettlaͤgerig ſeyn wirſt. Dein Bedienter erzaͤhlt mir, wie bald es um deinen Hals geſchehen geweſen waͤre. Jch wuͤnſche nur, daß es keine boͤſe Vorbedeutung ſeyn moͤge: wie- wohl du mir nicht mehr ſo viel zu wagen ſchei- neſt, als vordem. Allein du ſieheſt doch daß der Hals eines liederlichen Bruders, er mag froͤhlich oder traurig ſeyn, allemal in Gefahr iſt, wo nicht vor dem Henker, vor ſeinem eignen Pſerde. Die Schindkracke taugt nicht, wie es ſcheint. Du moͤchteſt es nur niemals wieder wagen, dich dar- auf zu ſetzen. Denn es iſt eine ſchlimme Sache, wenn Reuter und Pferd beyde nichts taugen.
Dein Kerl ſagt mir, du verlangeſt, daß ich mit meinen Briefen an dich fortfahren ſoll, damit ich dich bey deinem Verdruß uͤber den Zwang, eingeſperrt zu ſeyn, aufmuntere. Aber wie kann ich glauben, daß es in meiner Gewalt ſte- he, jemand aufzumuntern, wenn das, wovon ich ſchreibe, mir ſelbſt nicht gefaͤllt.
Caͤſar wußte niemals, was es hieße, mistrau- iſch und furchtſam zu ſeyn, bis er das ward, was
Pom-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0618"n="612"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Der zwey und vierzigſte Brief</hi><lb/>
von<lb/><hirendition="#fr">Herrn Lovelace an Hrn. Johann Belford.</hi></head><lb/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Freytags, den 16ten Jun.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">J</hi>ch habe das Ungluͤck, das dir begegnet iſt,<lb/>
ungern gehoͤrt: aber ich hoffe, daß du nicht<lb/>
lange deswegen bettlaͤgerig ſeyn wirſt. Dein<lb/>
Bedienter erzaͤhlt mir, wie bald es um deinen<lb/>
Hals geſchehen geweſen waͤre. Jch wuͤnſche nur,<lb/>
daß es keine boͤſe Vorbedeutung ſeyn moͤge: wie-<lb/>
wohl du mir nicht mehr ſo viel zu wagen ſchei-<lb/>
neſt, als vordem. Allein du ſieheſt doch daß der<lb/>
Hals eines liederlichen Bruders, er mag froͤhlich<lb/>
oder traurig ſeyn, allemal in Gefahr iſt, wo nicht<lb/>
vor dem Henker, vor ſeinem eignen Pſerde. Die<lb/>
Schindkracke taugt nicht, wie es ſcheint. Du<lb/>
moͤchteſt es nur niemals wieder wagen, dich dar-<lb/>
auf zu ſetzen. Denn es iſt eine ſchlimme Sache,<lb/>
wenn Reuter und Pferd beyde nichts taugen.</p><lb/><p>Dein Kerl ſagt mir, du verlangeſt, daß ich<lb/>
mit meinen Briefen an dich fortfahren ſoll, damit<lb/>
ich dich bey deinem Verdruß uͤber den Zwang,<lb/>
eingeſperrt zu ſeyn, <hirendition="#fr">aufmuntere.</hi> Aber wie<lb/>
kann ich glauben, daß es in meiner <hirendition="#fr">Gewalt</hi>ſte-<lb/>
he, jemand aufzumuntern, wenn das, wovon ich<lb/>ſchreibe, mir ſelbſt nicht gefaͤllt.</p><lb/><p>Caͤſar wußte niemals, was es hieße, mistrau-<lb/>
iſch und furchtſam zu ſeyn, bis er das ward, was<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Pom-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[612/0618]
Der zwey und vierzigſte Brief
von
Herrn Lovelace an Hrn. Johann Belford.
Freytags, den 16ten Jun.
Jch habe das Ungluͤck, das dir begegnet iſt,
ungern gehoͤrt: aber ich hoffe, daß du nicht
lange deswegen bettlaͤgerig ſeyn wirſt. Dein
Bedienter erzaͤhlt mir, wie bald es um deinen
Hals geſchehen geweſen waͤre. Jch wuͤnſche nur,
daß es keine boͤſe Vorbedeutung ſeyn moͤge: wie-
wohl du mir nicht mehr ſo viel zu wagen ſchei-
neſt, als vordem. Allein du ſieheſt doch daß der
Hals eines liederlichen Bruders, er mag froͤhlich
oder traurig ſeyn, allemal in Gefahr iſt, wo nicht
vor dem Henker, vor ſeinem eignen Pſerde. Die
Schindkracke taugt nicht, wie es ſcheint. Du
moͤchteſt es nur niemals wieder wagen, dich dar-
auf zu ſetzen. Denn es iſt eine ſchlimme Sache,
wenn Reuter und Pferd beyde nichts taugen.
Dein Kerl ſagt mir, du verlangeſt, daß ich
mit meinen Briefen an dich fortfahren ſoll, damit
ich dich bey deinem Verdruß uͤber den Zwang,
eingeſperrt zu ſeyn, aufmuntere. Aber wie
kann ich glauben, daß es in meiner Gewalt ſte-
he, jemand aufzumuntern, wenn das, wovon ich
ſchreibe, mir ſelbſt nicht gefaͤllt.
Caͤſar wußte niemals, was es hieße, mistrau-
iſch und furchtſam zu ſeyn, bis er das ward, was
Pom-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 612. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/618>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.