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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

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ner edlen und mannichfaltigen Abwechselung wird
ein rechtschaffener Kerl Unfug anrichten können:
wenn ihn ein jährliches Einkommen von acht
tausend Pfund darzu in den Stand setzet?

Vielleicht wirst du sagen, ich thue ohne das
schon
alles, was mir in den Sinn kommt: aber
darinn irrest du - - Jch thue nicht die Hälfte:
das kann ich versichern. Und auch selbst from-
me Leute,
wie ich gehört habe, wollen gern das
Vermögen haben, Unfug anzurichten; sie mögen
sich desselben bedienen; oder nicht. Die ehema-
lige Königinn Anna, die doch Frömmigkeit und Tu-
gend liebte, war allezeit für eine vorzügliche
Hoheit und Gewalt
eingenommen: und ihre
Räthe machten sich in mehr als einem Falle die-
se Schwachheit in ihrem Namen bey den öffent-
lichen Geschäfften
zu Nutze.



Nun soll ich endlich vor meine zornige Schö-
ne gelassen werden: nachdem sie es mir dreymal
abgeschlagen hat, und meine unwiderrufliche
Entschließung,
sie in ihrer Kammer zu spre-
chen, wenn es in dem Speisesaal nicht geschehen
könnte, ihr von Dorcas hinterbracht ist.

Dorcas erzählt mir inzwischen, sie sage, daß
sie mich niemals wieder sehen und sprechen woll-
te, wenn sie ihre Freyheit hätte. Jch höre auch
von eben derselben, daß sie sich nach der Beschaf-
fenheit und den Umständen der Nachbarn erkun-
diget habe. Vermuthlich würde sie wohl bey

ihnen



ner edlen und mannichfaltigen Abwechſelung wird
ein rechtſchaffener Kerl Unfug anrichten koͤnnen:
wenn ihn ein jaͤhrliches Einkommen von acht
tauſend Pfund darzu in den Stand ſetzet?

Vielleicht wirſt du ſagen, ich thue ohne das
ſchon
alles, was mir in den Sinn kommt: aber
darinn irreſt du ‒ ‒ Jch thue nicht die Haͤlfte:
das kann ich verſichern. Und auch ſelbſt from-
me Leute,
wie ich gehoͤrt habe, wollen gern das
Vermoͤgen haben, Unfug anzurichten; ſie moͤgen
ſich deſſelben bedienen; oder nicht. Die ehema-
lige Koͤniginn Anna, die doch Froͤmmigkeit und Tu-
gend liebte, war allezeit fuͤr eine vorzuͤgliche
Hoheit und Gewalt
eingenommen: und ihre
Raͤthe machten ſich in mehr als einem Falle die-
ſe Schwachheit in ihrem Namen bey den oͤffent-
lichen Geſchaͤfften
zu Nutze.



Nun ſoll ich endlich vor meine zornige Schoͤ-
ne gelaſſen werden: nachdem ſie es mir dreymal
abgeſchlagen hat, und meine unwiderrufliche
Entſchließung,
ſie in ihrer Kammer zu ſpre-
chen, wenn es in dem Speiſeſaal nicht geſchehen
koͤnnte, ihr von Dorcas hinterbracht iſt.

Dorcas erzaͤhlt mir inzwiſchen, ſie ſage, daß
ſie mich niemals wieder ſehen und ſprechen woll-
te, wenn ſie ihre Freyheit haͤtte. Jch hoͤre auch
von eben derſelben, daß ſie ſich nach der Beſchaf-
fenheit und den Umſtaͤnden der Nachbarn erkun-
diget habe. Vermuthlich wuͤrde ſie wohl bey

ihnen
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[674/0680] ner edlen und mannichfaltigen Abwechſelung wird ein rechtſchaffener Kerl Unfug anrichten koͤnnen: wenn ihn ein jaͤhrliches Einkommen von acht tauſend Pfund darzu in den Stand ſetzet? Vielleicht wirſt du ſagen, ich thue ohne das ſchon alles, was mir in den Sinn kommt: aber darinn irreſt du ‒ ‒ Jch thue nicht die Haͤlfte: das kann ich verſichern. Und auch ſelbſt from- me Leute, wie ich gehoͤrt habe, wollen gern das Vermoͤgen haben, Unfug anzurichten; ſie moͤgen ſich deſſelben bedienen; oder nicht. Die ehema- lige Koͤniginn Anna, die doch Froͤmmigkeit und Tu- gend liebte, war allezeit fuͤr eine vorzuͤgliche Hoheit und Gewalt eingenommen: und ihre Raͤthe machten ſich in mehr als einem Falle die- ſe Schwachheit in ihrem Namen bey den oͤffent- lichen Geſchaͤfften zu Nutze. Nun ſoll ich endlich vor meine zornige Schoͤ- ne gelaſſen werden: nachdem ſie es mir dreymal abgeſchlagen hat, und meine unwiderrufliche Entſchließung, ſie in ihrer Kammer zu ſpre- chen, wenn es in dem Speiſeſaal nicht geſchehen koͤnnte, ihr von Dorcas hinterbracht iſt. Dorcas erzaͤhlt mir inzwiſchen, ſie ſage, daß ſie mich niemals wieder ſehen und ſprechen woll- te, wenn ſie ihre Freyheit haͤtte. Jch hoͤre auch von eben derſelben, daß ſie ſich nach der Beſchaf- fenheit und den Umſtaͤnden der Nachbarn erkun- diget habe. Vermuthlich wuͤrde ſie wohl bey ihnen

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 674. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/680>, abgerufen am 24.11.2024.