Vergeben sie mir nur dieß einzige mal, mein allerliebstes Leben! - - Eine so unüberwindliche Tugend! Was kann ich weiter für Absichten ge- gen sie haben? - - Habe ich weiter irgend eine Beleidigung unternommen? - - Wenn sie die Meinige seyn wollen: so wird alles Unrecht, was ihnen widerfahren ist, mir selbst widerfahren seyn. Sie haben die unnatürlichen Künste, welche ge- brauchet sind, nur allzu wohl errathen! - - Al- lein kann ihrer Tugend wohl ein größeres Zeug- niß gegeben werden? - - Nun habe ich nur die einzige Hoffnung, daß, ob ich es gleich bey ihnen nicht vollkommen wieder gut machen kann, sie mir dennoch erlauben werden, es auf alle mög- liche Art gut zu machen.
Hören sie mich aus, ich bitte sie, wertheste Fräulein: denn sie wollte mit einem unversöhn- lich zornigen Gesichte zu reden anfangen. Der Gott, dem sie dienen, fordert nur Buße und Bes- serung. Folgen sie ihm nach, meine Allerliebste, und beglücken mich mit den Mitteln, eine Le- bensart, die mir verhaßt zu werden anfängt, zu bessern. Das war ehedem ihre Hauptabsicht. Fassen sie dieselbe wieder, liebste Fräulein: aus Liebe zu einer Seele so wohl als einem Körper, die ihnen einmal, wie ich mir geschmeichelt habe, mehr als gleichgültig gewesen sind, fassen sie die- selbe wieder. Lassen sie den morgenden Tag Zeu- ge von unserer Vermählung seyn.
Jch kann dich nicht richten, antwortete sie: aber der Gott, auf den du dich so kühnlich beru-
fest,
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Vergeben ſie mir nur dieß einzige mal, mein allerliebſtes Leben! ‒ ‒ Eine ſo unuͤberwindliche Tugend! Was kann ich weiter fuͤr Abſichten ge- gen ſie haben? ‒ ‒ Habe ich weiter irgend eine Beleidigung unternommen? ‒ ‒ Wenn ſie die Meinige ſeyn wollen: ſo wird alles Unrecht, was ihnen widerfahren iſt, mir ſelbſt widerfahren ſeyn. Sie haben die unnatuͤrlichen Kuͤnſte, welche ge- brauchet ſind, nur allzu wohl errathen! ‒ ‒ Al- lein kann ihrer Tugend wohl ein groͤßeres Zeug- niß gegeben werden? ‒ ‒ Nun habe ich nur die einzige Hoffnung, daß, ob ich es gleich bey ihnen nicht vollkommen wieder gut machen kann, ſie mir dennoch erlauben werden, es auf alle moͤg- liche Art gut zu machen.
Hoͤren ſie mich aus, ich bitte ſie, wertheſte Fraͤulein: denn ſie wollte mit einem unverſoͤhn- lich zornigen Geſichte zu reden anfangen. Der Gott, dem ſie dienen, fordert nur Buße und Beſ- ſerung. Folgen ſie ihm nach, meine Allerliebſte, und begluͤcken mich mit den Mitteln, eine Le- bensart, die mir verhaßt zu werden anfaͤngt, zu beſſern. Das war ehedem ihre Hauptabſicht. Faſſen ſie dieſelbe wieder, liebſte Fraͤulein: aus Liebe zu einer Seele ſo wohl als einem Koͤrper, die ihnen einmal, wie ich mir geſchmeichelt habe, mehr als gleichguͤltig geweſen ſind, faſſen ſie die- ſelbe wieder. Laſſen ſie den morgenden Tag Zeu- ge von unſerer Vermaͤhlung ſeyn.
Jch kann dich nicht richten, antwortete ſie: aber der Gott, auf den du dich ſo kuͤhnlich beru-
feſt,
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Vergeben ſie mir nur dieß einzige mal, mein
allerliebſtes Leben! ‒ ‒ Eine ſo unuͤberwindliche
Tugend! Was kann ich weiter fuͤr Abſichten ge-
gen ſie haben? ‒ ‒ Habe ich weiter irgend eine
Beleidigung unternommen? ‒ ‒ Wenn ſie die
Meinige ſeyn wollen: ſo wird alles Unrecht, was
ihnen widerfahren iſt, mir ſelbſt widerfahren ſeyn.
Sie haben die unnatuͤrlichen Kuͤnſte, welche ge-
brauchet ſind, nur allzu wohl errathen! ‒ ‒ Al-
lein kann ihrer Tugend wohl ein groͤßeres Zeug-
niß gegeben werden? ‒ ‒ Nun habe ich nur die
einzige Hoffnung, daß, ob ich es gleich bey ihnen
nicht vollkommen wieder gut machen kann, ſie
mir dennoch erlauben werden, es auf alle moͤg-
liche Art gut zu machen.
Hoͤren ſie mich aus, ich bitte ſie, wertheſte
Fraͤulein: denn ſie wollte mit einem unverſoͤhn-
lich zornigen Geſichte zu reden anfangen. Der
Gott, dem ſie dienen, fordert nur Buße und Beſ-
ſerung. Folgen ſie ihm nach, meine Allerliebſte,
und begluͤcken mich mit den Mitteln, eine Le-
bensart, die mir verhaßt zu werden anfaͤngt, zu
beſſern. Das war ehedem ihre Hauptabſicht.
Faſſen ſie dieſelbe wieder, liebſte Fraͤulein: aus
Liebe zu einer Seele ſo wohl als einem Koͤrper,
die ihnen einmal, wie ich mir geſchmeichelt habe,
mehr als gleichguͤltig geweſen ſind, faſſen ſie die-
ſelbe wieder. Laſſen ſie den morgenden Tag Zeu-
ge von unſerer Vermaͤhlung ſeyn.
Jch kann dich nicht richten, antwortete ſie:
aber der Gott, auf den du dich ſo kuͤhnlich beru-
feſt,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 681. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/687>, abgerufen am 24.11.2024.
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