Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Vergeben sie mir nur dieß einzige mal, mein
allerliebstes Leben! - - Eine so unüberwindliche
Tugend! Was kann ich weiter für Absichten ge-
gen sie haben? - - Habe ich weiter irgend eine
Beleidigung unternommen? - - Wenn sie die
Meinige seyn wollen: so wird alles Unrecht, was
ihnen widerfahren ist, mir selbst widerfahren seyn.
Sie haben die unnatürlichen Künste, welche ge-
brauchet sind, nur allzu wohl errathen! - - Al-
lein kann ihrer Tugend wohl ein größeres Zeug-
niß gegeben werden? - - Nun habe ich nur die
einzige Hoffnung, daß, ob ich es gleich bey ihnen
nicht vollkommen wieder gut machen kann, sie
mir dennoch erlauben werden, es auf alle mög-
liche Art gut zu machen.

Hören sie mich aus, ich bitte sie, wertheste
Fräulein: denn sie wollte mit einem unversöhn-
lich zornigen Gesichte zu reden anfangen. Der
Gott, dem sie dienen, fordert nur Buße und Bes-
serung. Folgen sie ihm nach, meine Allerliebste,
und beglücken mich mit den Mitteln, eine Le-
bensart, die mir verhaßt zu werden anfängt, zu
bessern. Das war ehedem ihre Hauptabsicht.
Fassen sie dieselbe wieder, liebste Fräulein: aus
Liebe zu einer Seele so wohl als einem Körper,
die ihnen einmal, wie ich mir geschmeichelt habe,
mehr als gleichgültig gewesen sind, fassen sie die-
selbe wieder. Lassen sie den morgenden Tag Zeu-
ge von unserer Vermählung seyn.

Jch kann dich nicht richten, antwortete sie:
aber der Gott, auf den du dich so kühnlich beru-

fest,
U u 5


Vergeben ſie mir nur dieß einzige mal, mein
allerliebſtes Leben! ‒ ‒ Eine ſo unuͤberwindliche
Tugend! Was kann ich weiter fuͤr Abſichten ge-
gen ſie haben? ‒ ‒ Habe ich weiter irgend eine
Beleidigung unternommen? ‒ ‒ Wenn ſie die
Meinige ſeyn wollen: ſo wird alles Unrecht, was
ihnen widerfahren iſt, mir ſelbſt widerfahren ſeyn.
Sie haben die unnatuͤrlichen Kuͤnſte, welche ge-
brauchet ſind, nur allzu wohl errathen! ‒ ‒ Al-
lein kann ihrer Tugend wohl ein groͤßeres Zeug-
niß gegeben werden? ‒ ‒ Nun habe ich nur die
einzige Hoffnung, daß, ob ich es gleich bey ihnen
nicht vollkommen wieder gut machen kann, ſie
mir dennoch erlauben werden, es auf alle moͤg-
liche Art gut zu machen.

Hoͤren ſie mich aus, ich bitte ſie, wertheſte
Fraͤulein: denn ſie wollte mit einem unverſoͤhn-
lich zornigen Geſichte zu reden anfangen. Der
Gott, dem ſie dienen, fordert nur Buße und Beſ-
ſerung. Folgen ſie ihm nach, meine Allerliebſte,
und begluͤcken mich mit den Mitteln, eine Le-
bensart, die mir verhaßt zu werden anfaͤngt, zu
beſſern. Das war ehedem ihre Hauptabſicht.
Faſſen ſie dieſelbe wieder, liebſte Fraͤulein: aus
Liebe zu einer Seele ſo wohl als einem Koͤrper,
die ihnen einmal, wie ich mir geſchmeichelt habe,
mehr als gleichguͤltig geweſen ſind, faſſen ſie die-
ſelbe wieder. Laſſen ſie den morgenden Tag Zeu-
ge von unſerer Vermaͤhlung ſeyn.

Jch kann dich nicht richten, antwortete ſie:
aber der Gott, auf den du dich ſo kuͤhnlich beru-

feſt,
U u 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0687" n="681"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Vergeben &#x017F;ie mir nur dieß einzige mal, mein<lb/>
allerlieb&#x017F;tes Leben! &#x2012; &#x2012; Eine &#x017F;o unu&#x0364;berwindliche<lb/>
Tugend! Was kann ich weiter fu&#x0364;r Ab&#x017F;ichten ge-<lb/>
gen &#x017F;ie haben? &#x2012; &#x2012; Habe ich weiter irgend eine<lb/>
Beleidigung unternommen? &#x2012; &#x2012; Wenn &#x017F;ie die<lb/>
Meinige &#x017F;eyn wollen: &#x017F;o wird alles Unrecht, was<lb/>
ihnen widerfahren i&#x017F;t, mir &#x017F;elb&#x017F;t widerfahren &#x017F;eyn.<lb/>
Sie haben die unnatu&#x0364;rlichen Ku&#x0364;n&#x017F;te, welche ge-<lb/>
brauchet &#x017F;ind, nur allzu wohl errathen! &#x2012; &#x2012; Al-<lb/>
lein kann ihrer Tugend wohl ein gro&#x0364;ßeres Zeug-<lb/>
niß gegeben werden? &#x2012; &#x2012; Nun habe ich nur die<lb/>
einzige Hoffnung, daß, ob ich es gleich bey ihnen<lb/>
nicht <hi rendition="#fr">vollkommen</hi> wieder gut machen kann, &#x017F;ie<lb/>
mir dennoch erlauben werden, es auf <hi rendition="#fr">alle</hi> mo&#x0364;g-<lb/>
liche Art gut zu machen.</p><lb/>
          <p>Ho&#x0364;ren &#x017F;ie mich aus, ich bitte &#x017F;ie, werthe&#x017F;te<lb/>
Fra&#x0364;ulein: denn &#x017F;ie wollte mit einem unver&#x017F;o&#x0364;hn-<lb/>
lich zornigen Ge&#x017F;ichte zu reden anfangen. Der<lb/>
Gott, dem &#x017F;ie dienen, fordert nur Buße und Be&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erung. Folgen &#x017F;ie <hi rendition="#fr">ihm</hi> nach, meine Allerlieb&#x017F;te,<lb/>
und beglu&#x0364;cken mich mit den <hi rendition="#fr">Mitteln,</hi> eine Le-<lb/>
bensart, die mir verhaßt zu werden anfa&#x0364;ngt, zu<lb/>
be&#x017F;&#x017F;ern. <hi rendition="#fr">Das</hi> war ehedem ihre Hauptab&#x017F;icht.<lb/>
Fa&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie die&#x017F;elbe wieder, lieb&#x017F;te Fra&#x0364;ulein: aus<lb/>
Liebe zu einer Seele &#x017F;o wohl als einem Ko&#x0364;rper,<lb/>
die ihnen einmal, wie ich mir ge&#x017F;chmeichelt habe,<lb/><hi rendition="#fr">mehr</hi> als gleichgu&#x0364;ltig gewe&#x017F;en &#x017F;ind, fa&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie die-<lb/>
&#x017F;elbe wieder. La&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie den morgenden Tag Zeu-<lb/>
ge von un&#x017F;erer Verma&#x0364;hlung &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Jch kann dich nicht richten, antwortete &#x017F;ie:<lb/>
aber der Gott, auf den du dich &#x017F;o ku&#x0364;hnlich beru-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">U u 5</fw><fw place="bottom" type="catch">fe&#x017F;t,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[681/0687] Vergeben ſie mir nur dieß einzige mal, mein allerliebſtes Leben! ‒ ‒ Eine ſo unuͤberwindliche Tugend! Was kann ich weiter fuͤr Abſichten ge- gen ſie haben? ‒ ‒ Habe ich weiter irgend eine Beleidigung unternommen? ‒ ‒ Wenn ſie die Meinige ſeyn wollen: ſo wird alles Unrecht, was ihnen widerfahren iſt, mir ſelbſt widerfahren ſeyn. Sie haben die unnatuͤrlichen Kuͤnſte, welche ge- brauchet ſind, nur allzu wohl errathen! ‒ ‒ Al- lein kann ihrer Tugend wohl ein groͤßeres Zeug- niß gegeben werden? ‒ ‒ Nun habe ich nur die einzige Hoffnung, daß, ob ich es gleich bey ihnen nicht vollkommen wieder gut machen kann, ſie mir dennoch erlauben werden, es auf alle moͤg- liche Art gut zu machen. Hoͤren ſie mich aus, ich bitte ſie, wertheſte Fraͤulein: denn ſie wollte mit einem unverſoͤhn- lich zornigen Geſichte zu reden anfangen. Der Gott, dem ſie dienen, fordert nur Buße und Beſ- ſerung. Folgen ſie ihm nach, meine Allerliebſte, und begluͤcken mich mit den Mitteln, eine Le- bensart, die mir verhaßt zu werden anfaͤngt, zu beſſern. Das war ehedem ihre Hauptabſicht. Faſſen ſie dieſelbe wieder, liebſte Fraͤulein: aus Liebe zu einer Seele ſo wohl als einem Koͤrper, die ihnen einmal, wie ich mir geſchmeichelt habe, mehr als gleichguͤltig geweſen ſind, faſſen ſie die- ſelbe wieder. Laſſen ſie den morgenden Tag Zeu- ge von unſerer Vermaͤhlung ſeyn. Jch kann dich nicht richten, antwortete ſie: aber der Gott, auf den du dich ſo kuͤhnlich beru- feſt, U u 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/687
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 681. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/687>, abgerufen am 17.09.2024.