Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Jch kann nicht - - Jch kann nicht - - Jch
kann nicht - - anders sagen, als daß meine
Tante nicht Theil daran hatte. Sie gab mir
gute Lehren. Sie wußte lange Zeit nicht, daß
ich - - daß ich - - daß ich - - uh! - uh! -
uh!

Nichts mehr, nichts mehr, gute Dorcas! - -
O! in was für einer Welt leben wir! - - Jn
was für einem Hause bin ich! Aber komme nur,
weine nicht - - Und gleichwohl konnte sie sich
selbst nicht enthalten - - Es kann vielleicht ein
Glück für dich seyn, daß ich, ob gleich zu meinem
eignen Verderben, verrätherischerweise hierher
gebracht bin. Wo ich lebe: soll es so seyn.

Jch danke ihnen, gnädige Fräulein, versetzte
sie weinend, mit aufgeblasenen Backen. Es ist
mir leid, recht leid, daß sie es so übel getroffen
haben: allein es mag zur Wohlfarth meiner See-
le gereichen; wenn ich zu ihrer Gnaden ins Haus
kommen kann - - Hätte ich nur gewußt, daß
sie nicht vermählet wären, ich wollte mir eher die
Finger abgebissen haben, als, als, als - -

Dorcas gluchsete und weinte. Die Fräu-
lein seufzete, und weinte auch.

Nun aber erlaube mir, Bruder, über das
vorhergehende eine ernsthafte Betrachtung anzu-
stellen.

Wie wollen es die Frommen erklären, daß
der Satan so getreue Werkzeuge hat, und daß
das Band der Bosheit weit stärker ist, als die
Bande der Tugend? - - Nicht anders, als

wenn


Jch kann nicht ‒ ‒ Jch kann nicht ‒ ‒ Jch
kann nicht ‒ ‒ anders ſagen, als daß meine
Tante nicht Theil daran hatte. Sie gab mir
gute Lehren. Sie wußte lange Zeit nicht, daß
ich ‒ ‒ daß ich ‒ ‒ daß ich ‒ ‒ uh! ‒ uh! ‒
uh!

Nichts mehr, nichts mehr, gute Dorcas! ‒ ‒
O! in was fuͤr einer Welt leben wir! ‒ ‒ Jn
was fuͤr einem Hauſe bin ich! Aber komme nur,
weine nicht ‒ ‒ Und gleichwohl konnte ſie ſich
ſelbſt nicht enthalten ‒ ‒ Es kann vielleicht ein
Gluͤck fuͤr dich ſeyn, daß ich, ob gleich zu meinem
eignen Verderben, verraͤtheriſcherweiſe hierher
gebracht bin. Wo ich lebe: ſoll es ſo ſeyn.

Jch danke ihnen, gnaͤdige Fraͤulein, verſetzte
ſie weinend, mit aufgeblaſenen Backen. Es iſt
mir leid, recht leid, daß ſie es ſo uͤbel getroffen
haben: allein es mag zur Wohlfarth meiner See-
le gereichen; wenn ich zu ihrer Gnaden ins Haus
kommen kann ‒ ‒ Haͤtte ich nur gewußt, daß
ſie nicht vermaͤhlet waͤren, ich wollte mir eher die
Finger abgebiſſen haben, als, als, als ‒ ‒

Dorcas gluchſete und weinte. Die Fraͤu-
lein ſeufzete, und weinte auch.

Nun aber erlaube mir, Bruder, uͤber das
vorhergehende eine ernſthafte Betrachtung anzu-
ſtellen.

Wie wollen es die Frommen erklaͤren, daß
der Satan ſo getreue Werkzeuge hat, und daß
das Band der Bosheit weit ſtaͤrker iſt, als die
Bande der Tugend? ‒ ‒ Nicht anders, als

wenn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0720" n="714"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Jch kann nicht &#x2012; &#x2012; Jch kann nicht &#x2012; &#x2012; Jch<lb/>
kann nicht &#x2012; &#x2012; anders &#x017F;agen, als daß meine<lb/>
Tante nicht Theil daran hatte. Sie gab mir<lb/>
gute Lehren. Sie wußte lange Zeit nicht, daß<lb/>
ich &#x2012; &#x2012; daß ich &#x2012; &#x2012; daß ich &#x2012; &#x2012; uh! &#x2012; uh! &#x2012;<lb/>
uh!</p><lb/>
          <p>Nichts mehr, nichts mehr, gute Dorcas! &#x2012; &#x2012;<lb/>
O! in was fu&#x0364;r einer Welt leben wir! &#x2012; &#x2012; Jn<lb/>
was fu&#x0364;r einem Hau&#x017F;e bin ich! Aber komme nur,<lb/>
weine nicht &#x2012; &#x2012; Und gleichwohl konnte &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t nicht enthalten &#x2012; &#x2012; Es kann vielleicht ein<lb/>
Glu&#x0364;ck fu&#x0364;r dich &#x017F;eyn, daß ich, ob gleich zu meinem<lb/>
eignen Verderben, verra&#x0364;theri&#x017F;cherwei&#x017F;e hierher<lb/>
gebracht bin. Wo ich lebe: &#x017F;oll es &#x017F;o &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Jch danke ihnen, gna&#x0364;dige Fra&#x0364;ulein, ver&#x017F;etzte<lb/>
&#x017F;ie weinend, mit aufgebla&#x017F;enen Backen. Es i&#x017F;t<lb/>
mir leid, recht leid, daß &#x017F;ie es &#x017F;o u&#x0364;bel getroffen<lb/>
haben: allein es mag zur Wohlfarth meiner See-<lb/>
le gereichen; wenn ich zu ihrer Gnaden ins Haus<lb/>
kommen kann &#x2012; &#x2012; Ha&#x0364;tte ich nur gewußt, daß<lb/>
&#x017F;ie nicht verma&#x0364;hlet wa&#x0364;ren, ich wollte mir eher die<lb/>
Finger abgebi&#x017F;&#x017F;en haben, als, als, als &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Dorcas gluch&#x017F;ete und weinte. Die Fra&#x0364;u-<lb/>
lein &#x017F;eufzete, und weinte auch.</p><lb/>
          <p>Nun aber erlaube mir, Bruder, u&#x0364;ber das<lb/>
vorhergehende eine ern&#x017F;thafte Betrachtung anzu-<lb/>
&#x017F;tellen.</p><lb/>
          <p>Wie wollen es die Frommen erkla&#x0364;ren, daß<lb/>
der Satan &#x017F;o getreue Werkzeuge hat, und daß<lb/>
das Band der Bosheit weit &#x017F;ta&#x0364;rker i&#x017F;t, als die<lb/>
Bande der Tugend? &#x2012; &#x2012; Nicht anders, als<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wenn</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[714/0720] Jch kann nicht ‒ ‒ Jch kann nicht ‒ ‒ Jch kann nicht ‒ ‒ anders ſagen, als daß meine Tante nicht Theil daran hatte. Sie gab mir gute Lehren. Sie wußte lange Zeit nicht, daß ich ‒ ‒ daß ich ‒ ‒ daß ich ‒ ‒ uh! ‒ uh! ‒ uh! Nichts mehr, nichts mehr, gute Dorcas! ‒ ‒ O! in was fuͤr einer Welt leben wir! ‒ ‒ Jn was fuͤr einem Hauſe bin ich! Aber komme nur, weine nicht ‒ ‒ Und gleichwohl konnte ſie ſich ſelbſt nicht enthalten ‒ ‒ Es kann vielleicht ein Gluͤck fuͤr dich ſeyn, daß ich, ob gleich zu meinem eignen Verderben, verraͤtheriſcherweiſe hierher gebracht bin. Wo ich lebe: ſoll es ſo ſeyn. Jch danke ihnen, gnaͤdige Fraͤulein, verſetzte ſie weinend, mit aufgeblaſenen Backen. Es iſt mir leid, recht leid, daß ſie es ſo uͤbel getroffen haben: allein es mag zur Wohlfarth meiner See- le gereichen; wenn ich zu ihrer Gnaden ins Haus kommen kann ‒ ‒ Haͤtte ich nur gewußt, daß ſie nicht vermaͤhlet waͤren, ich wollte mir eher die Finger abgebiſſen haben, als, als, als ‒ ‒ Dorcas gluchſete und weinte. Die Fraͤu- lein ſeufzete, und weinte auch. Nun aber erlaube mir, Bruder, uͤber das vorhergehende eine ernſthafte Betrachtung anzu- ſtellen. Wie wollen es die Frommen erklaͤren, daß der Satan ſo getreue Werkzeuge hat, und daß das Band der Bosheit weit ſtaͤrker iſt, als die Bande der Tugend? ‒ ‒ Nicht anders, als wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/720
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 714. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/720>, abgerufen am 24.11.2024.