nen ungerechten Absichten gegen seine Nachbarn, oder gegen seine unterdrückte Unterthanen dienet: thut nicht selbst der Rechtsgelehrte, der um ei- nes schnöden Gewinnstes willen eine schwarze Sache weiß zu machen, und gegen einen andern, von dem er weiß, daß er fromm und rechtschaffen ist, zu vertheidigen unternimmt, eben das, was Dorcas gethan hat? Und sind nicht beyde in al- len Stücken eben so strafwürdig? Dennoch wird der eine zu einem Helden und Ritter geschlagen: der andere zu einem vortrefflichen Manne ge- macht werden; zu einem Manne, um den sich alle Clienten zanken; und seine zweydeutige Ge- schicklichkeit wird ihn mit Ruhm und Beyfall durch alle große Ehrenstellen in den Rechten hin- durchführen.
Genug hievon. Was ist aber zu thun: da die Fräulein so fest darauf bestehet, fortzugehen? - - Jst kein Mittel, daß man ihr willfahren, und doch ihr Unternehmen selbst zur Beförde- rung meiner Absichten lenken könnte? - - Jch bilde mir ein, daß ein solches Mittel ausfündig zu machen sey.
Jch will darauf sinnen - -
Gesetzt, ich leide es, daß sie die Flucht nimmt. Jhr ganzes Herze ist darauf gerichtet. Setzet sie es nun wirklich ins Werk: so wird der Sieg, den sie dadurch über mich erhalten wird, alles, was sie gelitten hat, überwiegen.
Jch will ihr darinn zu Gefallen seyn: wo es möglich ist.
Der
nen ungerechten Abſichten gegen ſeine Nachbarn, oder gegen ſeine unterdruͤckte Unterthanen dienet: thut nicht ſelbſt der Rechtsgelehrte, der um ei- nes ſchnoͤden Gewinnſtes willen eine ſchwarze Sache weiß zu machen, und gegen einen andern, von dem er weiß, daß er fromm und rechtſchaffen iſt, zu vertheidigen unternimmt, eben das, was Dorcas gethan hat? Und ſind nicht beyde in al- len Stuͤcken eben ſo ſtrafwuͤrdig? Dennoch wird der eine zu einem Helden und Ritter geſchlagen: der andere zu einem vortrefflichen Manne ge- macht werden; zu einem Manne, um den ſich alle Clienten zanken; und ſeine zweydeutige Ge- ſchicklichkeit wird ihn mit Ruhm und Beyfall durch alle große Ehrenſtellen in den Rechten hin- durchfuͤhren.
Genug hievon. Was iſt aber zu thun: da die Fraͤulein ſo feſt darauf beſtehet, fortzugehen? ‒ ‒ Jſt kein Mittel, daß man ihr willfahren, und doch ihr Unternehmen ſelbſt zur Befoͤrde- rung meiner Abſichten lenken koͤnnte? ‒ ‒ Jch bilde mir ein, daß ein ſolches Mittel ausfuͤndig zu machen ſey.
Jch will darauf ſinnen ‒ ‒
Geſetzt, ich leide es, daß ſie die Flucht nimmt. Jhr ganzes Herze iſt darauf gerichtet. Setzet ſie es nun wirklich ins Werk: ſo wird der Sieg, den ſie dadurch uͤber mich erhalten wird, alles, was ſie gelitten hat, uͤberwiegen.
Jch will ihr darinn zu Gefallen ſeyn: wo es moͤglich iſt.
Der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0722"n="716"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
nen ungerechten Abſichten gegen ſeine Nachbarn,<lb/>
oder gegen ſeine unterdruͤckte Unterthanen dienet:<lb/>
thut nicht ſelbſt der <hirendition="#fr">Rechtsgelehrte,</hi> der um ei-<lb/>
nes ſchnoͤden Gewinnſtes willen eine ſchwarze<lb/>
Sache weiß zu machen, und gegen einen andern,<lb/>
von dem er weiß, daß er fromm und rechtſchaffen<lb/>
iſt, zu vertheidigen unternimmt, eben das, was<lb/>
Dorcas gethan hat? Und ſind nicht beyde in al-<lb/>
len Stuͤcken eben ſo ſtrafwuͤrdig? Dennoch wird<lb/>
der eine zu einem Helden und Ritter geſchlagen:<lb/>
der andere zu einem vortrefflichen Manne ge-<lb/>
macht werden; zu einem Manne, um den ſich<lb/>
alle Clienten zanken; und ſeine zweydeutige Ge-<lb/>ſchicklichkeit wird ihn mit Ruhm und Beyfall<lb/>
durch alle große Ehrenſtellen in den Rechten hin-<lb/>
durchfuͤhren.</p><lb/><p>Genug hievon. Was iſt aber zu thun: da<lb/>
die Fraͤulein ſo feſt darauf beſtehet, fortzugehen?<lb/>‒‒ Jſt kein Mittel, daß man ihr willfahren,<lb/>
und doch ihr Unternehmen ſelbſt zur Befoͤrde-<lb/>
rung meiner Abſichten lenken koͤnnte? ‒‒ Jch<lb/>
bilde mir ein, daß ein ſolches Mittel ausfuͤndig<lb/>
zu machen ſey.</p><lb/><p>Jch will darauf ſinnen ‒‒</p><lb/><p>Geſetzt, ich leide es, daß ſie die Flucht nimmt.<lb/>
Jhr ganzes Herze iſt darauf gerichtet. Setzet<lb/>ſie es nun wirklich ins Werk: ſo wird der Sieg,<lb/>
den ſie dadurch uͤber mich erhalten wird, alles,<lb/>
was ſie gelitten hat, uͤberwiegen.</p><lb/><p>Jch will ihr darinn zu Gefallen ſeyn: wo es<lb/>
moͤglich iſt.</p></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Der</hi></fw><lb/></div></body></text></TEI>
[716/0722]
nen ungerechten Abſichten gegen ſeine Nachbarn,
oder gegen ſeine unterdruͤckte Unterthanen dienet:
thut nicht ſelbſt der Rechtsgelehrte, der um ei-
nes ſchnoͤden Gewinnſtes willen eine ſchwarze
Sache weiß zu machen, und gegen einen andern,
von dem er weiß, daß er fromm und rechtſchaffen
iſt, zu vertheidigen unternimmt, eben das, was
Dorcas gethan hat? Und ſind nicht beyde in al-
len Stuͤcken eben ſo ſtrafwuͤrdig? Dennoch wird
der eine zu einem Helden und Ritter geſchlagen:
der andere zu einem vortrefflichen Manne ge-
macht werden; zu einem Manne, um den ſich
alle Clienten zanken; und ſeine zweydeutige Ge-
ſchicklichkeit wird ihn mit Ruhm und Beyfall
durch alle große Ehrenſtellen in den Rechten hin-
durchfuͤhren.
Genug hievon. Was iſt aber zu thun: da
die Fraͤulein ſo feſt darauf beſtehet, fortzugehen?
‒ ‒ Jſt kein Mittel, daß man ihr willfahren,
und doch ihr Unternehmen ſelbſt zur Befoͤrde-
rung meiner Abſichten lenken koͤnnte? ‒ ‒ Jch
bilde mir ein, daß ein ſolches Mittel ausfuͤndig
zu machen ſey.
Jch will darauf ſinnen ‒ ‒
Geſetzt, ich leide es, daß ſie die Flucht nimmt.
Jhr ganzes Herze iſt darauf gerichtet. Setzet
ſie es nun wirklich ins Werk: ſo wird der Sieg,
den ſie dadurch uͤber mich erhalten wird, alles,
was ſie gelitten hat, uͤberwiegen.
Jch will ihr darinn zu Gefallen ſeyn: wo es
moͤglich iſt.
Der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 716. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/722>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.