gen Waaren gekauft und bezahlt hatte, dem Kut- scher eiligst zu Hause zu fahren, der nicht eher stille hielte, als bis er in eine gewisse Gasse kam, nicht weit von der Gegend (*) von Lincolns-Jnn. Da hatte die ehrbare Witwe eine kostbare Woh- nung, voller Jungfern, die vortrefflich in Mus- selin, Camericher, und anderer feinen Leine- wand, arbeiteten, und sich auf alle, fleißigen Jungfern angenehme und anständige Art, nur nicht mit Weben und Spinnen, beschäfftigten.
Den ganzen Weg über, so lange die junge Fräulein und die alte Matrone fuhren, und, nach- dem sie zu Hause gekommen waren, bis die Mit- tagsmahlzeit angerichtet war, brachte die Fräu- lein die Zeit mit der schrecklichen Erzählung von ihrem Unglück und Leiden zu, dergleichen niemals das Ohr eines Sterblichen gehört hatte. Sie erzählte alles auf eine so bewegliche Art, daß die gute Matrone nichts that als weinen, seufzen, gluchsen und schelten. Sie schalt auf die Rän- ke gottloser Mannspersonen, und auf den abscheu- lichen Ritter Lovelace. Der war nach ihrem Ausdruck, wie mich dauchte, ein schändlicher Känkeschmieder, und, noch mehr als dieß, ein aus seinen Ketten losgelassener Beelzebub.
Es kam mir vor, als wenn ich in einer schrecklichen Todesangst war: da ich fand, daß
die
(*) Von dem Gebäude Lincolns-Jnn siehe den IV. Th. S. 162. in der Anmerkung.
Fünfter Theil. Z z
gen Waaren gekauft und bezahlt hatte, dem Kut- ſcher eiligſt zu Hauſe zu fahren, der nicht eher ſtille hielte, als bis er in eine gewiſſe Gaſſe kam, nicht weit von der Gegend (*) von Lincolns-Jnn. Da hatte die ehrbare Witwe eine koſtbare Woh- nung, voller Jungfern, die vortrefflich in Muſ- ſelin, Camericher, und anderer feinen Leine- wand, arbeiteten, und ſich auf alle, fleißigen Jungfern angenehme und anſtaͤndige Art, nur nicht mit Weben und Spinnen, beſchaͤfftigten.
Den ganzen Weg uͤber, ſo lange die junge Fraͤulein und die alte Matrone fuhren, und, nach- dem ſie zu Hauſe gekommen waren, bis die Mit- tagsmahlzeit angerichtet war, brachte die Fraͤu- lein die Zeit mit der ſchrecklichen Erzaͤhlung von ihrem Ungluͤck und Leiden zu, dergleichen niemals das Ohr eines Sterblichen gehoͤrt hatte. Sie erzaͤhlte alles auf eine ſo bewegliche Art, daß die gute Matrone nichts that als weinen, ſeufzen, gluchſen und ſchelten. Sie ſchalt auf die Raͤn- ke gottloſer Mannsperſonen, und auf den abſcheu- lichen Ritter Lovelace. Der war nach ihrem Ausdruck, wie mich dauchte, ein ſchaͤndlicher Kaͤnkeſchmieder, und, noch mehr als dieß, ein aus ſeinen Ketten losgelaſſener Beelzebub.
Es kam mir vor, als wenn ich in einer ſchrecklichen Todesangſt war: da ich fand, daß
die
(*) Von dem Gebaͤude Lincolns-Jnn ſiehe den IV. Th. S. 162. in der Anmerkung.
Fuͤnfter Theil. Z z
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gen Waaren gekauft und bezahlt hatte, dem Kut-
ſcher eiligſt zu Hauſe zu fahren, der nicht eher
ſtille hielte, als bis er in eine gewiſſe Gaſſe kam,
nicht weit von der Gegend (*) von Lincolns-Jnn.
Da hatte die ehrbare Witwe eine koſtbare Woh-
nung, voller Jungfern, die vortrefflich in Muſ-
ſelin, Camericher, und anderer feinen Leine-
wand, arbeiteten, und ſich auf alle, fleißigen
Jungfern angenehme und anſtaͤndige Art, nur
nicht mit Weben und Spinnen, beſchaͤfftigten.
Den ganzen Weg uͤber, ſo lange die junge
Fraͤulein und die alte Matrone fuhren, und, nach-
dem ſie zu Hauſe gekommen waren, bis die Mit-
tagsmahlzeit angerichtet war, brachte die Fraͤu-
lein die Zeit mit der ſchrecklichen Erzaͤhlung von
ihrem Ungluͤck und Leiden zu, dergleichen niemals
das Ohr eines Sterblichen gehoͤrt hatte. Sie
erzaͤhlte alles auf eine ſo bewegliche Art, daß die
gute Matrone nichts that als weinen, ſeufzen,
gluchſen und ſchelten. Sie ſchalt auf die Raͤn-
ke gottloſer Mannsperſonen, und auf den abſcheu-
lichen Ritter Lovelace. Der war nach ihrem
Ausdruck, wie mich dauchte, ein ſchaͤndlicher
Kaͤnkeſchmieder, und, noch mehr als dieß, ein
aus ſeinen Ketten losgelaſſener Beelzebub.
Es kam mir vor, als wenn ich in einer
ſchrecklichen Todesangſt war: da ich fand, daß
die
(*) Von dem Gebaͤude Lincolns-Jnn ſiehe den IV.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 721. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/727>, abgerufen am 24.11.2024.
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