Der fünf und funfzigste Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Mittwochens, Nachmittags.
Da sich die verkehrte Schöne in ihrer Hoffnung zu entfliehen betrogen sahe; - - da sie wi- der ihren Willen genöthigt war, zu mir in den Speisesaal zu kommen; - - und vielleicht auch besorgte, wegen ihrer Kunst, sich krank zu stellen, Vorwürfe zu hören: so vermuthete ich wohl, daß sie hitzig und unwillig mit mir anfangen würde. Aber weil sie nach ihrer natürlichen Ge- müthsart sanftmüthig ist; weil ich von ihr er- wartete, daß sie nach ihrem Zustande den Brief von dem Capitain Tomlinson, welchen sie gese- hen hatte, wie mir Dorcas erzählte, in Betrach- tung ziehen würde; und weil sie Zeit gehabt hat- te, seit dem sie mich das letztemal vor sich gelassen, ihre Hitze zu dämpfen und alles zu überlegen: so
machte
"chen. Nun ist sie endlich um ihre Sicherheit beküm- "mert: treibt mich auf alle Art, eine Kutsche zu "nehmen. "Jtzo ist alle meine Hoffnung verlohren, daß ich "fortkommen werde! - Unglückselige! - - zu was "für Uebeln bist du noch weiter aufbehalten! - - "O wie empöret sich mein Herz, daß ich noch gezwun- "gen bin, einen so schändlichen Kerl zu sehen und zu "sprechen!
Der fuͤnf und funfzigſte Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Mittwochens, Nachmittags.
Da ſich die verkehrte Schoͤne in ihrer Hoffnung zu entfliehen betrogen ſahe; ‒ ‒ da ſie wi- der ihren Willen genoͤthigt war, zu mir in den Speiſeſaal zu kommen; ‒ ‒ und vielleicht auch beſorgte, wegen ihrer Kunſt, ſich krank zu ſtellen, Vorwuͤrfe zu hoͤren: ſo vermuthete ich wohl, daß ſie hitzig und unwillig mit mir anfangen wuͤrde. Aber weil ſie nach ihrer natuͤrlichen Ge- muͤthsart ſanftmuͤthig iſt; weil ich von ihr er- wartete, daß ſie nach ihrem Zuſtande den Brief von dem Capitain Tomlinſon, welchen ſie geſe- hen hatte, wie mir Dorcas erzaͤhlte, in Betrach- tung ziehen wuͤrde; und weil ſie Zeit gehabt hat- te, ſeit dem ſie mich das letztemal vor ſich gelaſſen, ihre Hitze zu daͤmpfen und alles zu uͤberlegen: ſo
machte
„chen. Nun iſt ſie endlich um ihre Sicherheit bekuͤm- „mert: treibt mich auf alle Art, eine Kutſche zu „nehmen. „Jtzo iſt alle meine Hoffnung verlohren, daß ich „fortkommen werde! ‒ Ungluͤckſelige! ‒ ‒ zu was „fuͤr Uebeln biſt du noch weiter aufbehalten! ‒ ‒ „O wie empoͤret ſich mein Herz, daß ich noch gezwun- „gen bin, einen ſo ſchaͤndlichen Kerl zu ſehen und zu „ſprechen!
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(*)
Der fuͤnf und funfzigſte Brief
von
Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Mittwochens, Nachmittags.
Da ſich die verkehrte Schoͤne in ihrer Hoffnung
zu entfliehen betrogen ſahe; ‒ ‒ da ſie wi-
der ihren Willen genoͤthigt war, zu mir in den
Speiſeſaal zu kommen; ‒ ‒ und vielleicht auch
beſorgte, wegen ihrer Kunſt, ſich krank zu ſtellen,
Vorwuͤrfe zu hoͤren: ſo vermuthete ich wohl,
daß ſie hitzig und unwillig mit mir anfangen
wuͤrde. Aber weil ſie nach ihrer natuͤrlichen Ge-
muͤthsart ſanftmuͤthig iſt; weil ich von ihr er-
wartete, daß ſie nach ihrem Zuſtande den Brief
von dem Capitain Tomlinſon, welchen ſie geſe-
hen hatte, wie mir Dorcas erzaͤhlte, in Betrach-
tung ziehen wuͤrde; und weil ſie Zeit gehabt hat-
te, ſeit dem ſie mich das letztemal vor ſich gelaſſen,
ihre Hitze zu daͤmpfen und alles zu uͤberlegen: ſo
machte
(*) „chen. Nun iſt ſie endlich um ihre Sicherheit bekuͤm-
„mert: treibt mich auf alle Art, eine Kutſche zu
„nehmen.
„Jtzo iſt alle meine Hoffnung verlohren, daß ich
„fortkommen werde! ‒ Ungluͤckſelige! ‒ ‒ zu was
„fuͤr Uebeln biſt du noch weiter aufbehalten! ‒ ‒
„O wie empoͤret ſich mein Herz, daß ich noch gezwun-
„gen bin, einen ſo ſchaͤndlichen Kerl zu ſehen und zu
„ſprechen!
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 740. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/746>, abgerufen am 24.11.2024.
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