Entschlusse, ihren getreuen Anbeter durch Verge- bung und Friede glücklich zu machen!
Sie flog von mir. So bald nur die Flügel frey waren: flog der Engel von mir. Jch, der kriechende und kniende Kerl, der verächtliche Sklave, nicht mehr der stolze Sieger, stand auf, ging alleine, und versuchte mich damit zu trösten, daß unter den Umständen, worunter sie ist, da sie weder Freunde noch Vermögen hat, und über dieß ihr Onkel, der alles so bald versöhnen soll; wie sie, Dank sey meinem Gestirn! noch bestän- dig glaubet, erwartet wird - -
O daß sie mir vergeben wollte! - - Wollte sie mir nur großmüthig vergeben, und den Augen- blick, da sie mir vergiebet, meine Gelübde vor dem Altar annehmen: damit ich nicht Zeit ha- ben möchte, wiederum auf meine alte Vorurthei- le zu verfallen! - - Bey meiner Seele, Belford, dieß liebe Kind straft alle unsere liederlichen Brü- der, und ihre angenommene Grundregeln, Lügen. Es muß etwas mehr als ein bloßer Name an der Tugend seyn! - - Jch sehe es itzo wohl! - - Einmal überwunden, allemal überwunden! - - Das ist eine treffliche Unwahrheit! - - Aber o! Bruder, sie ist noch niemals überwunden gewesen. Was habe ich mehr erlanget, als daß sich meine Schaam und Verwirrung ver- größert haben! - - da hingegen ihr Ruhm durch ihr Leiden befestiget ist.
Dieß einzige Verdienst ist mir inzwischen doch übrig gelassen, daß ich ihrem ganzen Ge-
schlechte
Entſchluſſe, ihren getreuen Anbeter durch Verge- bung und Friede gluͤcklich zu machen!
Sie flog von mir. So bald nur die Fluͤgel frey waren: flog der Engel von mir. Jch, der kriechende und kniende Kerl, der veraͤchtliche Sklave, nicht mehr der ſtolze Sieger, ſtand auf, ging alleine, und verſuchte mich damit zu troͤſten, daß unter den Umſtaͤnden, worunter ſie iſt, da ſie weder Freunde noch Vermoͤgen hat, und uͤber dieß ihr Onkel, der alles ſo bald verſoͤhnen ſoll; wie ſie, Dank ſey meinem Geſtirn! noch beſtaͤn- dig glaubet, erwartet wird ‒ ‒
O daß ſie mir vergeben wollte! ‒ ‒ Wollte ſie mir nur großmuͤthig vergeben, und den Augen- blick, da ſie mir vergiebet, meine Geluͤbde vor dem Altar annehmen: damit ich nicht Zeit ha- ben moͤchte, wiederum auf meine alte Vorurthei- le zu verfallen! ‒ ‒ Bey meiner Seele, Belford, dieß liebe Kind ſtraft alle unſere liederlichen Bruͤ- der, und ihre angenommene Grundregeln, Luͤgen. Es muß etwas mehr als ein bloßer Name an der Tugend ſeyn! ‒ ‒ Jch ſehe es itzo wohl! ‒ ‒ Einmal uͤberwunden, allemal uͤberwunden! ‒ ‒ Das iſt eine treffliche Unwahrheit! ‒ ‒ Aber o! Bruder, ſie iſt noch niemals uͤberwunden geweſen. Was habe ich mehr erlanget, als daß ſich meine Schaam und Verwirrung ver- groͤßert haben! ‒ ‒ da hingegen ihr Ruhm durch ihr Leiden befeſtiget iſt.
Dieß einzige Verdienſt iſt mir inzwiſchen doch uͤbrig gelaſſen, daß ich ihrem ganzen Ge-
ſchlechte
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Entſchluſſe, ihren getreuen Anbeter durch Verge-
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Sie flog von mir. So bald nur die Fluͤgel
frey waren: flog der Engel von mir. Jch, der
kriechende und kniende Kerl, der veraͤchtliche
Sklave, nicht mehr der ſtolze Sieger, ſtand auf,
ging alleine, und verſuchte mich damit zu troͤſten,
daß unter den Umſtaͤnden, worunter ſie iſt, da ſie
weder Freunde noch Vermoͤgen hat, und uͤber
dieß ihr Onkel, der alles ſo bald verſoͤhnen ſoll;
wie ſie, Dank ſey meinem Geſtirn! noch beſtaͤn-
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O daß ſie mir vergeben wollte! ‒ ‒ Wollte
ſie mir nur großmuͤthig vergeben, und den Augen-
blick, da ſie mir vergiebet, meine Geluͤbde vor
dem Altar annehmen: damit ich nicht Zeit ha-
ben moͤchte, wiederum auf meine alte Vorurthei-
le zu verfallen! ‒ ‒ Bey meiner Seele, Belford,
dieß liebe Kind ſtraft alle unſere liederlichen Bruͤ-
der, und ihre angenommene Grundregeln, Luͤgen.
Es muß etwas mehr als ein bloßer Name an
der Tugend ſeyn! ‒ ‒ Jch ſehe es itzo wohl! ‒ ‒
Einmal uͤberwunden, allemal uͤberwunden!
‒ ‒ Das iſt eine treffliche Unwahrheit! ‒ ‒ Aber
o! Bruder, ſie iſt noch niemals uͤberwunden
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daß ſich meine Schaam und Verwirrung ver-
groͤßert haben! ‒ ‒ da hingegen ihr Ruhm
durch ihr Leiden befeſtiget iſt.
Dieß einzige Verdienſt iſt mir inzwiſchen
doch uͤbrig gelaſſen, daß ich ihrem ganzen Ge-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 748. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/754>, abgerufen am 24.11.2024.
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