Darauf flog sie von mir - - Meine Seele achtet dich nicht würdig, daß ich mit dir ein Ge- spräche halte, war ihr heftiger Ausdruck. - - Jch aber warf mich zu ihren Füßen, und ergriff ihre widerstrebende Hand. Jch fing an zu flu- chen, zu geloben, zu versprechen. - - Allein die zornige Schöne fiel mir in die Rede: und so nahm sie das Wort.
Jch bin deiner überdrüßig, Kerl! - - Eine an einander hangende Reihe von Gelübden, Eid- schwüren und Betheurungen, die nur der Zeit und dem Orte nach unterschieden sind, geht be- ständig aus deinem Munde! - - Warum hältst du mich hier fest? Mein Herz erhebet sich gegen dich, o grausames Werkzeug der unverschul- deten Rachbegierde meines Bruders - - Alles, warum ich dich bitte, ist, daß du mir nur den zukünftigen Theil von dem schrecklichen Flu- che meines Vaters erlassest! Den zeitlichen Theil hast du, Niederträchtiger und Undankbarer! schon zur Erfüllung gebracht.
Jch war sprachlos - - Jch hatte auch wohl Ursache! - - Jhres Bruders Werkzeug! - - Jacob Harlowes Werkzeug! - - Der Henker, Bruder, was waren das für Worte!
Jch ließ ihre widerstrebende Hand fahren. Sie ging zwey oder dreymal queer über das Zim- mer: und ihre trotzigstolze Seele bildete sich ganz in ihren Mienen ab. - - Dann nahete sie sich zu mir, aber schwieg stille, wandte sich von mir, und wieder zu mir, mit einer sanftern Sprache - -
Jch
Darauf flog ſie von mir ‒ ‒ Meine Seele achtet dich nicht wuͤrdig, daß ich mit dir ein Ge- ſpraͤche halte, war ihr heftiger Ausdruck. ‒ ‒ Jch aber warf mich zu ihren Fuͤßen, und ergriff ihre widerſtrebende Hand. Jch fing an zu flu- chen, zu geloben, zu verſprechen. ‒ ‒ Allein die zornige Schoͤne fiel mir in die Rede: und ſo nahm ſie das Wort.
Jch bin deiner uͤberdruͤßig, Kerl! ‒ ‒ Eine an einander hangende Reihe von Geluͤbden, Eid- ſchwuͤren und Betheurungen, die nur der Zeit und dem Orte nach unterſchieden ſind, geht be- ſtaͤndig aus deinem Munde! ‒ ‒ Warum haͤltſt du mich hier feſt? Mein Herz erhebet ſich gegen dich, o grauſames Werkzeug der unverſchul- deten Rachbegierde meines Bruders ‒ ‒ Alles, warum ich dich bitte, iſt, daß du mir nur den zukuͤnftigen Theil von dem ſchrecklichen Flu- che meines Vaters erlaſſeſt! Den zeitlichen Theil haſt du, Niedertraͤchtiger und Undankbarer! ſchon zur Erfuͤllung gebracht.
Jch war ſprachlos ‒ ‒ Jch hatte auch wohl Urſache! ‒ ‒ Jhres Bruders Werkzeug! ‒ ‒ Jacob Harlowes Werkzeug! ‒ ‒ Der Henker, Bruder, was waren das fuͤr Worte!
Jch ließ ihre widerſtrebende Hand fahren. Sie ging zwey oder dreymal queer uͤber das Zim- mer: und ihre trotzigſtolze Seele bildete ſich ganz in ihren Mienen ab. ‒ ‒ Dann nahete ſie ſich zu mir, aber ſchwieg ſtille, wandte ſich von mir, und wieder zu mir, mit einer ſanftern Sprache ‒ ‒
Jch
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Darauf flog ſie von mir ‒ ‒ Meine Seele
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Jch aber warf mich zu ihren Fuͤßen, und ergriff
ihre widerſtrebende Hand. Jch fing an zu flu-
chen, zu geloben, zu verſprechen. ‒ ‒ Allein die
zornige Schoͤne fiel mir in die Rede: und ſo
nahm ſie das Wort.
Jch bin deiner uͤberdruͤßig, Kerl! ‒ ‒ Eine
an einander hangende Reihe von Geluͤbden, Eid-
ſchwuͤren und Betheurungen, die nur der Zeit
und dem Orte nach unterſchieden ſind, geht be-
ſtaͤndig aus deinem Munde! ‒ ‒ Warum haͤltſt
du mich hier feſt? Mein Herz erhebet ſich gegen
dich, o grauſames Werkzeug der unverſchul-
deten Rachbegierde meines Bruders ‒ ‒
Alles, warum ich dich bitte, iſt, daß du mir nur
den zukuͤnftigen Theil von dem ſchrecklichen Flu-
che meines Vaters erlaſſeſt! Den zeitlichen Theil
haſt du, Niedertraͤchtiger und Undankbarer!
ſchon zur Erfuͤllung gebracht.
Jch war ſprachlos ‒ ‒ Jch hatte auch wohl
Urſache! ‒ ‒ Jhres Bruders Werkzeug! ‒ ‒
Jacob Harlowes Werkzeug! ‒ ‒ Der Henker,
Bruder, was waren das fuͤr Worte!
Jch ließ ihre widerſtrebende Hand fahren.
Sie ging zwey oder dreymal queer uͤber das Zim-
mer: und ihre trotzigſtolze Seele bildete ſich ganz
in ihren Mienen ab. ‒ ‒ Dann nahete ſie ſich zu
mir, aber ſchwieg ſtille, wandte ſich von mir,
und wieder zu mir, mit einer ſanftern Sprache ‒ ‒
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 763. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/769>, abgerufen am 24.11.2024.
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