Feuer ist gelöschet. - - Und wie, närrischer Teu- fel! sagte ich zu Dorcas, habt ihr meinen Engel durch euer scheusliches Gekreische so in Furcht und Schrecken setzen mögen!
O Bruder! wie hob sich, wie bebte ihre an- muthsvolle Brust, als ich sie an meine drückte! Jch konnte genau bemerken, wie ihr Herz gegen meines schlug und auf einige wenige Minuten be- sorgte ich, sie würde in Ohnmacht fallen.
Damit die halb leblose Schöne in so weni- gen Kleidern sich nicht erkälten möchte, hob ich sie zu ihrem Bette und setzte mich auf die Seite desselben bey ihr nieder. Jch suchte mit der größten Zärtlichkeit, sowohl in meinem Thun als Reden, ihr Schrecken zu vertreiben.
Allein was gewann ich durch diese meine edelmüthige Fürsorge und durch meine glückliche Bemühung, sie wieder zu sich selbst zu bringen? Nichts, so undankbar als sie war, nichts als die heftigsten Beschwerungen. Denn wir hatten beyde die Gelegenheit, welche sie in meine Arme gebracht, schon vergessen; so fürchterlich sie auch gewesen war: ich vor Freuden, daß ich den bey- nahe bloßen Leib der liebenswürdigsten Person von ihrem Geschlechte umfasset hielte; sie vor grö- ßerem Schrecken, weil sie sich in meinen Armen und uns beyde auf dem Bette sitzend fand, wor- aus sie so kurz vorher durch Furcht und Schre- cken verjaget war.
Nun, Belford, bedenke den fremden und ge- zwungenen Umgang, wozu die wachsame Schöne
mich
E 5
Feuer iſt geloͤſchet. ‒ ‒ Und wie, naͤrriſcher Teu- fel! ſagte ich zu Dorcas, habt ihr meinen Engel durch euer ſcheusliches Gekreiſche ſo in Furcht und Schrecken ſetzen moͤgen!
O Bruder! wie hob ſich, wie bebte ihre an- muthsvolle Bruſt, als ich ſie an meine druͤckte! Jch konnte genau bemerken, wie ihr Herz gegen meines ſchlug und auf einige wenige Minuten be- ſorgte ich, ſie wuͤrde in Ohnmacht fallen.
Damit die halb lebloſe Schoͤne in ſo weni- gen Kleidern ſich nicht erkaͤlten moͤchte, hob ich ſie zu ihrem Bette und ſetzte mich auf die Seite deſſelben bey ihr nieder. Jch ſuchte mit der groͤßten Zaͤrtlichkeit, ſowohl in meinem Thun als Reden, ihr Schrecken zu vertreiben.
Allein was gewann ich durch dieſe meine edelmuͤthige Fuͤrſorge und durch meine gluͤckliche Bemuͤhung, ſie wieder zu ſich ſelbſt zu bringen? Nichts, ſo undankbar als ſie war, nichts als die heftigſten Beſchwerungen. Denn wir hatten beyde die Gelegenheit, welche ſie in meine Arme gebracht, ſchon vergeſſen; ſo fuͤrchterlich ſie auch geweſen war: ich vor Freuden, daß ich den bey- nahe bloßen Leib der liebenswuͤrdigſten Perſon von ihrem Geſchlechte umfaſſet hielte; ſie vor groͤ- ßerem Schrecken, weil ſie ſich in meinen Armen und uns beyde auf dem Bette ſitzend fand, wor- aus ſie ſo kurz vorher durch Furcht und Schre- cken verjaget war.
Nun, Belford, bedenke den fremden und ge- zwungenen Umgang, wozu die wachſame Schoͤne
mich
E 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0079"n="73"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Feuer iſt geloͤſchet. ‒‒ Und wie, naͤrriſcher Teu-<lb/>
fel! ſagte ich zu Dorcas, habt ihr meinen Engel<lb/>
durch euer ſcheusliches Gekreiſche ſo in Furcht<lb/>
und Schrecken ſetzen moͤgen!</p><lb/><p>O Bruder! wie hob ſich, wie bebte ihre an-<lb/>
muthsvolle Bruſt, als ich ſie an meine druͤckte!<lb/>
Jch konnte genau bemerken, wie ihr Herz gegen<lb/>
meines ſchlug und auf einige wenige Minuten be-<lb/>ſorgte ich, ſie wuͤrde in Ohnmacht fallen.</p><lb/><p>Damit die halb lebloſe Schoͤne in ſo weni-<lb/>
gen Kleidern ſich nicht erkaͤlten moͤchte, hob ich<lb/>ſie zu ihrem Bette und ſetzte mich auf die Seite<lb/>
deſſelben bey ihr nieder. Jch ſuchte mit der<lb/>
groͤßten Zaͤrtlichkeit, ſowohl in meinem Thun<lb/>
als Reden, ihr Schrecken zu vertreiben.</p><lb/><p>Allein was gewann ich durch dieſe meine<lb/>
edelmuͤthige Fuͤrſorge und durch meine gluͤckliche<lb/>
Bemuͤhung, ſie wieder zu ſich ſelbſt zu bringen?<lb/>
Nichts, ſo undankbar als ſie war, nichts als die<lb/>
heftigſten Beſchwerungen. Denn wir hatten<lb/>
beyde die Gelegenheit, welche ſie in meine Arme<lb/>
gebracht, ſchon vergeſſen; ſo fuͤrchterlich ſie auch<lb/>
geweſen war: ich vor Freuden, daß ich den bey-<lb/>
nahe bloßen Leib der liebenswuͤrdigſten Perſon<lb/>
von ihrem Geſchlechte umfaſſet hielte; ſie vor groͤ-<lb/>
ßerem Schrecken, weil ſie ſich in meinen Armen<lb/>
und uns beyde auf dem Bette ſitzend fand, wor-<lb/>
aus ſie ſo kurz vorher durch Furcht und Schre-<lb/>
cken verjaget war.</p><lb/><p>Nun, Belford, bedenke den fremden und ge-<lb/>
zwungenen Umgang, wozu die wachſame Schoͤne<lb/><fwplace="bottom"type="sig">E 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">mich</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[73/0079]
Feuer iſt geloͤſchet. ‒ ‒ Und wie, naͤrriſcher Teu-
fel! ſagte ich zu Dorcas, habt ihr meinen Engel
durch euer ſcheusliches Gekreiſche ſo in Furcht
und Schrecken ſetzen moͤgen!
O Bruder! wie hob ſich, wie bebte ihre an-
muthsvolle Bruſt, als ich ſie an meine druͤckte!
Jch konnte genau bemerken, wie ihr Herz gegen
meines ſchlug und auf einige wenige Minuten be-
ſorgte ich, ſie wuͤrde in Ohnmacht fallen.
Damit die halb lebloſe Schoͤne in ſo weni-
gen Kleidern ſich nicht erkaͤlten moͤchte, hob ich
ſie zu ihrem Bette und ſetzte mich auf die Seite
deſſelben bey ihr nieder. Jch ſuchte mit der
groͤßten Zaͤrtlichkeit, ſowohl in meinem Thun
als Reden, ihr Schrecken zu vertreiben.
Allein was gewann ich durch dieſe meine
edelmuͤthige Fuͤrſorge und durch meine gluͤckliche
Bemuͤhung, ſie wieder zu ſich ſelbſt zu bringen?
Nichts, ſo undankbar als ſie war, nichts als die
heftigſten Beſchwerungen. Denn wir hatten
beyde die Gelegenheit, welche ſie in meine Arme
gebracht, ſchon vergeſſen; ſo fuͤrchterlich ſie auch
geweſen war: ich vor Freuden, daß ich den bey-
nahe bloßen Leib der liebenswuͤrdigſten Perſon
von ihrem Geſchlechte umfaſſet hielte; ſie vor groͤ-
ßerem Schrecken, weil ſie ſich in meinen Armen
und uns beyde auf dem Bette ſitzend fand, wor-
aus ſie ſo kurz vorher durch Furcht und Schre-
cken verjaget war.
Nun, Belford, bedenke den fremden und ge-
zwungenen Umgang, wozu die wachſame Schoͤne
mich
E 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/79>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.