Vorfalle mich geziemend zu verhalten: ob ich gleich kein Geizhals bin. Wie soll ich es hier- nächst in denen Tagen machen, an welchen je- dermann sein Beyleid zu bezeugen kommt: da ich kein Heuchler bin! Was für alberne Schau- spiele habe ich durchzugehen, und die Hauptper- son in denselben vorzustellen! - - Jch will ver- suchen, an mein letztes Ende, an einen grauen Bart und einen unverschämten Erben zu geden- ken, damit ich mich ernsthaft mache.
Du, Belford, weißt ein gutes Theil von die- sen seltsamen Geberden: und kannst einem fröh- lichen Herzen ein wenig von dem Unheil mitthei- len. Aber es sind auch alle Züge in deinem Ge- sichte recht dazu ausgeschnitten. Mein Herz kann vielleicht eher, als deines, gerühret werden. Denn, du magst mir glauben, oder nicht, ich ha- be ein recht zartes Herze. Allein, die Ursache, traurig zu seyn, sey auch noch so groß: so wird doch kein Mensch, der mir ins Gesicht siehet, glauben, daß dieß Herz so schweren Kummer fühle.
Alles ist geruhig, vergnügt, heiter, in meiner Bildung. Die Traurigkeit kann keine halbe Stunde in meinem Gesichte sitzen. Ja, ich glaube, daß selbst des Lords M. Genesung, wenn sie etwa erfolgen sollte, mich nicht über eine Vier- telstunde anfechten würde. Es ist mir nur um die neuen Aufzüge zu thun, und um das Ver- gnügen bey der Familie einen Heraclit vorzustel- len, wenn ich unterdessen bey meinen vertrauten
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Vorfalle mich geziemend zu verhalten: ob ich gleich kein Geizhals bin. Wie ſoll ich es hier- naͤchſt in denen Tagen machen, an welchen je- dermann ſein Beyleid zu bezeugen kommt: da ich kein Heuchler bin! Was fuͤr alberne Schau- ſpiele habe ich durchzugehen, und die Hauptper- ſon in denſelben vorzuſtellen! ‒ ‒ Jch will ver- ſuchen, an mein letztes Ende, an einen grauen Bart und einen unverſchaͤmten Erben zu geden- ken, damit ich mich ernſthaft mache.
Du, Belford, weißt ein gutes Theil von die- ſen ſeltſamen Geberden: und kannſt einem froͤh- lichen Herzen ein wenig von dem Unheil mitthei- len. Aber es ſind auch alle Zuͤge in deinem Ge- ſichte recht dazu ausgeſchnitten. Mein Herz kann vielleicht eher, als deines, geruͤhret werden. Denn, du magſt mir glauben, oder nicht, ich ha- be ein recht zartes Herze. Allein, die Urſache, traurig zu ſeyn, ſey auch noch ſo groß: ſo wird doch kein Menſch, der mir ins Geſicht ſiehet, glauben, daß dieß Herz ſo ſchweren Kummer fuͤhle.
Alles iſt geruhig, vergnuͤgt, heiter, in meiner Bildung. Die Traurigkeit kann keine halbe Stunde in meinem Geſichte ſitzen. Ja, ich glaube, daß ſelbſt des Lords M. Geneſung, wenn ſie etwa erfolgen ſollte, mich nicht uͤber eine Vier- telſtunde anfechten wuͤrde. Es iſt mir nur um die neuen Aufzuͤge zu thun, und um das Ver- gnuͤgen bey der Familie einen Heraclit vorzuſtel- len, wenn ich unterdeſſen bey meinen vertrauten
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Vorfalle mich geziemend zu verhalten: ob ich
gleich kein Geizhals bin. Wie ſoll ich es hier-
naͤchſt in denen Tagen machen, an welchen je-
dermann ſein Beyleid zu bezeugen kommt: da
ich kein Heuchler bin! Was fuͤr alberne Schau-
ſpiele habe ich durchzugehen, und die Hauptper-
ſon in denſelben vorzuſtellen! ‒ ‒ Jch will ver-
ſuchen, an mein letztes Ende, an einen grauen
Bart und einen unverſchaͤmten Erben zu geden-
ken, damit ich mich ernſthaft mache.
Du, Belford, weißt ein gutes Theil von die-
ſen ſeltſamen Geberden: und kannſt einem froͤh-
lichen Herzen ein wenig von dem Unheil mitthei-
len. Aber es ſind auch alle Zuͤge in deinem Ge-
ſichte recht dazu ausgeſchnitten. Mein Herz
kann vielleicht eher, als deines, geruͤhret werden.
Denn, du magſt mir glauben, oder nicht, ich ha-
be ein recht zartes Herze. Allein, die Urſache,
traurig zu ſeyn, ſey auch noch ſo groß: ſo wird
doch kein Menſch, der mir ins Geſicht ſiehet,
glauben, daß dieß Herz ſo ſchweren Kummer
fuͤhle.
Alles iſt geruhig, vergnuͤgt, heiter, in meiner
Bildung. Die Traurigkeit kann keine halbe
Stunde in meinem Geſichte ſitzen. Ja, ich
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ſie etwa erfolgen ſollte, mich nicht uͤber eine Vier-
telſtunde anfechten wuͤrde. Es iſt mir nur um
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 784. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/790>, abgerufen am 24.11.2024.
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