mer nur zulassen wollte, und hörte meine ge- brochne Stimme. Meine Stimme war wirk- lich ganz gebrochen. Jch wußte auch nicht was ich sagte, noch ob es sich zur Sache schickte, oder nicht. Jhre reizenden Wangen aber, die vorher ganz glühend waren, wurden blaß: als wenn sie über ihren Vorsatz selbst in Schrecken gerathen wäre. - - Gott sey Dank! sprach der Engel und schlug die Augen in die Höhe - - Jch bin errettet für dießmal: für dießmal bin ich von mir selbst errettet! - - Bleiben sie, mein Herr, bleiben sie in der Entfernung - - Hiebey sahe sie auf mich nieder: und ich lag auf dem Boden, mit einem so verwundeten Herzen, als wenn es von hundert Pfeilen durchbohret wäre - - - Die Entfernung hat ein Leben gerettet, von dem der Allmächtige allein weiß, wozu es noch aufbehalten sey! - -
Glücklich zu seyn, Madame, und glücklich zu machen! - - O! lassen sie mich nur auf Morgen ihre Gunst hoffen! - - Jch will mei- ne Reise so lange verschieben - - Und Gott mag - - -
Schwören sie nicht, mein Herr! sprach sie mit einem ehrfurchtswürdigen und durchdringenden Anblick - - Sie haben zu oft, allzu oft geschwo- ren! - - Gottes Auge ist über uns! - - Sein unmittelbar gegenwärtiges Auge! - - Sie sahe dabey ganz verwildert aus - - die Weibs- leute aber sahen an die Decke des Zimmers hin- auf: als wenn sie sich vor dem Auge Gottes
fürch-
Fünfter Theil. F f f
mer nur zulaſſen wollte, und hoͤrte meine ge- brochne Stimme. Meine Stimme war wirk- lich ganz gebrochen. Jch wußte auch nicht was ich ſagte, noch ob es ſich zur Sache ſchickte, oder nicht. Jhre reizenden Wangen aber, die vorher ganz gluͤhend waren, wurden blaß: als wenn ſie uͤber ihren Vorſatz ſelbſt in Schrecken gerathen waͤre. ‒ ‒ Gott ſey Dank! ſprach der Engel und ſchlug die Augen in die Hoͤhe ‒ ‒ Jch bin errettet fuͤr dießmal: fuͤr dießmal bin ich von mir ſelbſt errettet! ‒ ‒ Bleiben ſie, mein Herr, bleiben ſie in der Entfernung ‒ ‒ Hiebey ſahe ſie auf mich nieder: und ich lag auf dem Boden, mit einem ſo verwundeten Herzen, als wenn es von hundert Pfeilen durchbohret waͤre ‒ ‒ ‒ Die Entfernung hat ein Leben gerettet, von dem der Allmaͤchtige allein weiß, wozu es noch aufbehalten ſey! ‒ ‒
Gluͤcklich zu ſeyn, Madame, und gluͤcklich zu machen! ‒ ‒ O! laſſen ſie mich nur auf Morgen ihre Gunſt hoffen! ‒ ‒ Jch will mei- ne Reiſe ſo lange verſchieben ‒ ‒ Und Gott mag ‒ ‒ ‒
Schwoͤren ſie nicht, mein Herr! ſprach ſie mit einem ehrfurchtswuͤrdigen und durchdringenden Anblick ‒ ‒ Sie haben zu oft, allzu oft geſchwo- ren! ‒ ‒ Gottes Auge iſt uͤber uns! ‒ ‒ Sein unmittelbar gegenwaͤrtiges Auge! ‒ ‒ Sie ſahe dabey ganz verwildert aus ‒ ‒ die Weibs- leute aber ſahen an die Decke des Zimmers hin- auf: als wenn ſie ſich vor dem Auge Gottes
fuͤrch-
Fuͤnfter Theil. F f f
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mer nur zulaſſen wollte, und hoͤrte meine ge-
brochne Stimme. Meine Stimme war wirk-
lich ganz gebrochen. Jch wußte auch nicht was
ich ſagte, noch ob es ſich zur Sache ſchickte, oder
nicht. Jhre reizenden Wangen aber, die vorher
ganz gluͤhend waren, wurden blaß: als wenn ſie
uͤber ihren Vorſatz ſelbſt in Schrecken gerathen
waͤre. ‒ ‒ Gott ſey Dank! ſprach der Engel
und ſchlug die Augen in die Hoͤhe ‒ ‒ Jch
bin errettet fuͤr dießmal: fuͤr dießmal bin ich
von mir ſelbſt errettet! ‒ ‒ Bleiben ſie, mein
Herr, bleiben ſie in der Entfernung ‒ ‒ Hiebey
ſahe ſie auf mich nieder: und ich lag auf dem
Boden, mit einem ſo verwundeten Herzen, als
wenn es von hundert Pfeilen durchbohret waͤre
‒ ‒ ‒ Die Entfernung hat ein Leben gerettet,
von dem der Allmaͤchtige allein weiß, wozu es
noch aufbehalten ſey! ‒ ‒
Gluͤcklich zu ſeyn, Madame, und gluͤcklich
zu machen! ‒ ‒ O! laſſen ſie mich nur auf
Morgen ihre Gunſt hoffen! ‒ ‒ Jch will mei-
ne Reiſe ſo lange verſchieben ‒ ‒ Und Gott
mag ‒ ‒ ‒
Schwoͤren ſie nicht, mein Herr! ſprach ſie mit
einem ehrfurchtswuͤrdigen und durchdringenden
Anblick ‒ ‒ Sie haben zu oft, allzu oft geſchwo-
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unmittelbar gegenwaͤrtiges Auge! ‒ ‒ Sie
ſahe dabey ganz verwildert aus ‒ ‒ die Weibs-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 817. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/823>, abgerufen am 24.11.2024.
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