Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



von dem Augenblick an, da sie mit so vieler Un-
erschrockenheit in den Speisesaal trat, war es
schlechterdings unmöglich, daß ich daran hätte
denken sollen, meine schändliche Absichten gegen
sie zu verfolgen.



Dieß, dieß, Belford, war der Vortheil, den
ich von einem listig ersonnenen Anschlage hatte,
wovon ich mir so viel versprach! - - Und nun
bin ich zehnmal schlimmer daran, als vorher!

Du hast in deinem Leben niemals Leute ge-
sehen, die so, wie Narren, einander ansahen, als
die Mutter, ihre Mitgenossen, und ich auf einige
Augenblicke thaten. Endlich fingen die beyden
verteufelten Nymphen an mich lächerlich zu ma-
chen: da unterdessen die Alte um ihr Haus, um
die Ehre ihres Hauses bekümmert war. Jch
fluchte auf sie alle mit einander, ging in meine
Kammer, und schloß mich ein.

Nun ist es Zeit, mich auf den Weg
zu machen. Alles, was ich gewonnen habe, ist
dieß, daß ich entdeckt bin, Schande habe, durch
wiederholte Beleidigungen in neue Schuld gera-
then und derjenigen, die mein ganzes Herz[e]
eingenommen hat,
ja was für ein stolzes Herz
noch ärger ist, mir selbst verächtlich geworden bin.

Der glückliche Erfolg, der glückliche Erfolg
machte bey ersonnenen Anschlägen alles aus.
Für was für einen unvergleichlichen Kerl hielte
ich mich bis itzo! Selbst um dieses Einfalls wil-

len



von dem Augenblick an, da ſie mit ſo vieler Un-
erſchrockenheit in den Speiſeſaal trat, war es
ſchlechterdings unmoͤglich, daß ich daran haͤtte
denken ſollen, meine ſchaͤndliche Abſichten gegen
ſie zu verfolgen.



Dieß, dieß, Belford, war der Vortheil, den
ich von einem liſtig erſonnenen Anſchlage hatte,
wovon ich mir ſo viel verſprach! ‒ ‒ Und nun
bin ich zehnmal ſchlimmer daran, als vorher!

Du haſt in deinem Leben niemals Leute ge-
ſehen, die ſo, wie Narren, einander anſahen, als
die Mutter, ihre Mitgenoſſen, und ich auf einige
Augenblicke thaten. Endlich fingen die beyden
verteufelten Nymphen an mich laͤcherlich zu ma-
chen: da unterdeſſen die Alte um ihr Haus, um
die Ehre ihres Hauſes bekuͤmmert war. Jch
fluchte auf ſie alle mit einander, ging in meine
Kammer, und ſchloß mich ein.

Nun iſt es Zeit, mich auf den Weg
zu machen. Alles, was ich gewonnen habe, iſt
dieß, daß ich entdeckt bin, Schande habe, durch
wiederholte Beleidigungen in neue Schuld gera-
then und derjenigen, die mein ganzes Herz[e]
eingenommen hat,
ja was fuͤr ein ſtolzes Herz
noch aͤrger iſt, mir ſelbſt veraͤchtlich geworden bin.

Der gluͤckliche Erfolg, der gluͤckliche Erfolg
machte bey erſonnenen Anſchlaͤgen alles aus.
Fuͤr was fuͤr einen unvergleichlichen Kerl hielte
ich mich bis itzo! Selbſt um dieſes Einfalls wil-

len
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0826" n="820"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
von dem Augenblick an, da &#x017F;ie mit &#x017F;o vieler Un-<lb/>
er&#x017F;chrockenheit in den Spei&#x017F;e&#x017F;aal trat, war es<lb/>
&#x017F;chlechterdings unmo&#x0364;glich, daß ich daran ha&#x0364;tte<lb/>
denken &#x017F;ollen, meine &#x017F;cha&#x0364;ndliche Ab&#x017F;ichten gegen<lb/>
&#x017F;ie zu verfolgen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Dieß, dieß, Belford, war der Vortheil, den<lb/>
ich von einem li&#x017F;tig er&#x017F;onnenen An&#x017F;chlage hatte,<lb/>
wovon ich mir &#x017F;o viel ver&#x017F;prach! &#x2012; &#x2012; Und nun<lb/>
bin ich zehnmal &#x017F;chlimmer daran, als vorher!</p><lb/>
          <p>Du ha&#x017F;t in deinem Leben niemals Leute ge-<lb/>
&#x017F;ehen, die &#x017F;o, wie Narren, einander an&#x017F;ahen, als<lb/>
die Mutter, ihre Mitgeno&#x017F;&#x017F;en, und ich auf einige<lb/>
Augenblicke thaten. Endlich fingen die beyden<lb/>
verteufelten Nymphen an mich la&#x0364;cherlich zu ma-<lb/>
chen: da unterde&#x017F;&#x017F;en die Alte um ihr Haus, um<lb/>
die Ehre ihres Hau&#x017F;es beku&#x0364;mmert war. Jch<lb/>
fluchte auf &#x017F;ie alle mit einander, ging in meine<lb/>
Kammer, und &#x017F;chloß mich ein.</p><lb/>
          <p>Nun i&#x017F;t es Zeit, mich auf den Weg<lb/>
zu machen. Alles, was ich gewonnen habe, i&#x017F;t<lb/>
dieß, daß ich entdeckt bin, Schande habe, durch<lb/>
wiederholte Beleidigungen in neue Schuld gera-<lb/>
then und derjenigen, <hi rendition="#fr">die mein ganzes Herz<supplied>e</supplied><lb/>
eingenommen hat,</hi> ja was fu&#x0364;r ein &#x017F;tolzes Herz<lb/>
noch a&#x0364;rger i&#x017F;t, <hi rendition="#fr">mir &#x017F;elb&#x017F;t</hi> vera&#x0364;chtlich geworden bin.</p><lb/>
          <p>Der glu&#x0364;ckliche Erfolg, der glu&#x0364;ckliche Erfolg<lb/>
machte bey er&#x017F;onnenen An&#x017F;chla&#x0364;gen alles aus.<lb/>
Fu&#x0364;r was fu&#x0364;r einen unvergleichlichen Kerl hielte<lb/>
ich mich bis itzo! Selb&#x017F;t um die&#x017F;es Einfalls wil-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">len</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[820/0826] von dem Augenblick an, da ſie mit ſo vieler Un- erſchrockenheit in den Speiſeſaal trat, war es ſchlechterdings unmoͤglich, daß ich daran haͤtte denken ſollen, meine ſchaͤndliche Abſichten gegen ſie zu verfolgen. Dieß, dieß, Belford, war der Vortheil, den ich von einem liſtig erſonnenen Anſchlage hatte, wovon ich mir ſo viel verſprach! ‒ ‒ Und nun bin ich zehnmal ſchlimmer daran, als vorher! Du haſt in deinem Leben niemals Leute ge- ſehen, die ſo, wie Narren, einander anſahen, als die Mutter, ihre Mitgenoſſen, und ich auf einige Augenblicke thaten. Endlich fingen die beyden verteufelten Nymphen an mich laͤcherlich zu ma- chen: da unterdeſſen die Alte um ihr Haus, um die Ehre ihres Hauſes bekuͤmmert war. Jch fluchte auf ſie alle mit einander, ging in meine Kammer, und ſchloß mich ein. Nun iſt es Zeit, mich auf den Weg zu machen. Alles, was ich gewonnen habe, iſt dieß, daß ich entdeckt bin, Schande habe, durch wiederholte Beleidigungen in neue Schuld gera- then und derjenigen, die mein ganzes Herze eingenommen hat, ja was fuͤr ein ſtolzes Herz noch aͤrger iſt, mir ſelbſt veraͤchtlich geworden bin. Der gluͤckliche Erfolg, der gluͤckliche Erfolg machte bey erſonnenen Anſchlaͤgen alles aus. Fuͤr was fuͤr einen unvergleichlichen Kerl hielte ich mich bis itzo! Selbſt um dieſes Einfalls wil- len

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/826
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 820. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/826>, abgerufen am 24.11.2024.