Der zwey und siebzigste Brief an Herrn Robert Lovelace.
Mittwochens den 28ten Jun. nicht weit von Zwölfen.
Hochgeehrter Herr.
Jch habe ihre Zuschrift, wie ihr Bedienter zu melden bittet, heute frühe um zehn er- halten. Pferd und Kerl rauchten.
Jch zog mich den Augenblick an, als wenn ich von einer Reise käme, und eilte zu der Fräu- lein, mit dem Vorsatz, wichtige Geschäffte vorzu- schützen, daß ich auf ihren Brief vom vorigen Tage nicht eher gekommen wäre, und mich eil- fertig zu bezeigen, damit ich einen Vorwand haben möchte, die Fräulein zu übereilen, und mir eine vergnügliche Antwort an ihren Bothen nicht abschlagen zu lassen: allein, da ich in Frau Sinclairn Haus trat, fand ich alles in der größ- ten Bestürzung.
Sie müssen sich nicht entsetzen, mein Herr. Es ist mir nicht angenehm, daß ich die schlimme Zeitung vermelden soll: aber es ist an dem, die Fräulein ist fort. Man hatte sie nur eine halbe Stunde vorher, ehe ich kam, vermisset.
Jhr Kammermägdchen ist weggelaufen; oder man hat sie wenigstens bisher nicht gefun-
den.
Der zwey und ſiebzigſte Brief an Herrn Robert Lovelace.
Mittwochens den 28ten Jun. nicht weit von Zwoͤlfen.
Hochgeehrter Herr.
Jch habe ihre Zuſchrift, wie ihr Bedienter zu melden bittet, heute fruͤhe um zehn er- halten. Pferd und Kerl rauchten.
Jch zog mich den Augenblick an, als wenn ich von einer Reiſe kaͤme, und eilte zu der Fraͤu- lein, mit dem Vorſatz, wichtige Geſchaͤffte vorzu- ſchuͤtzen, daß ich auf ihren Brief vom vorigen Tage nicht eher gekommen waͤre, und mich eil- fertig zu bezeigen, damit ich einen Vorwand haben moͤchte, die Fraͤulein zu uͤbereilen, und mir eine vergnuͤgliche Antwort an ihren Bothen nicht abſchlagen zu laſſen: allein, da ich in Frau Sinclairn Haus trat, fand ich alles in der groͤß- ten Beſtuͤrzung.
Sie muͤſſen ſich nicht entſetzen, mein Herr. Es iſt mir nicht angenehm, daß ich die ſchlimme Zeitung vermelden ſoll: aber es iſt an dem, die Fraͤulein iſt fort. Man hatte ſie nur eine halbe Stunde vorher, ehe ich kam, vermiſſet.
Jhr Kammermaͤgdchen iſt weggelaufen; oder man hat ſie wenigſtens bisher nicht gefun-
den.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0862"n="856"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Der zwey und ſiebzigſte Brief</hi><lb/>
an<lb/><hirendition="#fr">Herrn Robert Lovelace.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#et">Mittwochens den 28ten Jun. nicht<lb/>
weit von Zwoͤlfen.</hi></dateline><lb/><salute><hirendition="#et">Hochgeehrter Herr.</hi></salute><lb/><p><hirendition="#in">J</hi>ch habe ihre Zuſchrift, wie ihr Bedienter zu<lb/>
melden bittet, <hirendition="#fr">heute fruͤhe um zehn</hi> er-<lb/>
halten. Pferd und Kerl rauchten.</p><lb/><p>Jch zog mich den Augenblick an, als wenn<lb/>
ich von einer Reiſe kaͤme, und eilte zu der Fraͤu-<lb/>
lein, mit dem Vorſatz, wichtige Geſchaͤffte vorzu-<lb/>ſchuͤtzen, daß ich auf ihren Brief <hirendition="#fr">vom vorigen<lb/>
Tage</hi> nicht eher gekommen waͤre, und mich <hirendition="#fr">eil-<lb/>
fertig</hi> zu bezeigen, damit ich einen Vorwand<lb/>
haben moͤchte, die Fraͤulein zu <hirendition="#fr">uͤbereilen,</hi> und<lb/>
mir eine <hirendition="#fr">vergnuͤgliche</hi> Antwort an ihren Bothen<lb/>
nicht abſchlagen zu laſſen: allein, da ich in Frau<lb/>
Sinclairn Haus trat, fand ich alles in der groͤß-<lb/>
ten Beſtuͤrzung.</p><lb/><p>Sie muͤſſen ſich nicht entſetzen, mein Herr.<lb/>
Es iſt mir nicht angenehm, daß ich die ſchlimme<lb/>
Zeitung vermelden ſoll: aber es iſt an dem, die<lb/>
Fraͤulein iſt fort. Man hatte ſie nur eine halbe<lb/>
Stunde vorher, ehe ich kam, vermiſſet.</p><lb/><p>Jhr Kammermaͤgdchen iſt weggelaufen;<lb/>
oder man hat ſie wenigſtens bisher nicht gefun-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">den.</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[856/0862]
Der zwey und ſiebzigſte Brief
an
Herrn Robert Lovelace.
Mittwochens den 28ten Jun. nicht
weit von Zwoͤlfen.
Hochgeehrter Herr.
Jch habe ihre Zuſchrift, wie ihr Bedienter zu
melden bittet, heute fruͤhe um zehn er-
halten. Pferd und Kerl rauchten.
Jch zog mich den Augenblick an, als wenn
ich von einer Reiſe kaͤme, und eilte zu der Fraͤu-
lein, mit dem Vorſatz, wichtige Geſchaͤffte vorzu-
ſchuͤtzen, daß ich auf ihren Brief vom vorigen
Tage nicht eher gekommen waͤre, und mich eil-
fertig zu bezeigen, damit ich einen Vorwand
haben moͤchte, die Fraͤulein zu uͤbereilen, und
mir eine vergnuͤgliche Antwort an ihren Bothen
nicht abſchlagen zu laſſen: allein, da ich in Frau
Sinclairn Haus trat, fand ich alles in der groͤß-
ten Beſtuͤrzung.
Sie muͤſſen ſich nicht entſetzen, mein Herr.
Es iſt mir nicht angenehm, daß ich die ſchlimme
Zeitung vermelden ſoll: aber es iſt an dem, die
Fraͤulein iſt fort. Man hatte ſie nur eine halbe
Stunde vorher, ehe ich kam, vermiſſet.
Jhr Kammermaͤgdchen iſt weggelaufen;
oder man hat ſie wenigſtens bisher nicht gefun-
den.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 856. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/862>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.