Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite




Der zwey und siebzigste Brief
an
Herrn Robert Lovelace.

Hochgeehrter Herr.

Jch habe ihre Zuschrift, wie ihr Bedienter zu
melden bittet, heute frühe um zehn er-
halten. Pferd und Kerl rauchten.

Jch zog mich den Augenblick an, als wenn
ich von einer Reise käme, und eilte zu der Fräu-
lein, mit dem Vorsatz, wichtige Geschäffte vorzu-
schützen, daß ich auf ihren Brief vom vorigen
Tage
nicht eher gekommen wäre, und mich eil-
fertig
zu bezeigen, damit ich einen Vorwand
haben möchte, die Fräulein zu übereilen, und
mir eine vergnügliche Antwort an ihren Bothen
nicht abschlagen zu lassen: allein, da ich in Frau
Sinclairn Haus trat, fand ich alles in der größ-
ten Bestürzung.

Sie müssen sich nicht entsetzen, mein Herr.
Es ist mir nicht angenehm, daß ich die schlimme
Zeitung vermelden soll: aber es ist an dem, die
Fräulein ist fort. Man hatte sie nur eine halbe
Stunde vorher, ehe ich kam, vermisset.

Jhr Kammermägdchen ist weggelaufen;
oder man hat sie wenigstens bisher nicht gefun-

den.




Der zwey und ſiebzigſte Brief
an
Herrn Robert Lovelace.

Hochgeehrter Herr.

Jch habe ihre Zuſchrift, wie ihr Bedienter zu
melden bittet, heute fruͤhe um zehn er-
halten. Pferd und Kerl rauchten.

Jch zog mich den Augenblick an, als wenn
ich von einer Reiſe kaͤme, und eilte zu der Fraͤu-
lein, mit dem Vorſatz, wichtige Geſchaͤffte vorzu-
ſchuͤtzen, daß ich auf ihren Brief vom vorigen
Tage
nicht eher gekommen waͤre, und mich eil-
fertig
zu bezeigen, damit ich einen Vorwand
haben moͤchte, die Fraͤulein zu uͤbereilen, und
mir eine vergnuͤgliche Antwort an ihren Bothen
nicht abſchlagen zu laſſen: allein, da ich in Frau
Sinclairn Haus trat, fand ich alles in der groͤß-
ten Beſtuͤrzung.

Sie muͤſſen ſich nicht entſetzen, mein Herr.
Es iſt mir nicht angenehm, daß ich die ſchlimme
Zeitung vermelden ſoll: aber es iſt an dem, die
Fraͤulein iſt fort. Man hatte ſie nur eine halbe
Stunde vorher, ehe ich kam, vermiſſet.

Jhr Kammermaͤgdchen iſt weggelaufen;
oder man hat ſie wenigſtens bisher nicht gefun-

den.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0862" n="856"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#fr">Der zwey und &#x017F;iebzig&#x017F;te Brief</hi><lb/>
an<lb/><hi rendition="#fr">Herrn Robert Lovelace.</hi></head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Mittwochens den 28ten Jun. nicht<lb/>
weit von Zwo&#x0364;lfen.</hi> </dateline><lb/>
          <salute> <hi rendition="#et">Hochgeehrter Herr.</hi> </salute><lb/>
          <p><hi rendition="#in">J</hi>ch habe ihre Zu&#x017F;chrift, wie ihr Bedienter zu<lb/>
melden bittet, <hi rendition="#fr">heute fru&#x0364;he um zehn</hi> er-<lb/>
halten. Pferd und Kerl rauchten.</p><lb/>
          <p>Jch zog mich den Augenblick an, als wenn<lb/>
ich von einer Rei&#x017F;e ka&#x0364;me, und eilte zu der Fra&#x0364;u-<lb/>
lein, mit dem Vor&#x017F;atz, wichtige Ge&#x017F;cha&#x0364;ffte vorzu-<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;tzen, daß ich auf ihren Brief <hi rendition="#fr">vom vorigen<lb/>
Tage</hi> nicht eher gekommen wa&#x0364;re, und mich <hi rendition="#fr">eil-<lb/>
fertig</hi> zu bezeigen, damit ich einen Vorwand<lb/>
haben mo&#x0364;chte, die Fra&#x0364;ulein zu <hi rendition="#fr">u&#x0364;bereilen,</hi> und<lb/>
mir eine <hi rendition="#fr">vergnu&#x0364;gliche</hi> Antwort an ihren Bothen<lb/>
nicht ab&#x017F;chlagen zu la&#x017F;&#x017F;en: allein, da ich in Frau<lb/>
Sinclairn Haus trat, fand ich alles in der gro&#x0364;ß-<lb/>
ten Be&#x017F;tu&#x0364;rzung.</p><lb/>
          <p>Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich nicht ent&#x017F;etzen, mein Herr.<lb/>
Es i&#x017F;t mir nicht angenehm, daß ich die &#x017F;chlimme<lb/>
Zeitung vermelden &#x017F;oll: aber es i&#x017F;t an dem, die<lb/>
Fra&#x0364;ulein i&#x017F;t fort. Man hatte &#x017F;ie nur eine halbe<lb/>
Stunde vorher, ehe ich kam, vermi&#x017F;&#x017F;et.</p><lb/>
          <p>Jhr Kammerma&#x0364;gdchen i&#x017F;t weggelaufen;<lb/>
oder man hat &#x017F;ie wenig&#x017F;tens bisher nicht gefun-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den.</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[856/0862] Der zwey und ſiebzigſte Brief an Herrn Robert Lovelace. Mittwochens den 28ten Jun. nicht weit von Zwoͤlfen. Hochgeehrter Herr. Jch habe ihre Zuſchrift, wie ihr Bedienter zu melden bittet, heute fruͤhe um zehn er- halten. Pferd und Kerl rauchten. Jch zog mich den Augenblick an, als wenn ich von einer Reiſe kaͤme, und eilte zu der Fraͤu- lein, mit dem Vorſatz, wichtige Geſchaͤffte vorzu- ſchuͤtzen, daß ich auf ihren Brief vom vorigen Tage nicht eher gekommen waͤre, und mich eil- fertig zu bezeigen, damit ich einen Vorwand haben moͤchte, die Fraͤulein zu uͤbereilen, und mir eine vergnuͤgliche Antwort an ihren Bothen nicht abſchlagen zu laſſen: allein, da ich in Frau Sinclairn Haus trat, fand ich alles in der groͤß- ten Beſtuͤrzung. Sie muͤſſen ſich nicht entſetzen, mein Herr. Es iſt mir nicht angenehm, daß ich die ſchlimme Zeitung vermelden ſoll: aber es iſt an dem, die Fraͤulein iſt fort. Man hatte ſie nur eine halbe Stunde vorher, ehe ich kam, vermiſſet. Jhr Kammermaͤgdchen iſt weggelaufen; oder man hat ſie wenigſtens bisher nicht gefun- den.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/862
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 856. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/862>, abgerufen am 24.11.2024.