Die vermeynte Lady Elisabeth erzählte mir hierauf, daß ihr Enkel ihnen Nachricht gegeben hätte, wie die Sachen zwischen uns stünden. Und ob sie gleich gestehen müßte, es wäre ihr sehr lieb, daß er keine solche Geringschätzung gegen den Lord und sie bewiesen hätte, als sie nach dem ausgebreiteten Gerüchte, welches sie gleichwohl in Ansehung der dazu gehabten Ursachen sehr billig- ten, zu befürchten Grund gehabt: so wäre es doch ihr und ihrer Neffe Montague sehr nahe ge- gangen, und würde der ganzen Familie eben so nahe gehen, daß sie ein so großes Misverständniß zwischen uns noch gegenwärtig finden sollte, wel- ches alle ihre Hoffnungen, wofern es nicht abge- than würde, weit hinaussetzen möchte.
Sie könnte leichtlich sagen, sprach sie, wer Schuld hätte, - - und warf dabey einen so wohl zornigen als verächtlichen Blick auf ihn. Sie fragte ihn, wie es ihm möglich gewesen wäre, ei- ne so reizende Fräulein; so nannte sie mich; auf eine solche Art zu beleidigen, daß es zu einem so heftigen Unwillen Anlaß geben sollte.
Er stellte sich, als wenn er vor Ehrfurcht zur Schaam und zum Stillschweigen gebracht wäre.
Meine wertheste Base, fuhr sie fort und faßte mich bey der Hand; ich muß sie meine Base nennen, so wohl aus Liebe, als auch damit ich dem löblichen Vorschlag ihres Onkels gemäß handeln; erlauben sie mir, nicht eine Fürspreche- rinn, sondern nur eine Mittelsperson für ihn zu
seyn:
Sechster Theil. G
Die vermeynte Lady Eliſabeth erzaͤhlte mir hierauf, daß ihr Enkel ihnen Nachricht gegeben haͤtte, wie die Sachen zwiſchen uns ſtuͤnden. Und ob ſie gleich geſtehen muͤßte, es waͤre ihr ſehr lieb, daß er keine ſolche Geringſchaͤtzung gegen den Lord und ſie bewieſen haͤtte, als ſie nach dem ausgebreiteten Geruͤchte, welches ſie gleichwohl in Anſehung der dazu gehabten Urſachen ſehr billig- ten, zu befuͤrchten Grund gehabt: ſo waͤre es doch ihr und ihrer Neffe Montague ſehr nahe ge- gangen, und wuͤrde der ganzen Familie eben ſo nahe gehen, daß ſie ein ſo großes Misverſtaͤndniß zwiſchen uns noch gegenwaͤrtig finden ſollte, wel- ches alle ihre Hoffnungen, wofern es nicht abge- than wuͤrde, weit hinausſetzen moͤchte.
Sie koͤnnte leichtlich ſagen, ſprach ſie, wer Schuld haͤtte, ‒ ‒ und warf dabey einen ſo wohl zornigen als veraͤchtlichen Blick auf ihn. Sie fragte ihn, wie es ihm moͤglich geweſen waͤre, ei- ne ſo reizende Fraͤulein; ſo nannte ſie mich; auf eine ſolche Art zu beleidigen, daß es zu einem ſo heftigen Unwillen Anlaß geben ſollte.
Er ſtellte ſich, als wenn er vor Ehrfurcht zur Schaam und zum Stillſchweigen gebracht waͤre.
Meine wertheſte Baſe, fuhr ſie fort und faßte mich bey der Hand; ich muß ſie meine Baſe nennen, ſo wohl aus Liebe, als auch damit ich dem loͤblichen Vorſchlag ihres Onkels gemaͤß handeln; erlauben ſie mir, nicht eine Fuͤrſpreche- rinn, ſondern nur eine Mittelsperſon fuͤr ihn zu
ſeyn:
Sechſter Theil. G
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Die vermeynte Lady Eliſabeth erzaͤhlte mir
hierauf, daß ihr Enkel ihnen Nachricht gegeben
haͤtte, wie die Sachen zwiſchen uns ſtuͤnden.
Und ob ſie gleich geſtehen muͤßte, es waͤre ihr ſehr
lieb, daß er keine ſolche Geringſchaͤtzung gegen
den Lord und ſie bewieſen haͤtte, als ſie nach dem
ausgebreiteten Geruͤchte, welches ſie gleichwohl in
Anſehung der dazu gehabten Urſachen ſehr billig-
ten, zu befuͤrchten Grund gehabt: ſo waͤre es
doch ihr und ihrer Neffe Montague ſehr nahe ge-
gangen, und wuͤrde der ganzen Familie eben ſo
nahe gehen, daß ſie ein ſo großes Misverſtaͤndniß
zwiſchen uns noch gegenwaͤrtig finden ſollte, wel-
ches alle ihre Hoffnungen, wofern es nicht abge-
than wuͤrde, weit hinausſetzen moͤchte.
Sie koͤnnte leichtlich ſagen, ſprach ſie, wer
Schuld haͤtte, ‒ ‒ und warf dabey einen ſo wohl
zornigen als veraͤchtlichen Blick auf ihn. Sie
fragte ihn, wie es ihm moͤglich geweſen waͤre, ei-
ne ſo reizende Fraͤulein; ſo nannte ſie mich; auf
eine ſolche Art zu beleidigen, daß es zu einem ſo
heftigen Unwillen Anlaß geben ſollte.
Er ſtellte ſich, als wenn er vor Ehrfurcht
zur Schaam und zum Stillſchweigen gebracht
waͤre.
Meine wertheſte Baſe, fuhr ſie fort und
faßte mich bey der Hand; ich muß ſie meine
Baſe nennen, ſo wohl aus Liebe, als auch damit
ich dem loͤblichen Vorſchlag ihres Onkels gemaͤß
handeln; erlauben ſie mir, nicht eine Fuͤrſpreche-
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ſeyn:
Sechſter Theil. G
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/103>, abgerufen am 24.11.2024.
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