durch den Gang zu dem verderblichen Hinter- hause leitete - - Lehnen sie sich auf mich! - - Wie zittern sie! - - Wie wankend sind ihre Schritte! - - Allerliebste Base, Lovelacen; so nannte sie mich, weil das alte Ungeheuer es hören konnte; warum ist ihr Gemüth in so heftiger Bewegung? - - Wir wollen in einem Augen- blick wieder von hier gehen.
Und so leitete sie das arme Schlachtopfer in den allzu wohl bekannten Saal des alten Un- thiers.
Niemals habe ich jemand so sanftmüthig, so leutselig, so leise mit der Sprache gesehen, als das verhaßte Weib war. Sie dehnte alles, was sie nur gefälliges sagen konnte, in einem feinen Tone heraus: aus Ehrfurcht, wie ich damals dachte, gegen die erhabenen und bewußten Vor- züge einer Standesperson, die von Juwelen funkelte.
Der verlangte Thee war den Augenblick bereit.
Es war kein Herr Belton da, wie ich glau- be. Denn der Bösewicht ging zu keinem Men- schen: es möchte denn damals geschehen seyn, als wir in der Kutsche mit einander redeten. Jnzwischen erschien keine solche Person bey dem Theetische.
Jch mußte zwey Schälchen mit Milch trin- ken: weil mich die verstellten Frauenzimmer; ei- ne jede zu einem Schälchen, höflich nöthigten und mir dazu halfen. Jch war unter ihren
Hän-
durch den Gang zu dem verderblichen Hinter- hauſe leitete ‒ ‒ Lehnen ſie ſich auf mich! ‒ ‒ Wie zittern ſie! ‒ ‒ Wie wankend ſind ihre Schritte! ‒ ‒ Allerliebſte Baſe, Lovelacen; ſo nannte ſie mich, weil das alte Ungeheuer es hoͤren konnte; warum iſt ihr Gemuͤth in ſo heftiger Bewegung? ‒ ‒ Wir wollen in einem Augen- blick wieder von hier gehen.
Und ſo leitete ſie das arme Schlachtopfer in den allzu wohl bekannten Saal des alten Un- thiers.
Niemals habe ich jemand ſo ſanftmuͤthig, ſo leutſelig, ſo leiſe mit der Sprache geſehen, als das verhaßte Weib war. Sie dehnte alles, was ſie nur gefaͤlliges ſagen konnte, in einem feinen Tone heraus: aus Ehrfurcht, wie ich damals dachte, gegen die erhabenen und bewußten Vor- zuͤge einer Standesperſon, die von Juwelen funkelte.
Der verlangte Thee war den Augenblick bereit.
Es war kein Herr Belton da, wie ich glau- be. Denn der Boͤſewicht ging zu keinem Men- ſchen: es moͤchte denn damals geſchehen ſeyn, als wir in der Kutſche mit einander redeten. Jnzwiſchen erſchien keine ſolche Perſon bey dem Theetiſche.
Jch mußte zwey Schaͤlchen mit Milch trin- ken: weil mich die verſtellten Frauenzimmer; ei- ne jede zu einem Schaͤlchen, hoͤflich noͤthigten und mir dazu halfen. Jch war unter ihren
Haͤn-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0136"n="130"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
durch den Gang zu dem verderblichen Hinter-<lb/>
hauſe leitete ‒‒ Lehnen ſie ſich auf mich! ‒‒<lb/>
Wie zittern ſie! ‒‒ Wie wankend ſind ihre<lb/>
Schritte! ‒‒ Allerliebſte Baſe, Lovelacen; ſo<lb/>
nannte ſie mich, weil das alte Ungeheuer es hoͤren<lb/>
konnte; warum iſt ihr Gemuͤth in ſo heftiger<lb/>
Bewegung? ‒‒ Wir wollen in einem Augen-<lb/>
blick wieder von hier gehen.</p><lb/><p>Und ſo leitete ſie das arme Schlachtopfer in<lb/>
den allzu wohl bekannten Saal des alten Un-<lb/>
thiers.</p><lb/><p>Niemals habe ich jemand ſo ſanftmuͤthig,<lb/>ſo leutſelig, ſo leiſe mit der Sprache geſehen, als<lb/>
das verhaßte Weib war. Sie dehnte alles, was<lb/>ſie nur gefaͤlliges ſagen konnte, in einem feinen<lb/>
Tone heraus: aus Ehrfurcht, wie ich damals<lb/>
dachte, gegen die erhabenen und bewußten Vor-<lb/>
zuͤge einer Standesperſon, die von Juwelen<lb/>
funkelte.</p><lb/><p>Der verlangte Thee war den Augenblick<lb/>
bereit.</p><lb/><p>Es war kein Herr Belton da, wie ich glau-<lb/>
be. Denn der Boͤſewicht ging zu keinem Men-<lb/>ſchen: es moͤchte denn damals geſchehen ſeyn,<lb/>
als wir in der Kutſche mit einander redeten.<lb/>
Jnzwiſchen erſchien keine ſolche Perſon bey dem<lb/>
Theetiſche.</p><lb/><p>Jch mußte zwey Schaͤlchen mit Milch trin-<lb/>
ken: weil mich die verſtellten Frauenzimmer; ei-<lb/>
ne jede zu einem Schaͤlchen, hoͤflich noͤthigten<lb/>
und mir dazu halfen. Jch war unter ihren<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Haͤn-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[130/0136]
durch den Gang zu dem verderblichen Hinter-
hauſe leitete ‒ ‒ Lehnen ſie ſich auf mich! ‒ ‒
Wie zittern ſie! ‒ ‒ Wie wankend ſind ihre
Schritte! ‒ ‒ Allerliebſte Baſe, Lovelacen; ſo
nannte ſie mich, weil das alte Ungeheuer es hoͤren
konnte; warum iſt ihr Gemuͤth in ſo heftiger
Bewegung? ‒ ‒ Wir wollen in einem Augen-
blick wieder von hier gehen.
Und ſo leitete ſie das arme Schlachtopfer in
den allzu wohl bekannten Saal des alten Un-
thiers.
Niemals habe ich jemand ſo ſanftmuͤthig,
ſo leutſelig, ſo leiſe mit der Sprache geſehen, als
das verhaßte Weib war. Sie dehnte alles, was
ſie nur gefaͤlliges ſagen konnte, in einem feinen
Tone heraus: aus Ehrfurcht, wie ich damals
dachte, gegen die erhabenen und bewußten Vor-
zuͤge einer Standesperſon, die von Juwelen
funkelte.
Der verlangte Thee war den Augenblick
bereit.
Es war kein Herr Belton da, wie ich glau-
be. Denn der Boͤſewicht ging zu keinem Men-
ſchen: es moͤchte denn damals geſchehen ſeyn,
als wir in der Kutſche mit einander redeten.
Jnzwiſchen erſchien keine ſolche Perſon bey dem
Theetiſche.
Jch mußte zwey Schaͤlchen mit Milch trin-
ken: weil mich die verſtellten Frauenzimmer; ei-
ne jede zu einem Schaͤlchen, hoͤflich noͤthigten
und mir dazu halfen. Jch war unter ihren
Haͤn-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/136>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.