ich noch, und noch, und noch nicht genug ver- suchet hätte; - - aber daß, wenn sie einmal durch Hülfe ihrer verfluchten Künste überwunden wäre, wofern ich weder durch Liebe noch Schre- cken die glückliche Stunde treffen könnte, sie für allemal überwunden seyn würde; - - wobey sie sich zur Rechtfertigung ihres Ausspruchs auf alle meine Erfahrung, auf alle meine Kenntniß von dem Geschlechte beriefen.
Meine Erfahrung, worauf sie sich beriefen, muß ich gestehen, war ihrer Aussage nur allzu vortheilhaft. Denn meynst du, daß ich meinen Vorsatz gegen einen solchen Engel, als sie ist, hät- te behalten können: wenn ich vorher jemals eine gefunden hätte, welche ihre Ehre gegen die uner- müdeten Künste und Standhaftigkeit derjenigen Mannsperson, gegen die sie selbst Liebe hegte, so ernstlich zu vertheidigen geneigt gewesen wäre? Warum waren denn nicht mehrere Beyspiele ei- ner so unbeweglichen Tugend? Oder warum mußte dieses, als das einzige, mir eben zu Theil werden? Wo es nicht darum geschehen ist, daß meine Schuld verdoppelt und zu gleicher Zeit, alle, denen ihre Geschichte zu Ohren kommen sollte, überführet würden, daß es so wohl einge- fleischte Engel, als eingefleischte Teufel gebe.
So viel: mein Bekenntniß darzulegen, und meinem Gewissen zu Gefallen zu seyn. Jedoch habe ich auch dieß Absehen dabey, daß ich durch mein eignes Geständniß deine Bosheit entwaff-
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ich noch, und noch, und noch nicht genug ver- ſuchet haͤtte; ‒ ‒ aber daß, wenn ſie einmal durch Huͤlfe ihrer verfluchten Kuͤnſte uͤberwunden waͤre, wofern ich weder durch Liebe noch Schre- cken die gluͤckliche Stunde treffen koͤnnte, ſie fuͤr allemal uͤberwunden ſeyn wuͤrde; ‒ ‒ wobey ſie ſich zur Rechtfertigung ihres Ausſpruchs auf alle meine Erfahrung, auf alle meine Kenntniß von dem Geſchlechte beriefen.
Meine Erfahrung, worauf ſie ſich beriefen, muß ich geſtehen, war ihrer Ausſage nur allzu vortheilhaft. Denn meynſt du, daß ich meinen Vorſatz gegen einen ſolchen Engel, als ſie iſt, haͤt- te behalten koͤnnen: wenn ich vorher jemals eine gefunden haͤtte, welche ihre Ehre gegen die uner- muͤdeten Kuͤnſte und Standhaftigkeit derjenigen Mannsperſon, gegen die ſie ſelbſt Liebe hegte, ſo ernſtlich zu vertheidigen geneigt geweſen waͤre? Warum waren denn nicht mehrere Beyſpiele ei- ner ſo unbeweglichen Tugend? Oder warum mußte dieſes, als das einzige, mir eben zu Theil werden? Wo es nicht darum geſchehen iſt, daß meine Schuld verdoppelt und zu gleicher Zeit, alle, denen ihre Geſchichte zu Ohren kommen ſollte, uͤberfuͤhret wuͤrden, daß es ſo wohl einge- fleiſchte Engel, als eingefleiſchte Teufel gebe.
So viel: mein Bekenntniß darzulegen, und meinem Gewiſſen zu Gefallen zu ſeyn. Jedoch habe ich auch dieß Abſehen dabey, daß ich durch mein eignes Geſtaͤndniß deine Bosheit entwaff-
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ich noch, und noch, und noch nicht genug ver-
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waͤre, wofern ich weder durch Liebe noch Schre-
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allemal uͤberwunden ſeyn wuͤrde; ‒ ‒ wobey
ſie ſich zur Rechtfertigung ihres Ausſpruchs auf
alle meine Erfahrung, auf alle meine Kenntniß
von dem Geſchlechte beriefen.
Meine Erfahrung, worauf ſie ſich beriefen,
muß ich geſtehen, war ihrer Ausſage nur allzu
vortheilhaft. Denn meynſt du, daß ich meinen
Vorſatz gegen einen ſolchen Engel, als ſie iſt, haͤt-
te behalten koͤnnen: wenn ich vorher jemals eine
gefunden haͤtte, welche ihre Ehre gegen die uner-
muͤdeten Kuͤnſte und Standhaftigkeit derjenigen
Mannsperſon, gegen die ſie ſelbſt Liebe hegte, ſo
ernſtlich zu vertheidigen geneigt geweſen waͤre?
Warum waren denn nicht mehrere Beyſpiele ei-
ner ſo unbeweglichen Tugend? Oder warum
mußte dieſes, als das einzige, mir eben zu Theil
werden? Wo es nicht darum geſchehen iſt, daß
meine Schuld verdoppelt und zu gleicher Zeit,
alle, denen ihre Geſchichte zu Ohren kommen ſollte,
uͤberfuͤhret wuͤrden, daß es ſo wohl einge-
fleiſchte Engel, als eingefleiſchte Teufel
gebe.
So viel: mein Bekenntniß darzulegen, und
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/15>, abgerufen am 24.11.2024.
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