äußersten Anfechtung für alle meine Sünden ge- gen meine flüchtig gewordne Geliebte. Denn gestern um fünfe sind hier Lady Sarah Sadleir und Lady Elisabeth Lawrance, eine jede in ihrer Kutsche mit sechs Pferden, angekommen. Wit- wen lieben einen großen Aufzug, und diese in- sonderheit können nicht zehn Meilen ohne ein Ge- spann Pferde und ein halb Dutzent Reitknechte reisen.
Die Zeit war mir gewaltig lang geworden. Daher gieng ich nach Tische in die Kirche. War- um mögen nicht hübsche Mannsleute, dachte ich, eben so wohl Vergnügen finden, sich ansehen zu lassen, als hübsche Weibsbilder? - - Als der Gottesdienst vorbey war, gerieth ich an den Ma- jor Warneton: und so kam ich nicht eher, als nach sechsen zu Hause. Jch wunderte mich, wie ich in den Hof kam, daß ich ihn mit Kutschen und Bedienten besetzt fand. Jch wußte gewiß, daß die Eigenthümer davon nicht eben zu meinem Besten gekommen waren.
Lady Sarah war zu diesem Besuch, wie ich gar bald befand, von der Lady Elisabeth aufge- bracht, welche noch gesund genug ist, aus sich selbst und aus ihren eignen Sachen heraus zu ge- hen und sich andere Beschäfftigungen zu suchen. Jedoch war dem Vorgeben nach ihr Gewerbe, meinem Onkel zu seiner Besserung Glück zu wün- schen. Boshafte Teufel in beyder Betrachtung! Weil sie aber in meiner Abwesenheit ankamen: so war ihre Unterredung vornehmlich von mir,
und
aͤußerſten Anfechtung fuͤr alle meine Suͤnden ge- gen meine fluͤchtig gewordne Geliebte. Denn geſtern um fuͤnfe ſind hier Lady Sarah Sadleir und Lady Eliſabeth Lawrance, eine jede in ihrer Kutſche mit ſechs Pferden, angekommen. Wit- wen lieben einen großen Aufzug, und dieſe in- ſonderheit koͤnnen nicht zehn Meilen ohne ein Ge- ſpann Pferde und ein halb Dutzent Reitknechte reiſen.
Die Zeit war mir gewaltig lang geworden. Daher gieng ich nach Tiſche in die Kirche. War- um moͤgen nicht huͤbſche Mannsleute, dachte ich, eben ſo wohl Vergnuͤgen finden, ſich anſehen zu laſſen, als huͤbſche Weibsbilder? ‒ ‒ Als der Gottesdienſt vorbey war, gerieth ich an den Ma- jor Warneton: und ſo kam ich nicht eher, als nach ſechſen zu Hauſe. Jch wunderte mich, wie ich in den Hof kam, daß ich ihn mit Kutſchen und Bedienten beſetzt fand. Jch wußte gewiß, daß die Eigenthuͤmer davon nicht eben zu meinem Beſten gekommen waren.
Lady Sarah war zu dieſem Beſuch, wie ich gar bald befand, von der Lady Eliſabeth aufge- bracht, welche noch geſund genug iſt, aus ſich ſelbſt und aus ihren eignen Sachen heraus zu ge- hen und ſich andere Beſchaͤfftigungen zu ſuchen. Jedoch war dem Vorgeben nach ihr Gewerbe, meinem Onkel zu ſeiner Beſſerung Gluͤck zu wuͤn- ſchen. Boshafte Teufel in beyder Betrachtung! Weil ſie aber in meiner Abweſenheit ankamen: ſo war ihre Unterredung vornehmlich von mir,
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aͤußerſten Anfechtung fuͤr alle meine Suͤnden ge-
gen meine fluͤchtig gewordne Geliebte. Denn
geſtern um fuͤnfe ſind hier Lady Sarah Sadleir
und Lady Eliſabeth Lawrance, eine jede in ihrer
Kutſche mit ſechs Pferden, angekommen. Wit-
wen lieben einen großen Aufzug, und dieſe in-
ſonderheit koͤnnen nicht zehn Meilen ohne ein Ge-
ſpann Pferde und ein halb Dutzent Reitknechte
reiſen.
Die Zeit war mir gewaltig lang geworden.
Daher gieng ich nach Tiſche in die Kirche. War-
um moͤgen nicht huͤbſche Mannsleute, dachte ich,
eben ſo wohl Vergnuͤgen finden, ſich anſehen zu
laſſen, als huͤbſche Weibsbilder? ‒ ‒ Als der
Gottesdienſt vorbey war, gerieth ich an den Ma-
jor Warneton: und ſo kam ich nicht eher, als
nach ſechſen zu Hauſe. Jch wunderte mich, wie
ich in den Hof kam, daß ich ihn mit Kutſchen und
Bedienten beſetzt fand. Jch wußte gewiß, daß
die Eigenthuͤmer davon nicht eben zu meinem
Beſten gekommen waren.
Lady Sarah war zu dieſem Beſuch, wie ich
gar bald befand, von der Lady Eliſabeth aufge-
bracht, welche noch geſund genug iſt, aus ſich
ſelbſt und aus ihren eignen Sachen heraus zu ge-
hen und ſich andere Beſchaͤfftigungen zu ſuchen.
Jedoch war dem Vorgeben nach ihr Gewerbe,
meinem Onkel zu ſeiner Beſſerung Gluͤck zu wuͤn-
ſchen. Boshafte Teufel in beyder Betrachtung!
Weil ſie aber in meiner Abweſenheit ankamen:
ſo war ihre Unterredung vornehmlich von mir,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/195>, abgerufen am 21.11.2024.
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