Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Sie legt in diesem Schreiben der Lady Eli-
sabeth drey Fragen vor.

Erstlich, wegen eines Briefes von ihr,
vom 7ten Jun. worinn sie uns zu unserer Ver-
mählung Glück wünschet; und wobey ich meine
Tante der Mühe zu schreiben gütigst überhoben
habe: eine rechte Höflichkeit von mir, sollte ich
denken!

Hernach: "Ob sie und eine von ihren Nef-
"fen, Montague, gesonnen gewesen, wegen einer
"alten Kanzeleysache nach London zu kommen?
"Ob sie auch wirklich diesem Vorsatz gemäß nach
"London und hiernächst nach Hampstead gegangen
"wären, und von dannen die junge Person, wel-
"che sie besucht, mit sich nach London gebracht
"hätten?" Dieß war der Jnhalt der zwoten
und dritten Frage.

Ein lieber kleiner nachforschender Schalk!
Was wollte sie durch diese Fragen gebessert
seyn? - - Aber Neubegierde, verdammte Neu-
begierde ist der Kitzel, der das schöne Geschlecht
zu stechen pflegt - - Wenn hast du inzwischen
wohl erfahren, daß es zu ihrem Besten ausge-
schlagen wäre? Denn sie forschen selten nach,
als wenn sie etwas befürchten - - Und das
Sprichwort ist, wie mein Lord sagt: Was man
fürchtet, das kommt.
Das heißt, meiner
Vermuthung nach, was sie fürchten, das trägt
sich gemeiniglich zu, weil gemeiniglich Ursache zu
fürchten da ist.

Sie
Sechster Theil. N


Sie legt in dieſem Schreiben der Lady Eli-
ſabeth drey Fragen vor.

Erſtlich, wegen eines Briefes von ihr,
vom 7ten Jun. worinn ſie uns zu unſerer Ver-
maͤhlung Gluͤck wuͤnſchet; und wobey ich meine
Tante der Muͤhe zu ſchreiben guͤtigſt uͤberhoben
habe: eine rechte Hoͤflichkeit von mir, ſollte ich
denken!

Hernach: „Ob ſie und eine von ihren Nef-
„fen, Montague, geſonnen geweſen, wegen einer
„alten Kanzeleyſache nach London zu kommen?
„Ob ſie auch wirklich dieſem Vorſatz gemaͤß nach
„London und hiernaͤchſt nach Hampſtead gegangen
„waͤren, und von dannen die junge Perſon, wel-
„che ſie beſucht, mit ſich nach London gebracht
„haͤtten?„ Dieß war der Jnhalt der zwoten
und dritten Frage.

Ein lieber kleiner nachforſchender Schalk!
Was wollte ſie durch dieſe Fragen gebeſſert
ſeyn? ‒ ‒ Aber Neubegierde, verdammte Neu-
begierde iſt der Kitzel, der das ſchoͤne Geſchlecht
zu ſtechen pflegt ‒ ‒ Wenn haſt du inzwiſchen
wohl erfahren, daß es zu ihrem Beſten ausge-
ſchlagen waͤre? Denn ſie forſchen ſelten nach,
als wenn ſie etwas befuͤrchten ‒ ‒ Und das
Sprichwort iſt, wie mein Lord ſagt: Was man
fuͤrchtet, das kommt.
Das heißt, meiner
Vermuthung nach, was ſie fuͤrchten, das traͤgt
ſich gemeiniglich zu, weil gemeiniglich Urſache zu
fuͤrchten da iſt.

Sie
Sechſter Theil. N
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0199" n="193"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Sie legt in die&#x017F;em Schreiben der Lady Eli-<lb/>
&#x017F;abeth drey Fragen vor.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Er&#x017F;tlich,</hi> wegen eines Briefes von ihr,<lb/>
vom 7ten <hi rendition="#fr">Jun.</hi> worinn &#x017F;ie uns zu un&#x017F;erer Ver-<lb/>
ma&#x0364;hlung Glu&#x0364;ck wu&#x0364;n&#x017F;chet; und wobey ich meine<lb/>
Tante der Mu&#x0364;he zu &#x017F;chreiben gu&#x0364;tig&#x017F;t u&#x0364;berhoben<lb/>
habe: eine rechte Ho&#x0364;flichkeit von mir, &#x017F;ollte ich<lb/>
denken!</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Hernach:</hi> &#x201E;Ob &#x017F;ie und eine von ihren Nef-<lb/>
&#x201E;fen, Montague, ge&#x017F;onnen gewe&#x017F;en, wegen einer<lb/>
&#x201E;alten Kanzeley&#x017F;ache nach London zu kommen?<lb/>
&#x201E;Ob &#x017F;ie auch wirklich die&#x017F;em Vor&#x017F;atz gema&#x0364;ß nach<lb/>
&#x201E;London und hierna&#x0364;ch&#x017F;t nach Hamp&#x017F;tead gegangen<lb/>
&#x201E;wa&#x0364;ren, und von dannen die junge Per&#x017F;on, wel-<lb/>
&#x201E;che &#x017F;ie be&#x017F;ucht, mit &#x017F;ich nach London gebracht<lb/>
&#x201E;ha&#x0364;tten?&#x201E; Dieß war der Jnhalt der zwoten<lb/>
und dritten Frage.</p><lb/>
          <p>Ein lieber kleiner nachfor&#x017F;chender Schalk!<lb/>
Was wollte &#x017F;ie durch die&#x017F;e Fragen gebe&#x017F;&#x017F;ert<lb/>
&#x017F;eyn? &#x2012; &#x2012; Aber Neubegierde, verdammte Neu-<lb/>
begierde i&#x017F;t der Kitzel, der das &#x017F;cho&#x0364;ne Ge&#x017F;chlecht<lb/>
zu &#x017F;techen pflegt &#x2012; &#x2012; Wenn ha&#x017F;t du inzwi&#x017F;chen<lb/>
wohl erfahren, daß es zu ihrem Be&#x017F;ten ausge-<lb/>
&#x017F;chlagen wa&#x0364;re? Denn &#x017F;ie for&#x017F;chen &#x017F;elten nach,<lb/>
als wenn &#x017F;ie etwas befu&#x0364;rchten &#x2012; &#x2012; Und das<lb/>
Sprichwort i&#x017F;t, wie mein Lord &#x017F;agt: <hi rendition="#fr">Was man<lb/>
fu&#x0364;rchtet, das kommt.</hi> Das heißt, meiner<lb/>
Vermuthung nach, was &#x017F;ie fu&#x0364;rchten, das tra&#x0364;gt<lb/>
&#x017F;ich gemeiniglich zu, weil gemeiniglich Ur&#x017F;ache zu<lb/>
fu&#x0364;rchten da i&#x017F;t.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Sech&#x017F;ter Theil.</hi> N</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[193/0199] Sie legt in dieſem Schreiben der Lady Eli- ſabeth drey Fragen vor. Erſtlich, wegen eines Briefes von ihr, vom 7ten Jun. worinn ſie uns zu unſerer Ver- maͤhlung Gluͤck wuͤnſchet; und wobey ich meine Tante der Muͤhe zu ſchreiben guͤtigſt uͤberhoben habe: eine rechte Hoͤflichkeit von mir, ſollte ich denken! Hernach: „Ob ſie und eine von ihren Nef- „fen, Montague, geſonnen geweſen, wegen einer „alten Kanzeleyſache nach London zu kommen? „Ob ſie auch wirklich dieſem Vorſatz gemaͤß nach „London und hiernaͤchſt nach Hampſtead gegangen „waͤren, und von dannen die junge Perſon, wel- „che ſie beſucht, mit ſich nach London gebracht „haͤtten?„ Dieß war der Jnhalt der zwoten und dritten Frage. Ein lieber kleiner nachforſchender Schalk! Was wollte ſie durch dieſe Fragen gebeſſert ſeyn? ‒ ‒ Aber Neubegierde, verdammte Neu- begierde iſt der Kitzel, der das ſchoͤne Geſchlecht zu ſtechen pflegt ‒ ‒ Wenn haſt du inzwiſchen wohl erfahren, daß es zu ihrem Beſten ausge- ſchlagen waͤre? Denn ſie forſchen ſelten nach, als wenn ſie etwas befuͤrchten ‒ ‒ Und das Sprichwort iſt, wie mein Lord ſagt: Was man fuͤrchtet, das kommt. Das heißt, meiner Vermuthung nach, was ſie fuͤrchten, das traͤgt ſich gemeiniglich zu, weil gemeiniglich Urſache zu fuͤrchten da iſt. Sie Sechſter Theil. N

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/199
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/199>, abgerufen am 21.11.2024.