Meynung nach, von Rechts wegen gehöret, das soll er nur mit seinen Ohren siegeln: dieß ist al- les, mein Lord.
Nun schlugen sich meine beyden Tanten ins Mittel.
Lady Sarah gab mir zu verstehen, ich triebe die Sache sehr weit: weder der Lord M. noch ei- ne von ihnen, verdiente die Begegnung von mir, welche ihnen widerführe.
Jch antwortete, ich hätte eine gedoppelte Ur- sache, warum ich nicht leiden könnte, daß mir von meinem Lord übel begegnet würde: einmal, weil ich mehr Hochachtung gegen ihn hegte, als gegen irgend eine Person auf der Welt; und hier- nächst, weil es das Ansehen haben würde, als wenn ich durch eigennützige Absichten bewogen wäre, das von Jhm anzunehmen, was mir sonst kein Mensch bieten dürfte.
Und was, versetzte er, soll mich denn bewe- gen, das von ihnen anzunehmen, was ich anneh- men muß? - - Hä, Herr?
Jn der That, Vetter Lovelace; sagte darauf Lady Elisabeth mit ansehnlicher Ernsthaftigkeit; wir verdienen nicht, keine von uns, wie Lady Sa- rah sagt, daß sie uns so begegnen, wie sie thun. Sie mögen wissen, daß ich es nicht für billig hiel- te, meine, und ihrer Base Charlottens Ehre kränken zu lassen, damit sie ein unschuldiges Frau- enzimmer unglücklich machen können. Sie muß gar bald gewußt haben, was für eine gute Mey- nung wir alle von ihr hegen, und wie sehr wir
wünsch-
Meynung nach, von Rechts wegen gehoͤret, das ſoll er nur mit ſeinen Ohren ſiegeln: dieß iſt al- les, mein Lord.
Nun ſchlugen ſich meine beyden Tanten ins Mittel.
Lady Sarah gab mir zu verſtehen, ich triebe die Sache ſehr weit: weder der Lord M. noch ei- ne von ihnen, verdiente die Begegnung von mir, welche ihnen widerfuͤhre.
Jch antwortete, ich haͤtte eine gedoppelte Ur- ſache, warum ich nicht leiden koͤnnte, daß mir von meinem Lord uͤbel begegnet wuͤrde: einmal, weil ich mehr Hochachtung gegen ihn hegte, als gegen irgend eine Perſon auf der Welt; und hier- naͤchſt, weil es das Anſehen haben wuͤrde, als wenn ich durch eigennuͤtzige Abſichten bewogen waͤre, das von Jhm anzunehmen, was mir ſonſt kein Menſch bieten duͤrfte.
Und was, verſetzte er, ſoll mich denn bewe- gen, das von ihnen anzunehmen, was ich anneh- men muß? ‒ ‒ Haͤ, Herr?
Jn der That, Vetter Lovelace; ſagte darauf Lady Eliſabeth mit anſehnlicher Ernſthaftigkeit; wir verdienen nicht, keine von uns, wie Lady Sa- rah ſagt, daß ſie uns ſo begegnen, wie ſie thun. Sie moͤgen wiſſen, daß ich es nicht fuͤr billig hiel- te, meine, und ihrer Baſe Charlottens Ehre kraͤnken zu laſſen, damit ſie ein unſchuldiges Frau- enzimmer ungluͤcklich machen koͤnnen. Sie muß gar bald gewußt haben, was fuͤr eine gute Mey- nung wir alle von ihr hegen, und wie ſehr wir
wuͤnſch-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0218"n="212"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Meynung nach, von Rechts wegen gehoͤret, das<lb/>ſoll er nur mit ſeinen Ohren ſiegeln: dieß iſt al-<lb/>
les, mein Lord.</p><lb/><p>Nun ſchlugen ſich meine beyden Tanten ins<lb/>
Mittel.</p><lb/><p>Lady Sarah gab mir zu verſtehen, ich triebe<lb/>
die Sache ſehr weit: weder der Lord M. noch ei-<lb/>
ne von ihnen, verdiente die Begegnung von mir,<lb/>
welche ihnen widerfuͤhre.</p><lb/><p>Jch antwortete, ich haͤtte eine gedoppelte Ur-<lb/>ſache, warum ich nicht leiden koͤnnte, daß mir<lb/>
von meinem Lord uͤbel begegnet wuͤrde: einmal,<lb/>
weil ich mehr Hochachtung gegen ihn hegte, als<lb/>
gegen irgend eine Perſon auf der Welt; und hier-<lb/>
naͤchſt, weil es das Anſehen haben wuͤrde, als<lb/>
wenn ich durch eigennuͤtzige Abſichten bewogen<lb/>
waͤre, das von Jhm anzunehmen, was mir ſonſt<lb/>
kein Menſch bieten duͤrfte.</p><lb/><p>Und was, verſetzte er, ſoll mich denn bewe-<lb/>
gen, das von ihnen anzunehmen, was ich anneh-<lb/>
men muß? ‒‒ Haͤ, Herr?</p><lb/><p>Jn der That, Vetter Lovelace; ſagte darauf<lb/>
Lady Eliſabeth mit anſehnlicher Ernſthaftigkeit;<lb/>
wir verdienen nicht, keine von uns, wie Lady Sa-<lb/>
rah ſagt, daß ſie uns ſo begegnen, wie ſie thun.<lb/>
Sie moͤgen wiſſen, daß ich es nicht fuͤr billig hiel-<lb/>
te, meine, und ihrer Baſe Charlottens Ehre<lb/>
kraͤnken zu laſſen, damit ſie ein unſchuldiges Frau-<lb/>
enzimmer ungluͤcklich machen koͤnnen. Sie muß<lb/>
gar bald gewußt haben, was fuͤr eine gute Mey-<lb/>
nung wir alle von ihr hegen, und wie ſehr wir<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wuͤnſch-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[212/0218]
Meynung nach, von Rechts wegen gehoͤret, das
ſoll er nur mit ſeinen Ohren ſiegeln: dieß iſt al-
les, mein Lord.
Nun ſchlugen ſich meine beyden Tanten ins
Mittel.
Lady Sarah gab mir zu verſtehen, ich triebe
die Sache ſehr weit: weder der Lord M. noch ei-
ne von ihnen, verdiente die Begegnung von mir,
welche ihnen widerfuͤhre.
Jch antwortete, ich haͤtte eine gedoppelte Ur-
ſache, warum ich nicht leiden koͤnnte, daß mir
von meinem Lord uͤbel begegnet wuͤrde: einmal,
weil ich mehr Hochachtung gegen ihn hegte, als
gegen irgend eine Perſon auf der Welt; und hier-
naͤchſt, weil es das Anſehen haben wuͤrde, als
wenn ich durch eigennuͤtzige Abſichten bewogen
waͤre, das von Jhm anzunehmen, was mir ſonſt
kein Menſch bieten duͤrfte.
Und was, verſetzte er, ſoll mich denn bewe-
gen, das von ihnen anzunehmen, was ich anneh-
men muß? ‒ ‒ Haͤ, Herr?
Jn der That, Vetter Lovelace; ſagte darauf
Lady Eliſabeth mit anſehnlicher Ernſthaftigkeit;
wir verdienen nicht, keine von uns, wie Lady Sa-
rah ſagt, daß ſie uns ſo begegnen, wie ſie thun.
Sie moͤgen wiſſen, daß ich es nicht fuͤr billig hiel-
te, meine, und ihrer Baſe Charlottens Ehre
kraͤnken zu laſſen, damit ſie ein unſchuldiges Frau-
enzimmer ungluͤcklich machen koͤnnen. Sie muß
gar bald gewußt haben, was fuͤr eine gute Mey-
nung wir alle von ihr hegen, und wie ſehr wir
wuͤnſch-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/218>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.