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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

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sondern vielleicht ihres eignen Vortheils wegen.
Denn Fräulein Howe, denke ich, hat Ursache,
Rache von mir zu befürchten. Auch Herr Hick-
mann wird in Sicherheit seyn, wie sie sich vor-
stellen mag: wenn ich ihre geliebte Freundinn
heyrathe. Er hat sich geschäfftig genug bewiesen:
und ich habe lange gewünschet, ihm eines beyzu-
bringen - - Ueberdieß ist die Fräulein selbst in
verzweiflungsvollen Umständen in Ansehung ihrer
Freunde: und wird wahrscheinlicher Weise so
bleiben, so lange sie unverheyrathet, und ihr guter
Name widrigen Urtheilen ausgesetzet ist.

Ein Ehemann ist ein trefflicher Deckmantel,
eine Schürze von Feigenblättern, für eine Frau.
Wenn ein Frauenzimmer in ihren Freyheiten,
in denen Ausschweifungen, nach welchen ihr Herz
sich sehnet, Schutz findet - - und alle ihre Fehler,
auch die strafbaresten, wenn sie darinn entdeckt
werden sollte; ja selbst das Lächerliche in ihrer
Aufführung; auf den Mann geschoben werden
können: so ist das ja etwas unvergleichliches für
eine Frau, das sie sich wohl wünschen mag.

Allein ein Vergnügen werde ich doch haben,
wo ich heyrathe, welches mir nicht wenig ange-
nehm ist. Wenn eines Mannes Frau eine wer-
the Freundinn hat: so können hundert Freyhei-
ten gegen diese Freundinn genommen werden,
die sich sonst nicht nehmen ließen; wo das ledige
Frauenzimmer,
welches weiß, was für ein Recht
zu Freyheiten ihm die Ehe bey ihrer Freundinn
gegeben hat, sich nicht weniger Bedenken, in An-

sehung



ſondern vielleicht ihres eignen Vortheils wegen.
Denn Fraͤulein Howe, denke ich, hat Urſache,
Rache von mir zu befuͤrchten. Auch Herr Hick-
mann wird in Sicherheit ſeyn, wie ſie ſich vor-
ſtellen mag: wenn ich ihre geliebte Freundinn
heyrathe. Er hat ſich geſchaͤfftig genug bewieſen:
und ich habe lange gewuͤnſchet, ihm eines beyzu-
bringen ‒ ‒ Ueberdieß iſt die Fraͤulein ſelbſt in
verzweiflungsvollen Umſtaͤnden in Anſehung ihrer
Freunde: und wird wahrſcheinlicher Weiſe ſo
bleiben, ſo lange ſie unverheyrathet, und ihr guter
Name widrigen Urtheilen ausgeſetzet iſt.

Ein Ehemann iſt ein trefflicher Deckmantel,
eine Schuͤrze von Feigenblaͤttern, fuͤr eine Frau.
Wenn ein Frauenzimmer in ihren Freyheiten,
in denen Ausſchweifungen, nach welchen ihr Herz
ſich ſehnet, Schutz findet ‒ ‒ und alle ihre Fehler,
auch die ſtrafbareſten, wenn ſie darinn entdeckt
werden ſollte; ja ſelbſt das Laͤcherliche in ihrer
Auffuͤhrung; auf den Mann geſchoben werden
koͤnnen: ſo iſt das ja etwas unvergleichliches fuͤr
eine Frau, das ſie ſich wohl wuͤnſchen mag.

Allein ein Vergnuͤgen werde ich doch haben,
wo ich heyrathe, welches mir nicht wenig ange-
nehm iſt. Wenn eines Mannes Frau eine wer-
the Freundinn hat: ſo koͤnnen hundert Freyhei-
ten gegen dieſe Freundinn genommen werden,
die ſich ſonſt nicht nehmen ließen; wo das ledige
Frauenzimmer,
welches weiß, was fuͤr ein Recht
zu Freyheiten ihm die Ehe bey ihrer Freundinn
gegeben hat, ſich nicht weniger Bedenken, in An-

ſehung
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[237/0243] ſondern vielleicht ihres eignen Vortheils wegen. Denn Fraͤulein Howe, denke ich, hat Urſache, Rache von mir zu befuͤrchten. Auch Herr Hick- mann wird in Sicherheit ſeyn, wie ſie ſich vor- ſtellen mag: wenn ich ihre geliebte Freundinn heyrathe. Er hat ſich geſchaͤfftig genug bewieſen: und ich habe lange gewuͤnſchet, ihm eines beyzu- bringen ‒ ‒ Ueberdieß iſt die Fraͤulein ſelbſt in verzweiflungsvollen Umſtaͤnden in Anſehung ihrer Freunde: und wird wahrſcheinlicher Weiſe ſo bleiben, ſo lange ſie unverheyrathet, und ihr guter Name widrigen Urtheilen ausgeſetzet iſt. Ein Ehemann iſt ein trefflicher Deckmantel, eine Schuͤrze von Feigenblaͤttern, fuͤr eine Frau. Wenn ein Frauenzimmer in ihren Freyheiten, in denen Ausſchweifungen, nach welchen ihr Herz ſich ſehnet, Schutz findet ‒ ‒ und alle ihre Fehler, auch die ſtrafbareſten, wenn ſie darinn entdeckt werden ſollte; ja ſelbſt das Laͤcherliche in ihrer Auffuͤhrung; auf den Mann geſchoben werden koͤnnen: ſo iſt das ja etwas unvergleichliches fuͤr eine Frau, das ſie ſich wohl wuͤnſchen mag. Allein ein Vergnuͤgen werde ich doch haben, wo ich heyrathe, welches mir nicht wenig ange- nehm iſt. Wenn eines Mannes Frau eine wer- the Freundinn hat: ſo koͤnnen hundert Freyhei- ten gegen dieſe Freundinn genommen werden, die ſich ſonſt nicht nehmen ließen; wo das ledige Frauenzimmer, welches weiß, was fuͤr ein Recht zu Freyheiten ihm die Ehe bey ihrer Freundinn gegeben hat, ſich nicht weniger Bedenken, in An- ſehung

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/243>, abgerufen am 21.11.2024.