Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



sehung ihrer selbst, gegen ihn machte, als sie sich
machen sollte. Hiernächst giebt es weitläuftige
Freyheiten; soll ich sie so nennen? die sich der
Mann bey seiner Frau nehmen kann, und die nicht
ganz anstößig seyn mögen. Leidet die Frau
diese vor ihrer Freundinn Augen: so werden
sie der Freundinn zu einer Belehrung dienen.
Und kann die Freundinn dabey ohne Scheu und
Erröthung gegenwärtig seyn: so wird das einem
klugen Kerl zeigen, daß sie selbst zu gelegener
Zeit
und an gelegenem Orte eben so viel leiden
kann. Keuschheit, Bruder, ist, wie Gottse-
ligkeit,
eine sich allemal selbst vollkommen ähn-
liche Sache. Läßt ein Mägdchen einer
unziemlichen Leichtsinnigkeit, in Ansehung der
Augen, in Ansehung der Ohren, Raum und
Platz: so verlaß dich nur darauf, daß der Teufel
schon einen von seinen gespaltenen Füßen in ihrem
Herzen habe. - - Also nimm dich in acht, Hick-
mann, ich rathe es dir: ich mag heyrathen, oder
nicht.

So, Bruder, habe ich mir auf einmal alle
meine Verwandten wieder zu Freunden gemacht:
- - und, wo die Fräulein meine Hand ausschlägt,
die Schuld auf sie geschoben. Dieß, wußte ich
wohl, würde allezeit in meiner Gewalt seyn, zu
thun. Jch bezeigte mich deswegen eben so viel
stolzer gegen sie alle, damit ich mir durch meine
Willfahrung ein desto größeres Verdienst machen
könnte.

Bey



ſehung ihrer ſelbſt, gegen ihn machte, als ſie ſich
machen ſollte. Hiernaͤchſt giebt es weitlaͤuftige
Freyheiten; ſoll ich ſie ſo nennen? die ſich der
Mann bey ſeiner Frau nehmen kann, und die nicht
ganz anſtoͤßig ſeyn moͤgen. Leidet die Frau
dieſe vor ihrer Freundinn Augen: ſo werden
ſie der Freundinn zu einer Belehrung dienen.
Und kann die Freundinn dabey ohne Scheu und
Erroͤthung gegenwaͤrtig ſeyn: ſo wird das einem
klugen Kerl zeigen, daß ſie ſelbſt zu gelegener
Zeit
und an gelegenem Orte eben ſo viel leiden
kann. Keuſchheit, Bruder, iſt, wie Gottſe-
ligkeit,
eine ſich allemal ſelbſt vollkommen aͤhn-
liche Sache. Laͤßt ein Maͤgdchen einer
unziemlichen Leichtſinnigkeit, in Anſehung der
Augen, in Anſehung der Ohren, Raum und
Platz: ſo verlaß dich nur darauf, daß der Teufel
ſchon einen von ſeinen geſpaltenen Fuͤßen in ihrem
Herzen habe. ‒ ‒ Alſo nimm dich in acht, Hick-
mann, ich rathe es dir: ich mag heyrathen, oder
nicht.

So, Bruder, habe ich mir auf einmal alle
meine Verwandten wieder zu Freunden gemacht:
‒ ‒ und, wo die Fraͤulein meine Hand ausſchlaͤgt,
die Schuld auf ſie geſchoben. Dieß, wußte ich
wohl, wuͤrde allezeit in meiner Gewalt ſeyn, zu
thun. Jch bezeigte mich deswegen eben ſo viel
ſtolzer gegen ſie alle, damit ich mir durch meine
Willfahrung ein deſto groͤßeres Verdienſt machen
koͤnnte.

Bey
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0244" n="238"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;ehung <hi rendition="#fr">ihrer &#x017F;elb&#x017F;t,</hi> gegen ihn machte, als &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
machen &#x017F;ollte. Hierna&#x0364;ch&#x017F;t giebt es <hi rendition="#fr">weitla&#x0364;uftige</hi><lb/>
Freyheiten; &#x017F;oll ich &#x017F;ie &#x017F;o nennen? die &#x017F;ich der<lb/>
Mann bey &#x017F;einer Frau nehmen kann, und die nicht<lb/><hi rendition="#fr">ganz</hi> an&#x017F;to&#x0364;ßig &#x017F;eyn mo&#x0364;gen. <hi rendition="#fr">Leidet</hi> die Frau<lb/>
die&#x017F;e <hi rendition="#fr">vor ihrer Freundinn Augen:</hi> &#x017F;o werden<lb/>
&#x017F;ie <hi rendition="#fr">der Freundinn</hi> zu einer Belehrung dienen.<lb/>
Und kann die Freundinn dabey ohne Scheu und<lb/>
Erro&#x0364;thung gegenwa&#x0364;rtig &#x017F;eyn: &#x017F;o wird das einem<lb/>
klugen Kerl zeigen, daß &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t zu <hi rendition="#fr">gelegener<lb/>
Zeit</hi> und <hi rendition="#fr">an gelegenem Orte</hi> eben &#x017F;o viel <hi rendition="#fr">leiden</hi><lb/>
kann. <hi rendition="#fr">Keu&#x017F;chheit,</hi> Bruder, i&#x017F;t, wie <hi rendition="#fr">Gott&#x017F;e-<lb/>
ligkeit,</hi> eine &#x017F;ich allemal &#x017F;elb&#x017F;t vollkommen a&#x0364;hn-<lb/>
liche Sache. La&#x0364;ßt ein Ma&#x0364;gdchen einer<lb/>
unziemlichen Leicht&#x017F;innigkeit, in An&#x017F;ehung der<lb/><hi rendition="#fr">Augen,</hi> in An&#x017F;ehung der <hi rendition="#fr">Ohren,</hi> Raum und<lb/>
Platz: &#x017F;o verlaß dich nur darauf, daß der Teufel<lb/>
&#x017F;chon einen von &#x017F;einen ge&#x017F;paltenen Fu&#x0364;ßen in ihrem<lb/>
Herzen habe. &#x2012; &#x2012; Al&#x017F;o nimm dich in acht, Hick-<lb/>
mann, ich rathe es dir: ich mag heyrathen, oder<lb/>
nicht.</p><lb/>
          <p>So, Bruder, habe ich mir auf einmal alle<lb/>
meine Verwandten wieder zu Freunden gemacht:<lb/>
&#x2012; &#x2012; und, wo die Fra&#x0364;ulein meine Hand aus&#x017F;chla&#x0364;gt,<lb/>
die Schuld auf &#x017F;ie ge&#x017F;choben. Dieß, wußte ich<lb/>
wohl, wu&#x0364;rde allezeit in meiner Gewalt &#x017F;eyn, zu<lb/>
thun. Jch bezeigte mich deswegen eben &#x017F;o viel<lb/>
&#x017F;tolzer gegen &#x017F;ie alle, damit ich mir durch meine<lb/>
Willfahrung ein de&#x017F;to gro&#x0364;ßeres Verdien&#x017F;t machen<lb/>
ko&#x0364;nnte.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Bey</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[238/0244] ſehung ihrer ſelbſt, gegen ihn machte, als ſie ſich machen ſollte. Hiernaͤchſt giebt es weitlaͤuftige Freyheiten; ſoll ich ſie ſo nennen? die ſich der Mann bey ſeiner Frau nehmen kann, und die nicht ganz anſtoͤßig ſeyn moͤgen. Leidet die Frau dieſe vor ihrer Freundinn Augen: ſo werden ſie der Freundinn zu einer Belehrung dienen. Und kann die Freundinn dabey ohne Scheu und Erroͤthung gegenwaͤrtig ſeyn: ſo wird das einem klugen Kerl zeigen, daß ſie ſelbſt zu gelegener Zeit und an gelegenem Orte eben ſo viel leiden kann. Keuſchheit, Bruder, iſt, wie Gottſe- ligkeit, eine ſich allemal ſelbſt vollkommen aͤhn- liche Sache. Laͤßt ein Maͤgdchen einer unziemlichen Leichtſinnigkeit, in Anſehung der Augen, in Anſehung der Ohren, Raum und Platz: ſo verlaß dich nur darauf, daß der Teufel ſchon einen von ſeinen geſpaltenen Fuͤßen in ihrem Herzen habe. ‒ ‒ Alſo nimm dich in acht, Hick- mann, ich rathe es dir: ich mag heyrathen, oder nicht. So, Bruder, habe ich mir auf einmal alle meine Verwandten wieder zu Freunden gemacht: ‒ ‒ und, wo die Fraͤulein meine Hand ausſchlaͤgt, die Schuld auf ſie geſchoben. Dieß, wußte ich wohl, wuͤrde allezeit in meiner Gewalt ſeyn, zu thun. Jch bezeigte mich deswegen eben ſo viel ſtolzer gegen ſie alle, damit ich mir durch meine Willfahrung ein deſto groͤßeres Verdienſt machen koͤnnte. Bey

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/244
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/244>, abgerufen am 24.11.2024.