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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

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ten. So weint und klagt meine arme Tochter
beständig. Sie hat in Wahrheit ihre eigene
Glückseligkeit aus der Acht gelassen: weil sie un-
glücklich sind!

Wenn Leute, die ihr eignes Verderben su-
chen, allein für ihr starrköpfigtes Verfahren lei-
den könnten: so wäre es noch etwas. Allein,
o Fräulein, Fräulein, was haben sie zu verant-
worten: da sie eben so viele betrübte Herzen ge-
macht, als nur Leute gewesen sind, die sie ge-
kannt haben? Das ganze Geschlecht hat in der
That durch sie eine empfindliche Wunde bekom-
men. Denn wer sonst, als Fräulein Clarissa
Harlowe, wurde von allen Vätern und Müt-
tern ihren Töchtern zu einem Muster vorge-
stellet?

Jch schreibe einen langen Brief, indem ich
willens war nur wenige Worte zu sagen. Jch
wollte ihnen nur bloß verbieten, an mein Ann-
chen zu schreiben: und das so wohl, weil sie einen
solchen Fehltritt gethan haben, als weil es ihr
armes Herz nur kränken, und ihnen nichts hel-
fen wird. Wo sie ihnen also lieb ist: so schreiben
sie ihr nicht. Der traurige Brief von ihnen ist mir
in die Hände gefallen: da Annchen nicht zu Hause
gewesen, und ich werde ihn ihr nicht zeigen.
Denn sie würde kein Vergnügen davon haben,
wenn sie ihn sehen sollte, und ich auch nicht, die
ich an ihr mein Vergnügen habe. - - Wie ehe-
dem an ihnen ihre Eltern. - -

Jedoch



ten. So weint und klagt meine arme Tochter
beſtaͤndig. Sie hat in Wahrheit ihre eigene
Gluͤckſeligkeit aus der Acht gelaſſen: weil ſie un-
gluͤcklich ſind!

Wenn Leute, die ihr eignes Verderben ſu-
chen, allein fuͤr ihr ſtarrkoͤpfigtes Verfahren lei-
den koͤnnten: ſo waͤre es noch etwas. Allein,
o Fraͤulein, Fraͤulein, was haben ſie zu verant-
worten: da ſie eben ſo viele betruͤbte Herzen ge-
macht, als nur Leute geweſen ſind, die ſie ge-
kannt haben? Das ganze Geſchlecht hat in der
That durch ſie eine empfindliche Wunde bekom-
men. Denn wer ſonſt, als Fraͤulein Clariſſa
Harlowe, wurde von allen Vaͤtern und Muͤt-
tern ihren Toͤchtern zu einem Muſter vorge-
ſtellet?

Jch ſchreibe einen langen Brief, indem ich
willens war nur wenige Worte zu ſagen. Jch
wollte ihnen nur bloß verbieten, an mein Ann-
chen zu ſchreiben: und das ſo wohl, weil ſie einen
ſolchen Fehltritt gethan haben, als weil es ihr
armes Herz nur kraͤnken, und ihnen nichts hel-
fen wird. Wo ſie ihnen alſo lieb iſt: ſo ſchreiben
ſie ihr nicht. Der traurige Brief von ihnen iſt mir
in die Haͤnde gefallen: da Annchen nicht zu Hauſe
geweſen, und ich werde ihn ihr nicht zeigen.
Denn ſie wuͤrde kein Vergnuͤgen davon haben,
wenn ſie ihn ſehen ſollte, und ich auch nicht, die
ich an ihr mein Vergnuͤgen habe. ‒ ‒ Wie ehe-
dem an ihnen ihre Eltern. ‒ ‒

Jedoch
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[20/0026] ten. So weint und klagt meine arme Tochter beſtaͤndig. Sie hat in Wahrheit ihre eigene Gluͤckſeligkeit aus der Acht gelaſſen: weil ſie un- gluͤcklich ſind! Wenn Leute, die ihr eignes Verderben ſu- chen, allein fuͤr ihr ſtarrkoͤpfigtes Verfahren lei- den koͤnnten: ſo waͤre es noch etwas. Allein, o Fraͤulein, Fraͤulein, was haben ſie zu verant- worten: da ſie eben ſo viele betruͤbte Herzen ge- macht, als nur Leute geweſen ſind, die ſie ge- kannt haben? Das ganze Geſchlecht hat in der That durch ſie eine empfindliche Wunde bekom- men. Denn wer ſonſt, als Fraͤulein Clariſſa Harlowe, wurde von allen Vaͤtern und Muͤt- tern ihren Toͤchtern zu einem Muſter vorge- ſtellet? Jch ſchreibe einen langen Brief, indem ich willens war nur wenige Worte zu ſagen. Jch wollte ihnen nur bloß verbieten, an mein Ann- chen zu ſchreiben: und das ſo wohl, weil ſie einen ſolchen Fehltritt gethan haben, als weil es ihr armes Herz nur kraͤnken, und ihnen nichts hel- fen wird. Wo ſie ihnen alſo lieb iſt: ſo ſchreiben ſie ihr nicht. Der traurige Brief von ihnen iſt mir in die Haͤnde gefallen: da Annchen nicht zu Hauſe geweſen, und ich werde ihn ihr nicht zeigen. Denn ſie wuͤrde kein Vergnuͤgen davon haben, wenn ſie ihn ſehen ſollte, und ich auch nicht, die ich an ihr mein Vergnuͤgen habe. ‒ ‒ Wie ehe- dem an ihnen ihre Eltern. ‒ ‒ Jedoch

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/26>, abgerufen am 21.11.2024.