Unglück, worinn sie zu seyn scheinen. Solch eine Hoffnungsvolle junge Fräulein, als sie wa- ren! - - Aber sehen sie, was der Ungehorsam gegen Eltern nach sich ziehet!
Jch meines Theils habe zwar Mitleiden mit ihnen: jedoch habe ich noch mehr Mitleiden mit ihrem armen Vater und ihrer armen Mutter. Wie wohl haben diese sie erzogen! Wie schön hatten sie zugenommen! Was für Vergnügen machten ihre Eltern sich aus ihnen! - - Und nun fällt alles so aus! - -
Aber, ich bitte, Fräulein, machen sie nicht, daß auch mein Annchen ihres Fehlers, des Un- gehorsams, schuldig werde. Jch habe ihr ein- mal über das andere ernstlich befohlen, mit einer Person, die einen so unbesonnenen Schritt ge- than hat, keine Briefe zu wechseln. Es gereicht ihr nicht zur Ehre, bin ich versichert. Sie haben gewußt, daß ich ihr dieß befohlen hatte: und doch setzen sie beyde ihren Briefwechsel fort, zu meinem größten Verdrusse; denn sie ist mehr als einmal recht wunderlich darüber gewesen. Böser Umgang, oder böse Gemeinschaft, Fräulein - - Sie wissen, wie es weiter heißt.
Hier können keine Leute für sich selbst un- glücklich seyn: sondern sie müssen auch ihre Freunde und Bekannte, die sich durch ihre Vor- sichtigkeit von den Fehlern derselben frey und rein erhalten haben, mit sich beynahe in eben so großes Unglück ziehen, als wenn sie sich durch ihren eignen Kopf in gleiches Unheil gestürzt hät-
ten.
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Ungluͤck, worinn ſie zu ſeyn ſcheinen. Solch eine Hoffnungsvolle junge Fraͤulein, als ſie wa- ren! ‒ ‒ Aber ſehen ſie, was der Ungehorſam gegen Eltern nach ſich ziehet!
Jch meines Theils habe zwar Mitleiden mit ihnen: jedoch habe ich noch mehr Mitleiden mit ihrem armen Vater und ihrer armen Mutter. Wie wohl haben dieſe ſie erzogen! Wie ſchoͤn hatten ſie zugenommen! Was fuͤr Vergnuͤgen machten ihre Eltern ſich aus ihnen! ‒ ‒ Und nun faͤllt alles ſo aus! ‒ ‒
Aber, ich bitte, Fraͤulein, machen ſie nicht, daß auch mein Annchen ihres Fehlers, des Un- gehorſams, ſchuldig werde. Jch habe ihr ein- mal uͤber das andere ernſtlich befohlen, mit einer Perſon, die einen ſo unbeſonnenen Schritt ge- than hat, keine Briefe zu wechſeln. Es gereicht ihr nicht zur Ehre, bin ich verſichert. Sie haben gewußt, daß ich ihr dieß befohlen hatte: und doch ſetzen ſie beyde ihren Briefwechſel fort, zu meinem groͤßten Verdruſſe; denn ſie iſt mehr als einmal recht wunderlich daruͤber geweſen. Boͤſer Umgang, oder boͤſe Gemeinſchaft, Fraͤulein ‒ ‒ Sie wiſſen, wie es weiter heißt.
Hier koͤnnen keine Leute fuͤr ſich ſelbſt un- gluͤcklich ſeyn: ſondern ſie muͤſſen auch ihre Freunde und Bekannte, die ſich durch ihre Vor- ſichtigkeit von den Fehlern derſelben frey und rein erhalten haben, mit ſich beynahe in eben ſo großes Ungluͤck ziehen, als wenn ſie ſich durch ihren eignen Kopf in gleiches Unheil geſtuͤrzt haͤt-
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Ungluͤck, worinn ſie zu ſeyn ſcheinen. Solch
eine Hoffnungsvolle junge Fraͤulein, als ſie wa-
ren! ‒ ‒ Aber ſehen ſie, was der Ungehorſam
gegen Eltern nach ſich ziehet!
Jch meines Theils habe zwar Mitleiden mit
ihnen: jedoch habe ich noch mehr Mitleiden mit
ihrem armen Vater und ihrer armen Mutter.
Wie wohl haben dieſe ſie erzogen! Wie ſchoͤn
hatten ſie zugenommen! Was fuͤr Vergnuͤgen
machten ihre Eltern ſich aus ihnen! ‒ ‒ Und nun
faͤllt alles ſo aus! ‒ ‒
Aber, ich bitte, Fraͤulein, machen ſie nicht,
daß auch mein Annchen ihres Fehlers, des Un-
gehorſams, ſchuldig werde. Jch habe ihr ein-
mal uͤber das andere ernſtlich befohlen, mit einer
Perſon, die einen ſo unbeſonnenen Schritt ge-
than hat, keine Briefe zu wechſeln. Es gereicht
ihr nicht zur Ehre, bin ich verſichert. Sie
haben gewußt, daß ich ihr dieß befohlen hatte:
und doch ſetzen ſie beyde ihren Briefwechſel fort,
zu meinem groͤßten Verdruſſe; denn ſie iſt mehr
als einmal recht wunderlich daruͤber geweſen.
Boͤſer Umgang, oder boͤſe Gemeinſchaft,
Fraͤulein ‒ ‒ Sie wiſſen, wie es weiter heißt.
Hier koͤnnen keine Leute fuͤr ſich ſelbſt un-
gluͤcklich ſeyn: ſondern ſie muͤſſen auch ihre
Freunde und Bekannte, die ſich durch ihre Vor-
ſichtigkeit von den Fehlern derſelben frey und
rein erhalten haben, mit ſich beynahe in eben ſo
großes Ungluͤck ziehen, als wenn ſie ſich durch
ihren eignen Kopf in gleiches Unheil geſtuͤrzt haͤt-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/25>, abgerufen am 21.11.2024.
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