Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Siehe, Lovelace, was dieß für verfluchte
Teufel sind. Dieß, wissen wir, ist der Weg, wie
manches unschuldiges Herz verleitet ist, sich erst
einem zu Gefallen, und dann für die ganze Stadt,
halten zu lassen. Aber daß solche nichts-
würdige Weibsbilder mit einem solchen Engel,
als dieß ist, so zu Werke gehen sollten! - - Wie
würde sich die teuflische Sarah gefreuet haben:
wenn sie den geringsten Anlaß gehabt hätte, dir
zu erzählen, daß dieser Wink mit einem horchen-
den Ohr, oder nicht unwilligen Gemüthe, aufge-
nommen wäre.

Herr, sprach die Fräulein, mit dem größten
Unwillen, zu dem Gerichtsdiener, habt ihr mir
nicht gestern Abends gesagt, daß es euch eben so
viel zustünde, mich vor anderer Gewalt und
Spott zu beschützen, als mich zu bewahren, daß
ich nicht davon gienge? - - Kann mir nicht er-
laubt seyn, zu sehen, wen es mir beliebt, und de-
nen, die mir nicht gefallen, den Zutritt zu mir zu
versagen?

Jhre Gläubiger, Madame, werden vermu-
then, daß sie zu ihnen kommen dürfen.

Nein: wenn ich mich erkläre, daß ich mich
in keine Unterhandlung mit ihnen einlassen
will.

So wird man sie ins Gefängniß schicken,
Madame.

Gefängniß, Freund! - - Wofür giebst du
denn dein Haus aus?

Für kein Gefängniß, Madame.

Was


Siehe, Lovelace, was dieß fuͤr verfluchte
Teufel ſind. Dieß, wiſſen wir, iſt der Weg, wie
manches unſchuldiges Herz verleitet iſt, ſich erſt
einem zu Gefallen, und dann fuͤr die ganze Stadt,
halten zu laſſen. Aber daß ſolche nichts-
wuͤrdige Weibsbilder mit einem ſolchen Engel,
als dieß iſt, ſo zu Werke gehen ſollten! ‒ ‒ Wie
wuͤrde ſich die teufliſche Sarah gefreuet haben:
wenn ſie den geringſten Anlaß gehabt haͤtte, dir
zu erzaͤhlen, daß dieſer Wink mit einem horchen-
den Ohr, oder nicht unwilligen Gemuͤthe, aufge-
nommen waͤre.

Herr, ſprach die Fraͤulein, mit dem groͤßten
Unwillen, zu dem Gerichtsdiener, habt ihr mir
nicht geſtern Abends geſagt, daß es euch eben ſo
viel zuſtuͤnde, mich vor anderer Gewalt und
Spott zu beſchuͤtzen, als mich zu bewahren, daß
ich nicht davon gienge? ‒ ‒ Kann mir nicht er-
laubt ſeyn, zu ſehen, wen es mir beliebt, und de-
nen, die mir nicht gefallen, den Zutritt zu mir zu
verſagen?

Jhre Glaͤubiger, Madame, werden vermu-
then, daß ſie zu ihnen kommen duͤrfen.

Nein: wenn ich mich erklaͤre, daß ich mich
in keine Unterhandlung mit ihnen einlaſſen
will.

So wird man ſie ins Gefaͤngniß ſchicken,
Madame.

Gefaͤngniß, Freund! ‒ ‒ Wofuͤr giebſt du
denn dein Haus aus?

Fuͤr kein Gefaͤngniß, Madame.

Was
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0296" n="290"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Siehe, Lovelace, was dieß fu&#x0364;r verfluchte<lb/>
Teufel &#x017F;ind. Dieß, wi&#x017F;&#x017F;en wir, i&#x017F;t der Weg, wie<lb/>
manches un&#x017F;chuldiges Herz verleitet i&#x017F;t, &#x017F;ich er&#x017F;t<lb/>
einem zu Gefallen, und dann fu&#x0364;r die ganze Stadt,<lb/>
halten zu la&#x017F;&#x017F;en. Aber daß &#x017F;olche nichts-<lb/>
wu&#x0364;rdige Weibsbilder mit einem &#x017F;olchen Engel,<lb/>
als dieß i&#x017F;t, &#x017F;o zu Werke gehen &#x017F;ollten! &#x2012; &#x2012; Wie<lb/>
wu&#x0364;rde &#x017F;ich die teufli&#x017F;che Sarah gefreuet haben:<lb/>
wenn &#x017F;ie den gering&#x017F;ten Anlaß gehabt ha&#x0364;tte, dir<lb/>
zu erza&#x0364;hlen, daß die&#x017F;er Wink mit einem horchen-<lb/>
den Ohr, oder nicht unwilligen Gemu&#x0364;the, aufge-<lb/>
nommen wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <p>Herr, &#x017F;prach die Fra&#x0364;ulein, mit dem gro&#x0364;ßten<lb/>
Unwillen, zu dem Gerichtsdiener, habt ihr mir<lb/>
nicht ge&#x017F;tern Abends ge&#x017F;agt, daß es euch eben &#x017F;o<lb/>
viel zu&#x017F;tu&#x0364;nde, mich vor anderer Gewalt und<lb/>
Spott zu be&#x017F;chu&#x0364;tzen, als mich zu bewahren, daß<lb/>
ich nicht davon gienge? &#x2012; &#x2012; Kann mir nicht er-<lb/>
laubt &#x017F;eyn, zu &#x017F;ehen, wen es mir beliebt, und de-<lb/>
nen, die mir nicht gefallen, den Zutritt zu mir zu<lb/>
ver&#x017F;agen?</p><lb/>
          <p>Jhre Gla&#x0364;ubiger, Madame, werden vermu-<lb/>
then, daß &#x017F;ie zu ihnen kommen du&#x0364;rfen.</p><lb/>
          <p>Nein: wenn ich mich erkla&#x0364;re, daß ich mich<lb/>
in keine Unterhandlung mit ihnen einla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
will.</p><lb/>
          <p>So wird man &#x017F;ie ins Gefa&#x0364;ngniß &#x017F;chicken,<lb/>
Madame.</p><lb/>
          <p>Gefa&#x0364;ngniß, Freund! &#x2012; &#x2012; Wofu&#x0364;r gieb&#x017F;t du<lb/>
denn dein Haus aus?</p><lb/>
          <p>Fu&#x0364;r kein Gefa&#x0364;ngniß, Madame.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Was</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[290/0296] Siehe, Lovelace, was dieß fuͤr verfluchte Teufel ſind. Dieß, wiſſen wir, iſt der Weg, wie manches unſchuldiges Herz verleitet iſt, ſich erſt einem zu Gefallen, und dann fuͤr die ganze Stadt, halten zu laſſen. Aber daß ſolche nichts- wuͤrdige Weibsbilder mit einem ſolchen Engel, als dieß iſt, ſo zu Werke gehen ſollten! ‒ ‒ Wie wuͤrde ſich die teufliſche Sarah gefreuet haben: wenn ſie den geringſten Anlaß gehabt haͤtte, dir zu erzaͤhlen, daß dieſer Wink mit einem horchen- den Ohr, oder nicht unwilligen Gemuͤthe, aufge- nommen waͤre. Herr, ſprach die Fraͤulein, mit dem groͤßten Unwillen, zu dem Gerichtsdiener, habt ihr mir nicht geſtern Abends geſagt, daß es euch eben ſo viel zuſtuͤnde, mich vor anderer Gewalt und Spott zu beſchuͤtzen, als mich zu bewahren, daß ich nicht davon gienge? ‒ ‒ Kann mir nicht er- laubt ſeyn, zu ſehen, wen es mir beliebt, und de- nen, die mir nicht gefallen, den Zutritt zu mir zu verſagen? Jhre Glaͤubiger, Madame, werden vermu- then, daß ſie zu ihnen kommen duͤrfen. Nein: wenn ich mich erklaͤre, daß ich mich in keine Unterhandlung mit ihnen einlaſſen will. So wird man ſie ins Gefaͤngniß ſchicken, Madame. Gefaͤngniß, Freund! ‒ ‒ Wofuͤr giebſt du denn dein Haus aus? Fuͤr kein Gefaͤngniß, Madame. Was

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/296
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/296>, abgerufen am 22.11.2024.