wohl noch eine solche Gelegenheit haben, als dieß gewesen ist, mir alle diese Betrachtungen ins Gewissen zu schieben?
Wer kann auch hiernächst von frommen Personen und gottseligen Dingen schreiben und sie bewundern: und doch auf die Zeit nicht ernsthaft werden; wo er der Beschaffenheit die- ser Gegenstände gemäß schreibet? - - Und hier- aus mögen wir abnehmen, was für ein Vortheil es für den sittlichen Zustand der Menschen seyn müsse, gute Gesellschaft zu halten: da diejenigen, welche nur böse Gesellschaft haben, nothwendig immer mehr und mehr verhärten und verhärtet werden müssen.
Es ist zwölf Uhr am Sonntage in der Nacht - - Jch kann an nichts, als an diese vortreffliche Fräulein gedenken. Jhre Unglücksfälle nehmen meinen ganzen Kopf und mein ganzes Herz ein. Jch bin auf eine Viertelstunde schläfrig gewesen: aber der Anfall ist vorbeygegangen. Also will ich die traurige Erzählung aus den Nachrichten der nichtswürdigen Weibsleute fortsetzen. Jn dem Besuch, den ich ablegen soll, wo ich mor- gen vorgelassen werde, darf ich wohl sagen, wird genug vorfallen, in Ansehung der Umstände, worinn ich sie aller Vermuthung nach antreffen muß, was ich dir durch deinen Bedienten über- schreiben kann.
Nach-
T 3
wohl noch eine ſolche Gelegenheit haben, als dieß geweſen iſt, mir alle dieſe Betrachtungen ins Gewiſſen zu ſchieben?
Wer kann auch hiernaͤchſt von frommen Perſonen und gottſeligen Dingen ſchreiben und ſie bewundern: und doch auf die Zeit nicht ernſthaft werden; wo er der Beſchaffenheit die- ſer Gegenſtaͤnde gemaͤß ſchreibet? ‒ ‒ Und hier- aus moͤgen wir abnehmen, was fuͤr ein Vortheil es fuͤr den ſittlichen Zuſtand der Menſchen ſeyn muͤſſe, gute Geſellſchaft zu halten: da diejenigen, welche nur boͤſe Geſellſchaft haben, nothwendig immer mehr und mehr verhaͤrten und verhaͤrtet werden muͤſſen.
Es iſt zwoͤlf Uhr am Sonntage in der Nacht ‒ ‒ Jch kann an nichts, als an dieſe vortreffliche Fraͤulein gedenken. Jhre Ungluͤcksfaͤlle nehmen meinen ganzen Kopf und mein ganzes Herz ein. Jch bin auf eine Viertelſtunde ſchlaͤfrig geweſen: aber der Anfall iſt vorbeygegangen. Alſo will ich die traurige Erzaͤhlung aus den Nachrichten der nichtswuͤrdigen Weibsleute fortſetzen. Jn dem Beſuch, den ich ablegen ſoll, wo ich mor- gen vorgelaſſen werde, darf ich wohl ſagen, wird genug vorfallen, in Anſehung der Umſtaͤnde, worinn ich ſie aller Vermuthung nach antreffen muß, was ich dir durch deinen Bedienten uͤber- ſchreiben kann.
Nach-
T 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0299"n="293"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
wohl noch eine ſolche Gelegenheit haben, <hirendition="#fr">als<lb/>
dieß geweſen iſt,</hi> mir alle dieſe Betrachtungen<lb/>
ins Gewiſſen zu ſchieben?</p><lb/><p>Wer kann auch hiernaͤchſt von frommen<lb/>
Perſonen und gottſeligen Dingen ſchreiben und<lb/><hirendition="#fr">ſie bewundern:</hi> und doch auf die Zeit nicht<lb/>
ernſthaft werden; wo er der Beſchaffenheit die-<lb/>ſer Gegenſtaͤnde gemaͤß ſchreibet? ‒‒ Und hier-<lb/>
aus moͤgen wir abnehmen, was fuͤr ein Vortheil<lb/>
es fuͤr den ſittlichen Zuſtand der Menſchen ſeyn<lb/>
muͤſſe, <hirendition="#fr">gute</hi> Geſellſchaft zu halten: da diejenigen,<lb/>
welche nur boͤſe Geſellſchaft haben, nothwendig<lb/>
immer mehr und mehr verhaͤrten und verhaͤrtet<lb/>
werden muͤſſen.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Es iſt zwoͤlf Uhr am Sonntage in der Nacht<lb/>‒‒ Jch kann an nichts, als an dieſe vortreffliche<lb/>
Fraͤulein gedenken. Jhre Ungluͤcksfaͤlle nehmen<lb/>
meinen ganzen Kopf und mein ganzes Herz ein.<lb/>
Jch bin auf eine Viertelſtunde ſchlaͤfrig geweſen:<lb/>
aber der Anfall iſt vorbeygegangen. Alſo will<lb/>
ich die traurige Erzaͤhlung aus den Nachrichten<lb/>
der nichtswuͤrdigen Weibsleute fortſetzen. Jn<lb/>
dem Beſuch, den ich ablegen ſoll, wo ich mor-<lb/>
gen vorgelaſſen werde, darf ich wohl ſagen, wird<lb/>
genug vorfallen, in Anſehung der Umſtaͤnde,<lb/>
worinn ich ſie aller Vermuthung nach antreffen<lb/>
muß, was ich dir durch deinen Bedienten uͤber-<lb/>ſchreiben kann.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">T 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">Nach-</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[293/0299]
wohl noch eine ſolche Gelegenheit haben, als
dieß geweſen iſt, mir alle dieſe Betrachtungen
ins Gewiſſen zu ſchieben?
Wer kann auch hiernaͤchſt von frommen
Perſonen und gottſeligen Dingen ſchreiben und
ſie bewundern: und doch auf die Zeit nicht
ernſthaft werden; wo er der Beſchaffenheit die-
ſer Gegenſtaͤnde gemaͤß ſchreibet? ‒ ‒ Und hier-
aus moͤgen wir abnehmen, was fuͤr ein Vortheil
es fuͤr den ſittlichen Zuſtand der Menſchen ſeyn
muͤſſe, gute Geſellſchaft zu halten: da diejenigen,
welche nur boͤſe Geſellſchaft haben, nothwendig
immer mehr und mehr verhaͤrten und verhaͤrtet
werden muͤſſen.
Es iſt zwoͤlf Uhr am Sonntage in der Nacht
‒ ‒ Jch kann an nichts, als an dieſe vortreffliche
Fraͤulein gedenken. Jhre Ungluͤcksfaͤlle nehmen
meinen ganzen Kopf und mein ganzes Herz ein.
Jch bin auf eine Viertelſtunde ſchlaͤfrig geweſen:
aber der Anfall iſt vorbeygegangen. Alſo will
ich die traurige Erzaͤhlung aus den Nachrichten
der nichtswuͤrdigen Weibsleute fortſetzen. Jn
dem Beſuch, den ich ablegen ſoll, wo ich mor-
gen vorgelaſſen werde, darf ich wohl ſagen, wird
genug vorfallen, in Anſehung der Umſtaͤnde,
worinn ich ſie aller Vermuthung nach antreffen
muß, was ich dir durch deinen Bedienten uͤber-
ſchreiben kann.
Nach-
T 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/299>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.