Welt gelitten hätte. Der Schimpf, daß sie auf der Gasse ergriffen wäre, da eine Menge von Leu- ten um sie herum gewesen, und ärgerliche Be- schuldigungen ihre Ohren beleidigt hätten, hätten sie in der That sehr gerühret. Aber das wäre vorbey - - Alles würde auch bald vorbey seyn! - - Sie würde noch weit gesetzter seyn: wenn sie nicht die Furcht, einen Kerl und ein Weib zu sehen, und hinterlistiger, oder gewaltsamer Wei- se wieder in das schändlichste Haus von der Welt gebracht zu werden, daran hinderte.
Wäre es denn nicht besser, dem Anerbieten der beyden artigen Frauenzimmer, daß sie Bürg- schast ihretwegen stellen wollten, Gehör zu geben? - - Sie könnten ihr sagen, daß es ein sehr güti- ges Erbieten wäre, und das man nicht alle Tage anträffe.
Sie glaubte es.
Vielleicht möchten die Jungfern ihr darum nachsehen, daß sie nicht wieder in das Haus zu- rückgehen dürfte, gegen welches sie einen so gro- ßen Widerwillen hegte. Auch was ferner den ansehn lichen Herrn beträffe, der geneigt wäre, al- les mit ihren Gläubigern auf eine ihr selbst be- liebige Verschreibung, abzuthun: so wäre es ih- nen sehr seltsam vorgekommen, daß sie einen so edelmüthigen Vorschlag nicht einmal geachtet hätte.
Haben euch die beyden Jungfern erzählt, wer der Herr wäre? - - Oder haben sie sonst etwas mehr von der Sache gesagt?
Ja!
T 4
Welt gelitten haͤtte. Der Schimpf, daß ſie auf der Gaſſe ergriffen waͤre, da eine Menge von Leu- ten um ſie herum geweſen, und aͤrgerliche Be- ſchuldigungen ihre Ohren beleidigt haͤtten, haͤtten ſie in der That ſehr geruͤhret. Aber das waͤre vorbey ‒ ‒ Alles wuͤrde auch bald vorbey ſeyn! ‒ ‒ Sie wuͤrde noch weit geſetzter ſeyn: wenn ſie nicht die Furcht, einen Kerl und ein Weib zu ſehen, und hinterliſtiger, oder gewaltſamer Wei- ſe wieder in das ſchaͤndlichſte Haus von der Welt gebracht zu werden, daran hinderte.
Waͤre es denn nicht beſſer, dem Anerbieten der beyden artigen Frauenzimmer, daß ſie Buͤrg- ſchaſt ihretwegen ſtellen wollten, Gehoͤr zu geben? ‒ ‒ Sie koͤnnten ihr ſagen, daß es ein ſehr guͤti- ges Erbieten waͤre, und das man nicht alle Tage antraͤffe.
Sie glaubte es.
Vielleicht moͤchten die Jungfern ihr darum nachſehen, daß ſie nicht wieder in das Haus zu- ruͤckgehen duͤrfte, gegen welches ſie einen ſo gro- ßen Widerwillen hegte. Auch was ferner den anſehn lichen Herrn betraͤffe, der geneigt waͤre, al- les mit ihren Glaͤubigern auf eine ihr ſelbſt be- liebige Verſchreibung, abzuthun: ſo waͤre es ih- nen ſehr ſeltſam vorgekommen, daß ſie einen ſo edelmuͤthigen Vorſchlag nicht einmal geachtet haͤtte.
Haben euch die beyden Jungfern erzaͤhlt, wer der Herr waͤre? ‒ ‒ Oder haben ſie ſonſt etwas mehr von der Sache geſagt?
Ja!
T 4
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Welt gelitten haͤtte. Der Schimpf, daß ſie auf
der Gaſſe ergriffen waͤre, da eine Menge von Leu-
ten um ſie herum geweſen, und aͤrgerliche Be-
ſchuldigungen ihre Ohren beleidigt haͤtten, haͤtten
ſie in der That ſehr geruͤhret. Aber das waͤre
vorbey ‒ ‒ Alles wuͤrde auch bald vorbey ſeyn!
‒ ‒ Sie wuͤrde noch weit geſetzter ſeyn: wenn
ſie nicht die Furcht, einen Kerl und ein Weib zu
ſehen, und hinterliſtiger, oder gewaltſamer Wei-
ſe wieder in das ſchaͤndlichſte Haus von der Welt
gebracht zu werden, daran hinderte.
Waͤre es denn nicht beſſer, dem Anerbieten
der beyden artigen Frauenzimmer, daß ſie Buͤrg-
ſchaſt ihretwegen ſtellen wollten, Gehoͤr zu geben?
‒ ‒ Sie koͤnnten ihr ſagen, daß es ein ſehr guͤti-
ges Erbieten waͤre, und das man nicht alle Tage
antraͤffe.
Sie glaubte es.
Vielleicht moͤchten die Jungfern ihr darum
nachſehen, daß ſie nicht wieder in das Haus zu-
ruͤckgehen duͤrfte, gegen welches ſie einen ſo gro-
ßen Widerwillen hegte. Auch was ferner den
anſehn lichen Herrn betraͤffe, der geneigt waͤre, al-
les mit ihren Glaͤubigern auf eine ihr ſelbſt be-
liebige Verſchreibung, abzuthun: ſo waͤre es ih-
nen ſehr ſeltſam vorgekommen, daß ſie einen ſo
edelmuͤthigen Vorſchlag nicht einmal geachtet
haͤtte.
Haben euch die beyden Jungfern erzaͤhlt,
wer der Herr waͤre? ‒ ‒ Oder haben ſie ſonſt
etwas mehr von der Sache geſagt?
Ja!
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/301>, abgerufen am 22.11.2024.
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