liche Grausamkeit so empfindlich war, als Cä- sarn der Stich von seinem Liebling, Brutus!
Ob sie gleich so sehr in Unordnung war: so dachte ich doch, daß ich diese Gewogenheit nicht vor- beylassen wollte, eure Unschuld an diesem schänd- lichen Verhaft zu betheuren.
Man kann den unglücklichen Menschen un- möglich in irgend einer von den ehrlosen Hand- lungen gegen sie vertheidigen, gnädige Fräulein: aber an dieser letzten Gewaltthätigkeit ist er, bey allem, was gut und heilig heißt, unschuldig!
O elende Leute! Wie seltsam ist das männ- liche Geschlecht! - - Führen sie denn alle eine Sprache? Was gut und heilig heißt! - - Wo sie einen Eid, oder ein Gelübde, oder eine Be- schwörung finden können, mein Herr, wodurch meine Ohren nicht zwanzig mal an einem Tage beleidigt sind: so mögen sie dieselbe aussprechen; und dann mag ich wieder einer Mannsperson glauben.
Diese Worte rührten mich über alle Maaße: weil ich wußte, wie niederträchtig du gewesen warest, und was sie deswegen für Ursache hatte, so zu reden.
Aber sagen sie, mein Herr; denn mich deucht, ich wollte gern, daß der elende Mensch nicht ei- ner so pöbelhaften Niederträchtigkeit fähig seyn möchte! - - Sagen sie, daß er an dieser letzten Schandthat unschuldig sey? Können sie das mit Wahrheit sagen?
So wahr Gott im Himmel lebt! - -
Ey,
liche Grauſamkeit ſo empfindlich war, als Caͤ- ſarn der Stich von ſeinem Liebling, Brutus!
Ob ſie gleich ſo ſehr in Unordnung war: ſo dachte ich doch, daß ich dieſe Gewogenheit nicht vor- beylaſſen wollte, eure Unſchuld an dieſem ſchaͤnd- lichen Verhaft zu betheuren.
Man kann den ungluͤcklichen Menſchen un- moͤglich in irgend einer von den ehrloſen Hand- lungen gegen ſie vertheidigen, gnaͤdige Fraͤulein: aber an dieſer letzten Gewaltthaͤtigkeit iſt er, bey allem, was gut und heilig heißt, unſchuldig!
O elende Leute! Wie ſeltſam iſt das maͤnn- liche Geſchlecht! ‒ ‒ Fuͤhren ſie denn alle eine Sprache? Was gut und heilig heißt! ‒ ‒ Wo ſie einen Eid, oder ein Geluͤbde, oder eine Be- ſchwoͤrung finden koͤnnen, mein Herr, wodurch meine Ohren nicht zwanzig mal an einem Tage beleidigt ſind: ſo moͤgen ſie dieſelbe ausſprechen; und dann mag ich wieder einer Mannsperſon glauben.
Dieſe Worte ruͤhrten mich uͤber alle Maaße: weil ich wußte, wie niedertraͤchtig du geweſen wareſt, und was ſie deswegen fuͤr Urſache hatte, ſo zu reden.
Aber ſagen ſie, mein Herr; denn mich deucht, ich wollte gern, daß der elende Menſch nicht ei- ner ſo poͤbelhaften Niedertraͤchtigkeit faͤhig ſeyn moͤchte! ‒ ‒ Sagen ſie, daß er an dieſer letzten Schandthat unſchuldig ſey? Koͤnnen ſie das mit Wahrheit ſagen?
So wahr Gott im Himmel lebt! ‒ ‒
Ey,
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liche Grauſamkeit ſo empfindlich war, als Caͤ-
ſarn der Stich von ſeinem Liebling, Brutus!
Ob ſie gleich ſo ſehr in Unordnung war: ſo
dachte ich doch, daß ich dieſe Gewogenheit nicht vor-
beylaſſen wollte, eure Unſchuld an dieſem ſchaͤnd-
lichen Verhaft zu betheuren.
Man kann den ungluͤcklichen Menſchen un-
moͤglich in irgend einer von den ehrloſen Hand-
lungen gegen ſie vertheidigen, gnaͤdige Fraͤulein:
aber an dieſer letzten Gewaltthaͤtigkeit iſt er, bey
allem, was gut und heilig heißt, unſchuldig!
O elende Leute! Wie ſeltſam iſt das maͤnn-
liche Geſchlecht! ‒ ‒ Fuͤhren ſie denn alle eine
Sprache? Was gut und heilig heißt! ‒ ‒ Wo
ſie einen Eid, oder ein Geluͤbde, oder eine Be-
ſchwoͤrung finden koͤnnen, mein Herr, wodurch
meine Ohren nicht zwanzig mal an einem Tage
beleidigt ſind: ſo moͤgen ſie dieſelbe ausſprechen;
und dann mag ich wieder einer Mannsperſon
glauben.
Dieſe Worte ruͤhrten mich uͤber alle Maaße:
weil ich wußte, wie niedertraͤchtig du geweſen
wareſt, und was ſie deswegen fuͤr Urſache hatte,
ſo zu reden.
Aber ſagen ſie, mein Herr; denn mich deucht,
ich wollte gern, daß der elende Menſch nicht ei-
ner ſo poͤbelhaften Niedertraͤchtigkeit faͤhig ſeyn
moͤchte! ‒ ‒ Sagen ſie, daß er an dieſer letzten
Schandthat unſchuldig ſey? Koͤnnen ſie das mit
Wahrheit ſagen?
So wahr Gott im Himmel lebt! ‒ ‒
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/339>, abgerufen am 22.11.2024.
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