Ey, mein Herr, wo sie schwören: so muß ich ein Mistrauen in sie setzen. - - Halten sie selbst ihr Wort für unzulänglich: wie kann ich mich denn auf ihren Eid verlassen! - - O daß mir diese Erfahrung nicht so theuer zu stehen gekom- men wäre! Sollte ich aber tausend Jahr leben: so würde ich allemal die Wahrhaftigkeit eines Schwörers für verdächtig halten. Entschuldi- gen sie mich, mein Herr! Allein ist es wohl glaub- lich, daß derjenige, welcher so frey mit seinem Gott verfähret, sich bey seinen Mitgeschöpfen über irgend etwas, das zu seinem Zweck dienen mag, ein Bedenken machen werde?
Dieß war ein sehr rührender Verweis.
Jch halte auf mein Wort, gnädige Fräu- lein, sprach ich; ich halte darauf, wie einem Ca- vallier zustehet: und wo ich es ihnen jemals breche - -
Zürnen sie nicht über mich, mein Herr. Es geht mir nahe, daß ich die Wahrheitsliebe eines Cavalliers in Zweifel ziehen soll. Aber ihr Freund nennt sich einen Cavallier - - Sie wissen nicht, was ich von einem. Cavallier gelit- ten habe. - - Und darauf weinte sie wieder.
Jch würde ihnen vollkommenen Beweis ge- ben, gnädige Fräulein, wenn es ihre Betrübniß und ihr niedergeschlagenes Gemüth litte, daß er an dieser unmenschlichen Schandthat kein Theil hat, und sie so übel empfindet, als sie billig zu empfinden ist.
Es
Ey, mein Herr, wo ſie ſchwoͤren: ſo muß ich ein Mistrauen in ſie ſetzen. ‒ ‒ Halten ſie ſelbſt ihr Wort fuͤr unzulaͤnglich: wie kann ich mich denn auf ihren Eid verlaſſen! ‒ ‒ O daß mir dieſe Erfahrung nicht ſo theuer zu ſtehen gekom- men waͤre! Sollte ich aber tauſend Jahr leben: ſo wuͤrde ich allemal die Wahrhaftigkeit eines Schwoͤrers fuͤr verdaͤchtig halten. Entſchuldi- gen ſie mich, mein Herr! Allein iſt es wohl glaub- lich, daß derjenige, welcher ſo frey mit ſeinem Gott verfaͤhret, ſich bey ſeinen Mitgeſchoͤpfen uͤber irgend etwas, das zu ſeinem Zweck dienen mag, ein Bedenken machen werde?
Dieß war ein ſehr ruͤhrender Verweis.
Jch halte auf mein Wort, gnaͤdige Fraͤu- lein, ſprach ich; ich halte darauf, wie einem Ca- vallier zuſtehet: und wo ich es ihnen jemals breche ‒ ‒
Zuͤrnen ſie nicht uͤber mich, mein Herr. Es geht mir nahe, daß ich die Wahrheitsliebe eines Cavalliers in Zweifel ziehen ſoll. Aber ihr Freund nennt ſich einen Cavallier ‒ ‒ Sie wiſſen nicht, was ich von einem. Cavallier gelit- ten habe. ‒ ‒ Und darauf weinte ſie wieder.
Jch wuͤrde ihnen vollkommenen Beweis ge- ben, gnaͤdige Fraͤulein, wenn es ihre Betruͤbniß und ihr niedergeſchlagenes Gemuͤth litte, daß er an dieſer unmenſchlichen Schandthat kein Theil hat, und ſie ſo uͤbel empfindet, als ſie billig zu empfinden iſt.
Es
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Ey, mein Herr, wo ſie ſchwoͤren: ſo muß ich
ein Mistrauen in ſie ſetzen. ‒ ‒ Halten ſie ſelbſt
ihr Wort fuͤr unzulaͤnglich: wie kann ich mich
denn auf ihren Eid verlaſſen! ‒ ‒ O daß mir
dieſe Erfahrung nicht ſo theuer zu ſtehen gekom-
men waͤre! Sollte ich aber tauſend Jahr leben:
ſo wuͤrde ich allemal die Wahrhaftigkeit eines
Schwoͤrers fuͤr verdaͤchtig halten. Entſchuldi-
gen ſie mich, mein Herr! Allein iſt es wohl glaub-
lich, daß derjenige, welcher ſo frey mit ſeinem
Gott verfaͤhret, ſich bey ſeinen Mitgeſchoͤpfen
uͤber irgend etwas, das zu ſeinem Zweck dienen
mag, ein Bedenken machen werde?
Dieß war ein ſehr ruͤhrender Verweis.
Jch halte auf mein Wort, gnaͤdige Fraͤu-
lein, ſprach ich; ich halte darauf, wie einem Ca-
vallier zuſtehet: und wo ich es ihnen jemals
breche ‒ ‒
Zuͤrnen ſie nicht uͤber mich, mein Herr. Es
geht mir nahe, daß ich die Wahrheitsliebe eines
Cavalliers in Zweifel ziehen ſoll. Aber ihr
Freund nennt ſich einen Cavallier ‒ ‒ Sie
wiſſen nicht, was ich von einem. Cavallier gelit-
ten habe. ‒ ‒ Und darauf weinte ſie wieder.
Jch wuͤrde ihnen vollkommenen Beweis ge-
ben, gnaͤdige Fraͤulein, wenn es ihre Betruͤbniß
und ihr niedergeſchlagenes Gemuͤth litte, daß er
an dieſer unmenſchlichen Schandthat kein Theil
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empfinden iſt.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/340>, abgerufen am 22.11.2024.
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