Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



ben. Jch willigte mit Vergnügen darein: und
hierauf erklärte sie sich, daß sie die Sänfte, wel-
che ich ihr angeboten hätte, annehmen wollte.

Jch ging hinaus: und bediente mich der
Gelegenheit, mich gegen Rowland und seine
Magd gütlich zu beweisen. Denn die Fräulein
hatte in Betrachtung dessen, was sie waren, an
ihrem Bezeigen nichts auszusetzen: und der Kerl
scheint jämmerlich arm zu seyn. Jch schickte
auch nach dem Apotheker, der eben so arm ist,
als der Kerkermeister; ja ich darf wohl sagen,
noch ärmer, in Ansehung der Wissenschaft, die zu
seinem Geschäffte erfordert wird; und befriedigte
ihn besser, als er gehoffet hatte.

Die Fräulein versuchte, nachdem ich weg-
gegangen war, die Briefe zu lesen, welche ich ihr
gebracht hatte. Aber sie konnte nur ein kleines
Stück von dem einen lesen, und gerieth über den-
selben sehr in Bewegung.

Sie vermeldete dem Weibe, daß sie alsobald
Gelegenheit nehmen wollte, ihrer aller Mühe zu
vergütigen, und den Apotheker zu befriedigen,
welcher seine Rechnung zu ihrer Wohnung sen-
den möchte.

Der Magd gab sie etwas: vermuthlich die
einzige halbe Guinea, die sie hatte. Und sodann
kam sie mit großer Mühe die Treppen hinunter:
indem ihre Füße unter ihr zitterten, und Row-
lands Weib ihr zu einer Stütze diente.

Jch reichte ihr meinen Arm. Sie ließ sich
gefallen, sich darauf zu lehnen. Jch besorge,

mein



ben. Jch willigte mit Vergnuͤgen darein: und
hierauf erklaͤrte ſie ſich, daß ſie die Saͤnfte, wel-
che ich ihr angeboten haͤtte, annehmen wollte.

Jch ging hinaus: und bediente mich der
Gelegenheit, mich gegen Rowland und ſeine
Magd guͤtlich zu beweiſen. Denn die Fraͤulein
hatte in Betrachtung deſſen, was ſie waren, an
ihrem Bezeigen nichts auszuſetzen: und der Kerl
ſcheint jaͤmmerlich arm zu ſeyn. Jch ſchickte
auch nach dem Apotheker, der eben ſo arm iſt,
als der Kerkermeiſter; ja ich darf wohl ſagen,
noch aͤrmer, in Anſehung der Wiſſenſchaft, die zu
ſeinem Geſchaͤffte erfordert wird; und befriedigte
ihn beſſer, als er gehoffet hatte.

Die Fraͤulein verſuchte, nachdem ich weg-
gegangen war, die Briefe zu leſen, welche ich ihr
gebracht hatte. Aber ſie konnte nur ein kleines
Stuͤck von dem einen leſen, und gerieth uͤber den-
ſelben ſehr in Bewegung.

Sie vermeldete dem Weibe, daß ſie alſobald
Gelegenheit nehmen wollte, ihrer aller Muͤhe zu
verguͤtigen, und den Apotheker zu befriedigen,
welcher ſeine Rechnung zu ihrer Wohnung ſen-
den moͤchte.

Der Magd gab ſie etwas: vermuthlich die
einzige halbe Guinea, die ſie hatte. Und ſodann
kam ſie mit großer Muͤhe die Treppen hinunter:
indem ihre Fuͤße unter ihr zitterten, und Row-
lands Weib ihr zu einer Stuͤtze diente.

Jch reichte ihr meinen Arm. Sie ließ ſich
gefallen, ſich darauf zu lehnen. Jch beſorge,

mein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0344" n="338"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ben. Jch willigte mit Vergnu&#x0364;gen darein: und<lb/>
hierauf erkla&#x0364;rte &#x017F;ie &#x017F;ich, daß &#x017F;ie die Sa&#x0364;nfte, wel-<lb/>
che ich ihr angeboten ha&#x0364;tte, annehmen wollte.</p><lb/>
          <p>Jch ging hinaus: und bediente mich der<lb/>
Gelegenheit, mich gegen Rowland und &#x017F;eine<lb/>
Magd gu&#x0364;tlich zu bewei&#x017F;en. Denn die Fra&#x0364;ulein<lb/>
hatte in Betrachtung de&#x017F;&#x017F;en, was &#x017F;ie <hi rendition="#fr">waren,</hi> an<lb/>
ihrem Bezeigen nichts auszu&#x017F;etzen: und der Kerl<lb/>
&#x017F;cheint ja&#x0364;mmerlich arm zu &#x017F;eyn. Jch &#x017F;chickte<lb/>
auch nach dem Apotheker, der eben &#x017F;o arm i&#x017F;t,<lb/>
als der Kerkermei&#x017F;ter; ja ich darf wohl &#x017F;agen,<lb/>
noch a&#x0364;rmer, in An&#x017F;ehung der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, die zu<lb/>
&#x017F;einem Ge&#x017F;cha&#x0364;ffte erfordert wird; und befriedigte<lb/>
ihn be&#x017F;&#x017F;er, als er gehoffet hatte.</p><lb/>
          <p>Die Fra&#x0364;ulein ver&#x017F;uchte, nachdem ich weg-<lb/>
gegangen war, die Briefe zu le&#x017F;en, welche ich ihr<lb/>
gebracht hatte. Aber &#x017F;ie konnte nur ein kleines<lb/>
Stu&#x0364;ck von dem einen le&#x017F;en, und gerieth u&#x0364;ber den-<lb/>
&#x017F;elben &#x017F;ehr in Bewegung.</p><lb/>
          <p>Sie vermeldete dem Weibe, daß &#x017F;ie al&#x017F;obald<lb/>
Gelegenheit nehmen wollte, ihrer aller Mu&#x0364;he zu<lb/>
vergu&#x0364;tigen, und den Apotheker zu befriedigen,<lb/>
welcher &#x017F;eine Rechnung zu ihrer Wohnung &#x017F;en-<lb/>
den mo&#x0364;chte.</p><lb/>
          <p>Der Magd gab &#x017F;ie etwas: vermuthlich die<lb/>
einzige halbe Guinea, die &#x017F;ie hatte. Und &#x017F;odann<lb/>
kam &#x017F;ie mit großer Mu&#x0364;he die Treppen hinunter:<lb/>
indem ihre Fu&#x0364;ße unter ihr zitterten, und Row-<lb/>
lands Weib ihr zu einer Stu&#x0364;tze diente.</p><lb/>
          <p>Jch reichte ihr meinen Arm. Sie ließ &#x017F;ich<lb/>
gefallen, &#x017F;ich darauf zu lehnen. Jch be&#x017F;orge,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mein</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[338/0344] ben. Jch willigte mit Vergnuͤgen darein: und hierauf erklaͤrte ſie ſich, daß ſie die Saͤnfte, wel- che ich ihr angeboten haͤtte, annehmen wollte. Jch ging hinaus: und bediente mich der Gelegenheit, mich gegen Rowland und ſeine Magd guͤtlich zu beweiſen. Denn die Fraͤulein hatte in Betrachtung deſſen, was ſie waren, an ihrem Bezeigen nichts auszuſetzen: und der Kerl ſcheint jaͤmmerlich arm zu ſeyn. Jch ſchickte auch nach dem Apotheker, der eben ſo arm iſt, als der Kerkermeiſter; ja ich darf wohl ſagen, noch aͤrmer, in Anſehung der Wiſſenſchaft, die zu ſeinem Geſchaͤffte erfordert wird; und befriedigte ihn beſſer, als er gehoffet hatte. Die Fraͤulein verſuchte, nachdem ich weg- gegangen war, die Briefe zu leſen, welche ich ihr gebracht hatte. Aber ſie konnte nur ein kleines Stuͤck von dem einen leſen, und gerieth uͤber den- ſelben ſehr in Bewegung. Sie vermeldete dem Weibe, daß ſie alſobald Gelegenheit nehmen wollte, ihrer aller Muͤhe zu verguͤtigen, und den Apotheker zu befriedigen, welcher ſeine Rechnung zu ihrer Wohnung ſen- den moͤchte. Der Magd gab ſie etwas: vermuthlich die einzige halbe Guinea, die ſie hatte. Und ſodann kam ſie mit großer Muͤhe die Treppen hinunter: indem ihre Fuͤße unter ihr zitterten, und Row- lands Weib ihr zu einer Stuͤtze diente. Jch reichte ihr meinen Arm. Sie ließ ſich gefallen, ſich darauf zu lehnen. Jch beſorge, mein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/344
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/344>, abgerufen am 22.11.2024.