mein Herr, sprach sie im Gehen, daß ich unhöf- lich gegen sie gewesen bin: allein, wenn sie alles wüßten; so würden sie mir vergeben.
Jch weiß genug, gnädige Fräulein, mich zu überführen, daß keine so unbefleckte Tugend und Ehre in irgend einem Frauenzimmer auf der Welt ist, und keines, mit dem so unmenschlich umgegangen wäre.
Sie sahe mich sehr ernstlich an. Was sie denken mochte, das kann ich nicht sagen: aber überhaupt habe ich niemals so viel Geist in eines Frauenzimmers Augen gesehen, als in ihren.
Jch befahl meinem Bedienten, der wegen der Trauer weniger dafür angesehen werden konnte, und der Fräulein nicht vor Augen gekom- men war, die Sänfte im Gesichte zu behalten, und mir Nachricht zu bringen, wie sie sich be- fände, wenn sie ausstiege. Der Kerl hatte den Einfall eben in den Laden zu treten, ehe die Sänf- te hineinkam, unter dem Vorwand, Schnupfta- back zu kaufen: und also war er im Stande, mir eine Nachricht zu geben, daß sie von der gu- ten Frauen im Hause mit großer Freude empfan- gen worden, und diese ihr gesagt hätte, sie wäre eben erst zu Hause gekommen und im Begriff gewesen, ihr in High-Holborn aufzuwarten - - O Frau Smithen, waren die Worte der Fräu- lein, so bald sie dieselbe sahe, dachten sie nicht, daß ich davon gelaufen wäre? - - Sie wissen nicht, was ich ausgestanden habe, seit dem ich sie zu- letzt gesehen. Jch bin in einem Gefängnisse ge-
wesen!
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mein Herr, ſprach ſie im Gehen, daß ich unhoͤf- lich gegen ſie geweſen bin: allein, wenn ſie alles wuͤßten; ſo wuͤrden ſie mir vergeben.
Jch weiß genug, gnaͤdige Fraͤulein, mich zu uͤberfuͤhren, daß keine ſo unbefleckte Tugend und Ehre in irgend einem Frauenzimmer auf der Welt iſt, und keines, mit dem ſo unmenſchlich umgegangen waͤre.
Sie ſahe mich ſehr ernſtlich an. Was ſie denken mochte, das kann ich nicht ſagen: aber uͤberhaupt habe ich niemals ſo viel Geiſt in eines Frauenzimmers Augen geſehen, als in ihren.
Jch befahl meinem Bedienten, der wegen der Trauer weniger dafuͤr angeſehen werden konnte, und der Fraͤulein nicht vor Augen gekom- men war, die Saͤnfte im Geſichte zu behalten, und mir Nachricht zu bringen, wie ſie ſich be- faͤnde, wenn ſie ausſtiege. Der Kerl hatte den Einfall eben in den Laden zu treten, ehe die Saͤnf- te hineinkam, unter dem Vorwand, Schnupfta- back zu kaufen: und alſo war er im Stande, mir eine Nachricht zu geben, daß ſie von der gu- ten Frauen im Hauſe mit großer Freude empfan- gen worden, und dieſe ihr geſagt haͤtte, ſie waͤre eben erſt zu Hauſe gekommen und im Begriff geweſen, ihr in High-Holborn aufzuwarten ‒ ‒ O Frau Smithen, waren die Worte der Fraͤu- lein, ſo bald ſie dieſelbe ſahe, dachten ſie nicht, daß ich davon gelaufen waͤre? ‒ ‒ Sie wiſſen nicht, was ich ausgeſtanden habe, ſeit dem ich ſie zu- letzt geſehen. Jch bin in einem Gefaͤngniſſe ge-
weſen!
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mein Herr, ſprach ſie im Gehen, daß ich unhoͤf-
lich gegen ſie geweſen bin: allein, wenn ſie alles
wuͤßten; ſo wuͤrden ſie mir vergeben.
Jch weiß genug, gnaͤdige Fraͤulein, mich zu
uͤberfuͤhren, daß keine ſo unbefleckte Tugend und
Ehre in irgend einem Frauenzimmer auf der
Welt iſt, und keines, mit dem ſo unmenſchlich
umgegangen waͤre.
Sie ſahe mich ſehr ernſtlich an. Was ſie
denken mochte, das kann ich nicht ſagen: aber
uͤberhaupt habe ich niemals ſo viel Geiſt in eines
Frauenzimmers Augen geſehen, als in ihren.
Jch befahl meinem Bedienten, der wegen
der Trauer weniger dafuͤr angeſehen werden
konnte, und der Fraͤulein nicht vor Augen gekom-
men war, die Saͤnfte im Geſichte zu behalten,
und mir Nachricht zu bringen, wie ſie ſich be-
faͤnde, wenn ſie ausſtiege. Der Kerl hatte den
Einfall eben in den Laden zu treten, ehe die Saͤnf-
te hineinkam, unter dem Vorwand, Schnupfta-
back zu kaufen: und alſo war er im Stande,
mir eine Nachricht zu geben, daß ſie von der gu-
ten Frauen im Hauſe mit großer Freude empfan-
gen worden, und dieſe ihr geſagt haͤtte, ſie waͤre
eben erſt zu Hauſe gekommen und im Begriff
geweſen, ihr in High-Holborn aufzuwarten ‒ ‒
O Frau Smithen, waren die Worte der Fraͤu-
lein, ſo bald ſie dieſelbe ſahe, dachten ſie nicht,
daß ich davon gelaufen waͤre? ‒ ‒ Sie wiſſen
nicht, was ich ausgeſtanden habe, ſeit dem ich ſie zu-
letzt geſehen. Jch bin in einem Gefaͤngniſſe ge-
weſen!
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/345>, abgerufen am 22.11.2024.
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