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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

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Leuten bin: so habe ich an Hanna Burton ge-
schrieben, daß sie zu mir komme und bey mir sey.
Wo Sie das gute Mädchen etwa sehen sollten:
so bereden Sie dasselbe, ich bitte Sie, zu mir zu
kommen. Jch bin allezeit willens gewesen, mei-
ne Hanna bey mir zu haben; das weiß sie wohl - -
aber ich hoffete, ich würde in glücklichern Umstän-
den seyn.

Sagen Sie keinen von meinen Freunden, daß
Sie von mir gehöret haben.

Glauben Sie, daß mein Vater, wenn ich ihm
schriftlich darum anflehete, sich gewinnen lassen
würde, den schweren Fluch, den er bey meinem
Abgange von Harlowe-Burg auf mich geleget,
von mir zu nehmen? - - Jch kann sonst keine
Gewogenheit von ihm erwarten: aber da sein
Fluch, in Ansehung aller glücklichen Umstände,
die ich in diesem Leben vor mir sahe, selbst nach
dem Buchstaben erfüllet ist; so hoffe ich, man
werde denken, daß er Wirkung genug gehabt
habe.

Jch befürchte, daß meine Armen, wie ich
die guten Leute zu nennen gewohnet war, de-
ren Nothdurft ich durch Jhre treue Hände zu
statten zu kommen pflegte, mich seit einiger Zeit
vermisset haben. Aber nun bin ich, leider!
selbst arm. Es macht mir mein Vergehen und
meine Reue nicht wenig schwerer, daß ich, bey
solchen Neigungen, als mir Gott gegeben hat,
mich selbst außer Stande gesetzt habe, das Gute
zu thun, wozu ich vormals mit Vergnügen geboh-

ren



Leuten bin: ſo habe ich an Hanna Burton ge-
ſchrieben, daß ſie zu mir komme und bey mir ſey.
Wo Sie das gute Maͤdchen etwa ſehen ſollten:
ſo bereden Sie daſſelbe, ich bitte Sie, zu mir zu
kommen. Jch bin allezeit willens geweſen, mei-
ne Hanna bey mir zu haben; das weiß ſie wohl ‒ ‒
aber ich hoffete, ich wuͤrde in gluͤcklichern Umſtaͤn-
den ſeyn.

Sagen Sie keinen von meinen Freunden, daß
Sie von mir gehoͤret haben.

Glauben Sie, daß mein Vater, wenn ich ihm
ſchriftlich darum anflehete, ſich gewinnen laſſen
wuͤrde, den ſchweren Fluch, den er bey meinem
Abgange von Harlowe-Burg auf mich geleget,
von mir zu nehmen? ‒ ‒ Jch kann ſonſt keine
Gewogenheit von ihm erwarten: aber da ſein
Fluch, in Anſehung aller gluͤcklichen Umſtaͤnde,
die ich in dieſem Leben vor mir ſahe, ſelbſt nach
dem Buchſtaben erfuͤllet iſt; ſo hoffe ich, man
werde denken, daß er Wirkung genug gehabt
habe.

Jch befuͤrchte, daß meine Armen, wie ich
die guten Leute zu nennen gewohnet war, de-
ren Nothdurft ich durch Jhre treue Haͤnde zu
ſtatten zu kommen pflegte, mich ſeit einiger Zeit
vermiſſet haben. Aber nun bin ich, leider!
ſelbſt arm. Es macht mir mein Vergehen und
meine Reue nicht wenig ſchwerer, daß ich, bey
ſolchen Neigungen, als mir Gott gegeben hat,
mich ſelbſt außer Stande geſetzt habe, das Gute
zu thun, wozu ich vormals mit Vergnuͤgen geboh-

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[29/0035] Leuten bin: ſo habe ich an Hanna Burton ge- ſchrieben, daß ſie zu mir komme und bey mir ſey. Wo Sie das gute Maͤdchen etwa ſehen ſollten: ſo bereden Sie daſſelbe, ich bitte Sie, zu mir zu kommen. Jch bin allezeit willens geweſen, mei- ne Hanna bey mir zu haben; das weiß ſie wohl ‒ ‒ aber ich hoffete, ich wuͤrde in gluͤcklichern Umſtaͤn- den ſeyn. Sagen Sie keinen von meinen Freunden, daß Sie von mir gehoͤret haben. Glauben Sie, daß mein Vater, wenn ich ihm ſchriftlich darum anflehete, ſich gewinnen laſſen wuͤrde, den ſchweren Fluch, den er bey meinem Abgange von Harlowe-Burg auf mich geleget, von mir zu nehmen? ‒ ‒ Jch kann ſonſt keine Gewogenheit von ihm erwarten: aber da ſein Fluch, in Anſehung aller gluͤcklichen Umſtaͤnde, die ich in dieſem Leben vor mir ſahe, ſelbſt nach dem Buchſtaben erfuͤllet iſt; ſo hoffe ich, man werde denken, daß er Wirkung genug gehabt habe. Jch befuͤrchte, daß meine Armen, wie ich die guten Leute zu nennen gewohnet war, de- ren Nothdurft ich durch Jhre treue Haͤnde zu ſtatten zu kommen pflegte, mich ſeit einiger Zeit vermiſſet haben. Aber nun bin ich, leider! ſelbſt arm. Es macht mir mein Vergehen und meine Reue nicht wenig ſchwerer, daß ich, bey ſolchen Neigungen, als mir Gott gegeben hat, mich ſelbſt außer Stande geſetzt habe, das Gute zu thun, wozu ich vormals mit Vergnuͤgen geboh- ren

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/35>, abgerufen am 21.11.2024.