Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



ihn zu zeigen. Aber sie bestand so ernstlich dar-
auf, daß ich einige Stellen davon zu lesen unter-
nahm, und diejenigen, woran das meiste auszu-
setzen war, vorbeyzulassen schlüßig wurde.

Jch weiß wohl, du wirst deswegen auf mich
fluchen. Allein ich hielte es für besser, ihr darinn
gefällig zu seyn, als selbst verdächtig zu werden,
und es so dann nicht in meiner Gewalt zu ha-
ben, dir bey ihr zu dienen: da schon ein so guter
Grund geleget war, und sie eben so viel böses von
dir weiß, als ich ihr erzählen kann.

Du erinnerst dich vermuthlich des Jnhalts
von deinem rasenden Briefe (*). Jhre Anmer-
kungen über die verschiednen Stellen von demsel-
ben, welche ich ihr vorlas, waren folgende:

Ueber deine ersten Zeilen, Alles zunichte!
zunichte, beym Jupiter! - - Henker, Bru-
der, was soll ich nun machen! Ein Fiuch
treffe alle meine Ränke und Kunstgriffe!

drückte sie sich so aus:

"O wie leichtsinnig ist das Herz, wie wenig
"wird es durch das Gefühl von seinen eignen
"Verbrechen gerühret, das diesen freydenkerischen
"Schaum in die Feder geben konnte!

Der Absatz, worinn des schändlichen Ver-
hafts Erwähnung geschiehet, rührete sie nicht
wenig.

Jn dem folgenden ließ ich deinen Fluch über
deine Anverwandten, die du bedienen mußt st,

vor-
(*) Siehe den vorhergehenden XXXVII Brief.
Z 2



ihn zu zeigen. Aber ſie beſtand ſo ernſtlich dar-
auf, daß ich einige Stellen davon zu leſen unter-
nahm, und diejenigen, woran das meiſte auszu-
ſetzen war, vorbeyzulaſſen ſchluͤßig wurde.

Jch weiß wohl, du wirſt deswegen auf mich
fluchen. Allein ich hielte es fuͤr beſſer, ihr darinn
gefaͤllig zu ſeyn, als ſelbſt verdaͤchtig zu werden,
und es ſo dann nicht in meiner Gewalt zu ha-
ben, dir bey ihr zu dienen: da ſchon ein ſo guter
Grund geleget war, und ſie eben ſo viel boͤſes von
dir weiß, als ich ihr erzaͤhlen kann.

Du erinnerſt dich vermuthlich des Jnhalts
von deinem raſenden Briefe (*). Jhre Anmer-
kungen uͤber die verſchiednen Stellen von demſel-
ben, welche ich ihr vorlas, waren folgende:

Ueber deine erſten Zeilen, Alles zunichte!
zunichte, beym Jupiter! ‒ ‒ Henker, Bru-
der, was ſoll ich nun machen! Ein Fiuch
treffe alle meine Raͤnke und Kunſtgriffe!

druͤckte ſie ſich ſo aus:

„O wie leichtſinnig iſt das Herz, wie wenig
„wird es durch das Gefuͤhl von ſeinen eignen
„Verbrechen geruͤhret, das dieſen freydenkeriſchen
„Schaum in die Feder geben konnte!

Der Abſatz, worinn des ſchaͤndlichen Ver-
hafts Erwaͤhnung geſchiehet, ruͤhrete ſie nicht
wenig.

Jn dem folgenden ließ ich deinen Fluch uͤber
deine Anverwandten, die du bedienen mußt ſt,

vor-
(*) Siehe den vorhergehenden XXXVII Brief.
Z 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0361" n="355"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ihn zu zeigen. Aber &#x017F;ie be&#x017F;tand &#x017F;o ern&#x017F;tlich dar-<lb/>
auf, daß ich einige Stellen davon zu le&#x017F;en unter-<lb/>
nahm, und diejenigen, woran das mei&#x017F;te auszu-<lb/>
&#x017F;etzen war, vorbeyzula&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chlu&#x0364;ßig wurde.</p><lb/>
          <p>Jch weiß wohl, du wir&#x017F;t deswegen auf mich<lb/>
fluchen. Allein ich hielte es fu&#x0364;r be&#x017F;&#x017F;er, ihr darinn<lb/>
gefa&#x0364;llig zu &#x017F;eyn, als &#x017F;elb&#x017F;t verda&#x0364;chtig zu werden,<lb/>
und es &#x017F;o dann nicht in meiner Gewalt zu ha-<lb/>
ben, dir bey ihr zu dienen: da &#x017F;chon ein &#x017F;o guter<lb/>
Grund geleget war, und &#x017F;ie eben &#x017F;o viel bo&#x0364;&#x017F;es von<lb/>
dir weiß, als ich ihr erza&#x0364;hlen kann.</p><lb/>
          <p>Du erinner&#x017F;t dich vermuthlich des Jnhalts<lb/>
von deinem ra&#x017F;enden Briefe <note place="foot" n="(*)">Siehe den vorhergehenden <hi rendition="#aq">XXXVII</hi> Brief.</note>. Jhre Anmer-<lb/>
kungen u&#x0364;ber die ver&#x017F;chiednen Stellen von dem&#x017F;el-<lb/>
ben, welche ich ihr vorlas, waren folgende:</p><lb/>
          <p>Ueber deine er&#x017F;ten Zeilen, <hi rendition="#fr">Alles zunichte!<lb/>
zunichte, beym Jupiter! &#x2012; &#x2012; Henker, Bru-<lb/>
der, was &#x017F;oll ich nun machen! Ein Fiuch<lb/>
treffe alle meine Ra&#x0364;nke und Kun&#x017F;tgriffe!</hi><lb/>
dru&#x0364;ckte &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;o aus:</p><lb/>
          <p>&#x201E;O wie leicht&#x017F;innig i&#x017F;t das Herz, wie wenig<lb/>
&#x201E;wird es durch das Gefu&#x0364;hl von &#x017F;einen eignen<lb/>
&#x201E;Verbrechen geru&#x0364;hret, das die&#x017F;en freydenkeri&#x017F;chen<lb/>
&#x201E;Schaum in die Feder geben konnte!</p><lb/>
          <p>Der Ab&#x017F;atz, worinn des &#x017F;cha&#x0364;ndlichen Ver-<lb/>
hafts Erwa&#x0364;hnung ge&#x017F;chiehet, ru&#x0364;hrete &#x017F;ie nicht<lb/>
wenig.</p><lb/>
          <p>Jn dem folgenden ließ ich deinen Fluch u&#x0364;ber<lb/>
deine Anverwandten, die du bedienen mußt &#x017F;t,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Z 2</fw><fw place="bottom" type="catch">vor-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[355/0361] ihn zu zeigen. Aber ſie beſtand ſo ernſtlich dar- auf, daß ich einige Stellen davon zu leſen unter- nahm, und diejenigen, woran das meiſte auszu- ſetzen war, vorbeyzulaſſen ſchluͤßig wurde. Jch weiß wohl, du wirſt deswegen auf mich fluchen. Allein ich hielte es fuͤr beſſer, ihr darinn gefaͤllig zu ſeyn, als ſelbſt verdaͤchtig zu werden, und es ſo dann nicht in meiner Gewalt zu ha- ben, dir bey ihr zu dienen: da ſchon ein ſo guter Grund geleget war, und ſie eben ſo viel boͤſes von dir weiß, als ich ihr erzaͤhlen kann. Du erinnerſt dich vermuthlich des Jnhalts von deinem raſenden Briefe (*). Jhre Anmer- kungen uͤber die verſchiednen Stellen von demſel- ben, welche ich ihr vorlas, waren folgende: Ueber deine erſten Zeilen, Alles zunichte! zunichte, beym Jupiter! ‒ ‒ Henker, Bru- der, was ſoll ich nun machen! Ein Fiuch treffe alle meine Raͤnke und Kunſtgriffe! druͤckte ſie ſich ſo aus: „O wie leichtſinnig iſt das Herz, wie wenig „wird es durch das Gefuͤhl von ſeinen eignen „Verbrechen geruͤhret, das dieſen freydenkeriſchen „Schaum in die Feder geben konnte! Der Abſatz, worinn des ſchaͤndlichen Ver- hafts Erwaͤhnung geſchiehet, ruͤhrete ſie nicht wenig. Jn dem folgenden ließ ich deinen Fluch uͤber deine Anverwandten, die du bedienen mußt ſt, vor- (*) Siehe den vorhergehenden XXXVII Brief. Z 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/361
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/361>, abgerufen am 24.11.2024.