Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



"Jch finde, mein Herr, nach diesem Ausdruck,
"daß er allezeit Absichten wider mich geheget,
"und daß sie von Zeit zu Zeit darum gewußt ha-
"ben. O hätten sie doch die Güte gehabt, einen
"Weg zu suchen, wodurch ihre eigne Sicherheit
"nicht in Gefahr gerathen wäre, um mir von sei-
"ner niederträchtigen Gesinnung Nachricht zu
"geben: da sie dieselbe nicht billigten! Aber sie,
"als ein Cavallier, vermuthe ich, hätten lieber
"ein unschuldiges Mitgeschöpfe unglücklich ge-
"macht gesehen, als daß sie zu einer solchen Hand-
"lung aufgelegt scheinen wollten, welche, so edel-
"müthig sie auch wäre, wahrscheinlicher Weise
"die Bande einer gottlosen Freundschaft zerrissen
"haben möchte.

Nach dieser harten, aber gerechten Erinne-
rung, hätte ich gern das folgende nicht gelesen:
ob ich es gleich unversehens angefangen hatte.
Allein sie hielte mich dazu an. Was wollte
ich nun darum geben, daß ich euch nicht
umsonst eure Fürsprache hätte thun lassen!

Und dieß war dabey ihre Anmerkung: "So se-
"hen sie, mein Herr, wenn sie das glückliche
"Werkzeug gewesen wären, die mir zugedachten
"Uebel zu verhindern, daß sie von ihrem Freun-
"de selbst Dank dafür verdient haben würden,
"nachdem er zur Ueberlegung gekommen wäre.
"Dieß Vergnügen, bin ich versichert, wird mit
"der Zeit ein jeder haben, der die Tugend aus-
"übet, gottlosen Absichten zu widerstehen, oder
"vorzubeugen. Jch war ihnen verpflichtet sehe

"ich



„Jch finde, mein Herr, nach dieſem Ausdruck,
„daß er allezeit Abſichten wider mich geheget,
„und daß ſie von Zeit zu Zeit darum gewußt ha-
„ben. O haͤtten ſie doch die Guͤte gehabt, einen
„Weg zu ſuchen, wodurch ihre eigne Sicherheit
„nicht in Gefahr gerathen waͤre, um mir von ſei-
„ner niedertraͤchtigen Geſinnung Nachricht zu
„geben: da ſie dieſelbe nicht billigten! Aber ſie,
„als ein Cavallier, vermuthe ich, haͤtten lieber
„ein unſchuldiges Mitgeſchoͤpfe ungluͤcklich ge-
„macht geſehen, als daß ſie zu einer ſolchen Hand-
„lung aufgelegt ſcheinen wollten, welche, ſo edel-
„muͤthig ſie auch waͤre, wahrſcheinlicher Weiſe
„die Bande einer gottloſen Freundſchaft zerriſſen
„haben moͤchte.

Nach dieſer harten, aber gerechten Erinne-
rung, haͤtte ich gern das folgende nicht geleſen:
ob ich es gleich unverſehens angefangen hatte.
Allein ſie hielte mich dazu an. Was wollte
ich nun darum geben, daß ich euch nicht
umſonſt eure Fuͤrſprache haͤtte thun laſſen!

Und dieß war dabey ihre Anmerkung: „So ſe-
„hen ſie, mein Herr, wenn ſie das gluͤckliche
„Werkzeug geweſen waͤren, die mir zugedachten
„Uebel zu verhindern, daß ſie von ihrem Freun-
„de ſelbſt Dank dafuͤr verdient haben wuͤrden,
„nachdem er zur Ueberlegung gekommen waͤre.
„Dieß Vergnuͤgen, bin ich verſichert, wird mit
„der Zeit ein jeder haben, der die Tugend aus-
„uͤbet, gottloſen Abſichten zu widerſtehen, oder
„vorzubeugen. Jch war ihnen verpflichtet ſehe

ich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0364" n="358"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x201E;Jch finde, mein Herr, nach die&#x017F;em Ausdruck,<lb/>
&#x201E;daß er allezeit Ab&#x017F;ichten wider mich geheget,<lb/>
&#x201E;und daß &#x017F;ie von Zeit zu Zeit darum gewußt ha-<lb/>
&#x201E;ben. O ha&#x0364;tten &#x017F;ie doch die Gu&#x0364;te gehabt, einen<lb/>
&#x201E;Weg zu &#x017F;uchen, wodurch ihre eigne Sicherheit<lb/>
&#x201E;nicht in Gefahr gerathen wa&#x0364;re, um mir von &#x017F;ei-<lb/>
&#x201E;ner niedertra&#x0364;chtigen Ge&#x017F;innung Nachricht zu<lb/>
&#x201E;geben: da &#x017F;ie die&#x017F;elbe nicht billigten! Aber &#x017F;ie,<lb/>
&#x201E;als ein Cavallier, vermuthe ich, ha&#x0364;tten lieber<lb/>
&#x201E;ein un&#x017F;chuldiges Mitge&#x017F;cho&#x0364;pfe unglu&#x0364;cklich ge-<lb/>
&#x201E;macht ge&#x017F;ehen, als daß &#x017F;ie zu einer &#x017F;olchen Hand-<lb/>
&#x201E;lung aufgelegt &#x017F;cheinen wollten, welche, &#x017F;o edel-<lb/>
&#x201E;mu&#x0364;thig &#x017F;ie auch wa&#x0364;re, wahr&#x017F;cheinlicher Wei&#x017F;e<lb/>
&#x201E;die Bande einer gottlo&#x017F;en Freund&#x017F;chaft zerri&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x201E;haben mo&#x0364;chte.</p><lb/>
          <p>Nach die&#x017F;er harten, aber gerechten Erinne-<lb/>
rung, ha&#x0364;tte ich gern das folgende nicht gele&#x017F;en:<lb/>
ob ich es gleich unver&#x017F;ehens angefangen hatte.<lb/>
Allein &#x017F;ie hielte mich dazu an. <hi rendition="#fr">Was wollte<lb/>
ich nun darum geben, daß ich euch nicht<lb/>
um&#x017F;on&#x017F;t eure Fu&#x0364;r&#x017F;prache ha&#x0364;tte thun la&#x017F;&#x017F;en!</hi><lb/>
Und dieß war dabey ihre Anmerkung: &#x201E;So &#x017F;e-<lb/>
&#x201E;hen &#x017F;ie, mein Herr, wenn &#x017F;ie das glu&#x0364;ckliche<lb/>
&#x201E;Werkzeug gewe&#x017F;en wa&#x0364;ren, die mir zugedachten<lb/>
&#x201E;Uebel zu verhindern, daß &#x017F;ie von ihrem Freun-<lb/>
&#x201E;de &#x017F;elb&#x017F;t Dank dafu&#x0364;r verdient haben wu&#x0364;rden,<lb/>
&#x201E;nachdem er zur Ueberlegung gekommen wa&#x0364;re.<lb/>
&#x201E;Dieß Vergnu&#x0364;gen, bin ich ver&#x017F;ichert, wird mit<lb/>
&#x201E;der Zeit ein jeder haben, der die Tugend aus-<lb/>
&#x201E;u&#x0364;bet, gottlo&#x017F;en Ab&#x017F;ichten zu wider&#x017F;tehen, oder<lb/>
&#x201E;vorzubeugen. Jch war ihnen verpflichtet &#x017F;e<hi rendition="#fr">he</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;<hi rendition="#fr">ich</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[358/0364] „Jch finde, mein Herr, nach dieſem Ausdruck, „daß er allezeit Abſichten wider mich geheget, „und daß ſie von Zeit zu Zeit darum gewußt ha- „ben. O haͤtten ſie doch die Guͤte gehabt, einen „Weg zu ſuchen, wodurch ihre eigne Sicherheit „nicht in Gefahr gerathen waͤre, um mir von ſei- „ner niedertraͤchtigen Geſinnung Nachricht zu „geben: da ſie dieſelbe nicht billigten! Aber ſie, „als ein Cavallier, vermuthe ich, haͤtten lieber „ein unſchuldiges Mitgeſchoͤpfe ungluͤcklich ge- „macht geſehen, als daß ſie zu einer ſolchen Hand- „lung aufgelegt ſcheinen wollten, welche, ſo edel- „muͤthig ſie auch waͤre, wahrſcheinlicher Weiſe „die Bande einer gottloſen Freundſchaft zerriſſen „haben moͤchte. Nach dieſer harten, aber gerechten Erinne- rung, haͤtte ich gern das folgende nicht geleſen: ob ich es gleich unverſehens angefangen hatte. Allein ſie hielte mich dazu an. Was wollte ich nun darum geben, daß ich euch nicht umſonſt eure Fuͤrſprache haͤtte thun laſſen! Und dieß war dabey ihre Anmerkung: „So ſe- „hen ſie, mein Herr, wenn ſie das gluͤckliche „Werkzeug geweſen waͤren, die mir zugedachten „Uebel zu verhindern, daß ſie von ihrem Freun- „de ſelbſt Dank dafuͤr verdient haben wuͤrden, „nachdem er zur Ueberlegung gekommen waͤre. „Dieß Vergnuͤgen, bin ich verſichert, wird mit „der Zeit ein jeder haben, der die Tugend aus- „uͤbet, gottloſen Abſichten zu widerſtehen, oder „vorzubeugen. Jch war ihnen verpflichtet ſehe „ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/364
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/364>, abgerufen am 24.11.2024.