Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



vorbey käme: so sagte sie, es würde ihr allezeit
ein Vergnügen seyn, ihn von der angenehmen
Seite, von welcher er sich ihr darböte, zu
betrachten. Es könnte aber etwas bey einer
Person sehr edelmüthig seyn, anzubieten, das bey
einer andern eben so unedelmüthig seyn würde,
anzunehmen. Sie wäre in der That itzo eben
nicht in großen Umständen: und er sähe bey dem
geringen Zeichen der Erkenntlichkeit, welches er
annehmen mußte, daß sie vielmehr ihren eignen
Zustand, und was denselben gemäß wäre,

als sein Verdienst, oder das Vergnügen, das
sie in seinen Besuchen finden würde, in Betrach-
tung gezogen hätte.

Wir gingen alle zugleich weg; und weil der
Doctor und Herr Goddard sehr begierig waren,
etwas mehr von ihrer Geschichte zu wissen: so
begaben wir uns auf des letztern Vorschlag in ein
benachbartes Caffeehaus, und ich ertheilte ihnen
im Vertrauen eine kurze Nachricht davon. Jch
machte alles zu eurem Besten so geringe und
leicht, als ich konnte: und dennoch werdet ihr
wohl erachten, daß dieß geringe und leichte schon
groß und schwer genug seyn mußte, damit der
Gemüthsart der Fräulein nur einigermaßen
Gerechtigkeit widerführe.

Um drey Uhr, Nachmittags.

Jch habe eben wieder in Smithens Hause
nachgefragt, und gehöret, daß sie etwas besser
wäre, welches sie dem freundlichen Zureden ihres

Arztes



vorbey kaͤme: ſo ſagte ſie, es wuͤrde ihr allezeit
ein Vergnuͤgen ſeyn, ihn von der angenehmen
Seite, von welcher er ſich ihr darboͤte, zu
betrachten. Es koͤnnte aber etwas bey einer
Perſon ſehr edelmuͤthig ſeyn, anzubieten, das bey
einer andern eben ſo unedelmuͤthig ſeyn wuͤrde,
anzunehmen. Sie waͤre in der That itzo eben
nicht in großen Umſtaͤnden: und er ſaͤhe bey dem
geringen Zeichen der Erkenntlichkeit, welches er
annehmen mußte, daß ſie vielmehr ihren eignen
Zuſtand, und was denſelben gemaͤß waͤre,

als ſein Verdienſt, oder das Vergnuͤgen, das
ſie in ſeinen Beſuchen finden wuͤrde, in Betrach-
tung gezogen haͤtte.

Wir gingen alle zugleich weg; und weil der
Doctor und Herr Goddard ſehr begierig waren,
etwas mehr von ihrer Geſchichte zu wiſſen: ſo
begaben wir uns auf des letztern Vorſchlag in ein
benachbartes Caffeehaus, und ich ertheilte ihnen
im Vertrauen eine kurze Nachricht davon. Jch
machte alles zu eurem Beſten ſo geringe und
leicht, als ich konnte: und dennoch werdet ihr
wohl erachten, daß dieß geringe und leichte ſchon
groß und ſchwer genug ſeyn mußte, damit der
Gemuͤthsart der Fraͤulein nur einigermaßen
Gerechtigkeit widerfuͤhre.

Um drey Uhr, Nachmittags.

Jch habe eben wieder in Smithens Hauſe
nachgefragt, und gehoͤret, daß ſie etwas beſſer
waͤre, welches ſie dem freundlichen Zureden ihres

Arztes
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0378" n="372"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
vorbey ka&#x0364;me: &#x017F;o &#x017F;agte &#x017F;ie, es wu&#x0364;rde ihr allezeit<lb/>
ein Vergnu&#x0364;gen &#x017F;eyn, ihn von der angenehmen<lb/>
Seite, <hi rendition="#fr">von welcher er &#x017F;ich ihr darbo&#x0364;te,</hi> zu<lb/>
betrachten. Es ko&#x0364;nnte aber <hi rendition="#fr">etwas</hi> bey einer<lb/>
Per&#x017F;on &#x017F;ehr edelmu&#x0364;thig &#x017F;eyn, anzubieten, das bey<lb/>
einer andern eben &#x017F;o unedelmu&#x0364;thig &#x017F;eyn wu&#x0364;rde,<lb/>
anzunehmen. Sie wa&#x0364;re in der That itzo eben<lb/>
nicht in großen Um&#x017F;ta&#x0364;nden: und er &#x017F;a&#x0364;he bey dem<lb/>
geringen Zeichen der Erkenntlichkeit, welches er<lb/>
annehmen <hi rendition="#fr">mußte,</hi> daß &#x017F;ie vielmehr ihren <hi rendition="#fr">eignen<lb/>
Zu&#x017F;tand, und was den&#x017F;elben gema&#x0364;ß wa&#x0364;re,</hi><lb/>
als <hi rendition="#fr">&#x017F;ein Verdien&#x017F;t,</hi> oder das <hi rendition="#fr">Vergnu&#x0364;gen,</hi> das<lb/>
&#x017F;ie in &#x017F;einen Be&#x017F;uchen finden wu&#x0364;rde, in Betrach-<lb/>
tung gezogen ha&#x0364;tte.</p><lb/>
          <p>Wir gingen alle zugleich weg; und weil der<lb/>
Doctor und Herr Goddard &#x017F;ehr begierig waren,<lb/>
etwas mehr von ihrer Ge&#x017F;chichte zu wi&#x017F;&#x017F;en: &#x017F;o<lb/>
begaben wir uns auf des letztern Vor&#x017F;chlag in ein<lb/>
benachbartes Caffeehaus, und ich ertheilte ihnen<lb/>
im Vertrauen eine kurze Nachricht davon. Jch<lb/>
machte alles zu eurem Be&#x017F;ten &#x017F;o geringe und<lb/>
leicht, als ich konnte: und dennoch werdet ihr<lb/>
wohl erachten, daß dieß geringe und leichte &#x017F;chon<lb/>
groß und &#x017F;chwer genug &#x017F;eyn mußte, damit der<lb/>
Gemu&#x0364;thsart der Fra&#x0364;ulein nur einigermaßen<lb/>
Gerechtigkeit widerfu&#x0364;hre.</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#et">Um drey Uhr, Nachmittags.</hi> </p><lb/>
          <p>Jch habe eben wieder in Smithens Hau&#x017F;e<lb/>
nachgefragt, und geho&#x0364;ret, daß &#x017F;ie etwas be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
wa&#x0364;re, welches &#x017F;ie dem freundlichen Zureden ihres<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Arztes</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[372/0378] vorbey kaͤme: ſo ſagte ſie, es wuͤrde ihr allezeit ein Vergnuͤgen ſeyn, ihn von der angenehmen Seite, von welcher er ſich ihr darboͤte, zu betrachten. Es koͤnnte aber etwas bey einer Perſon ſehr edelmuͤthig ſeyn, anzubieten, das bey einer andern eben ſo unedelmuͤthig ſeyn wuͤrde, anzunehmen. Sie waͤre in der That itzo eben nicht in großen Umſtaͤnden: und er ſaͤhe bey dem geringen Zeichen der Erkenntlichkeit, welches er annehmen mußte, daß ſie vielmehr ihren eignen Zuſtand, und was denſelben gemaͤß waͤre, als ſein Verdienſt, oder das Vergnuͤgen, das ſie in ſeinen Beſuchen finden wuͤrde, in Betrach- tung gezogen haͤtte. Wir gingen alle zugleich weg; und weil der Doctor und Herr Goddard ſehr begierig waren, etwas mehr von ihrer Geſchichte zu wiſſen: ſo begaben wir uns auf des letztern Vorſchlag in ein benachbartes Caffeehaus, und ich ertheilte ihnen im Vertrauen eine kurze Nachricht davon. Jch machte alles zu eurem Beſten ſo geringe und leicht, als ich konnte: und dennoch werdet ihr wohl erachten, daß dieß geringe und leichte ſchon groß und ſchwer genug ſeyn mußte, damit der Gemuͤthsart der Fraͤulein nur einigermaßen Gerechtigkeit widerfuͤhre. Um drey Uhr, Nachmittags. Jch habe eben wieder in Smithens Hauſe nachgefragt, und gehoͤret, daß ſie etwas beſſer waͤre, welches ſie dem freundlichen Zureden ihres Arztes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/378
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/378>, abgerufen am 24.11.2024.