Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Wo das, was mir zu verstehen gegeben ist,
mein Herr - - Verzeihen sie mir - - der
Fräulein geboten worden: so hat sie sich über et-
was mehr, als über Kleinigkeiten, zu beklagen.

Lassen sie mich wissen, Herr Hickmann, was
sie gehöret haben. Jch will getreulich auf die
Klagen antworten.

Sie wissen am besten, mein Herr, was sie
gethan haben. Sie gestehen selbst, daß die Fräu-
lein so wohl die am meisten beleidigte, als am
meisten wohlverdiente Person von ihrem
Geschlechte sey.

Das ist wahr, mein Herr. Dennoch aber
würde es mir lieb seyn, zu erfahren, was sie ge-
höret
haben. Denn davon hängt vielleicht mei-
ne Antwort auf die Fragen ab, welche mir die
Fräulein Howe durch sie vorleget.

Wohlan denn, mein Herr, weil sie darnach
fragen: so können sie nicht übel nehmen, wenn
ich ihnen antworte. - - Zuerst, mein Herr, wer-
den sie gestehen, vermuthe ich, daß sie der Fräu-
lein Harlowe die Ehe versprochen haben, und al-
les das.

Und ich vermuthe, mein Herr, sie werden
mir vorzuwerfen haben, daß ich alles das ohne
die Ehe zu haben gewünschet.

Ey, mein Herr, ich weiß, daß sie als witzig
gerühmet werden: aber darf ich nicht fragen, ob
diese Dinge sie nicht allzu wenig anfechten?

Wenn etwas geschehen ist und nicht zu än-
dern steht: so ist es billig, sich darein so gut, als

möglich,


Wo das, was mir zu verſtehen gegeben iſt,
mein Herr ‒ ‒ Verzeihen ſie mir ‒ ‒ der
Fraͤulein geboten worden: ſo hat ſie ſich uͤber et-
was mehr, als uͤber Kleinigkeiten, zu beklagen.

Laſſen ſie mich wiſſen, Herr Hickmann, was
ſie gehoͤret haben. Jch will getreulich auf die
Klagen antworten.

Sie wiſſen am beſten, mein Herr, was ſie
gethan haben. Sie geſtehen ſelbſt, daß die Fraͤu-
lein ſo wohl die am meiſten beleidigte, als am
meiſten wohlverdiente Perſon von ihrem
Geſchlechte ſey.

Das iſt wahr, mein Herr. Dennoch aber
wuͤrde es mir lieb ſeyn, zu erfahren, was ſie ge-
hoͤret
haben. Denn davon haͤngt vielleicht mei-
ne Antwort auf die Fragen ab, welche mir die
Fraͤulein Howe durch ſie vorleget.

Wohlan denn, mein Herr, weil ſie darnach
fragen: ſo koͤnnen ſie nicht uͤbel nehmen, wenn
ich ihnen antworte. ‒ ‒ Zuerſt, mein Herr, wer-
den ſie geſtehen, vermuthe ich, daß ſie der Fraͤu-
lein Harlowe die Ehe verſprochen haben, und al-
les das.

Und ich vermuthe, mein Herr, ſie werden
mir vorzuwerfen haben, daß ich alles das ohne
die Ehe zu haben gewuͤnſchet.

Ey, mein Herr, ich weiß, daß ſie als witzig
geruͤhmet werden: aber darf ich nicht fragen, ob
dieſe Dinge ſie nicht allzu wenig anfechten?

Wenn etwas geſchehen iſt und nicht zu aͤn-
dern ſteht: ſo iſt es billig, ſich darein ſo gut, als

moͤglich,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0417" n="411"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Wo das, was mir zu ver&#x017F;tehen gegeben i&#x017F;t,<lb/>
mein Herr &#x2012; &#x2012; Verzeihen &#x017F;ie mir &#x2012; &#x2012; der<lb/>
Fra&#x0364;ulein geboten worden: &#x017F;o hat &#x017F;ie &#x017F;ich u&#x0364;ber et-<lb/>
was mehr, als u&#x0364;ber Kleinigkeiten, zu beklagen.</p><lb/>
          <p>La&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie mich wi&#x017F;&#x017F;en, Herr Hickmann, was<lb/>
&#x017F;ie geho&#x0364;ret haben. Jch will getreulich auf die<lb/>
Klagen antworten.</p><lb/>
          <p>Sie wi&#x017F;&#x017F;en am be&#x017F;ten, mein Herr, was &#x017F;ie<lb/>
gethan haben. Sie ge&#x017F;tehen &#x017F;elb&#x017F;t, daß die Fra&#x0364;u-<lb/>
lein &#x017F;o wohl die <hi rendition="#fr">am mei&#x017F;ten beleidigte, als am<lb/>
mei&#x017F;ten wohlverdiente Per&#x017F;on von ihrem<lb/>
Ge&#x017F;chlechte &#x017F;ey.</hi></p><lb/>
          <p>Das i&#x017F;t wahr, mein Herr. Dennoch aber<lb/>
wu&#x0364;rde es mir lieb &#x017F;eyn, zu erfahren, was &#x017F;ie <hi rendition="#fr">ge-<lb/>
ho&#x0364;ret</hi> haben. Denn davon ha&#x0364;ngt vielleicht mei-<lb/>
ne Antwort auf die Fragen ab, welche mir die<lb/>
Fra&#x0364;ulein Howe durch &#x017F;ie vorleget.</p><lb/>
          <p>Wohlan denn, mein Herr, weil &#x017F;ie darnach<lb/>
fragen: &#x017F;o ko&#x0364;nnen &#x017F;ie nicht u&#x0364;bel nehmen, wenn<lb/>
ich ihnen antworte. &#x2012; &#x2012; Zuer&#x017F;t, mein Herr, wer-<lb/>
den &#x017F;ie ge&#x017F;tehen, vermuthe ich, daß &#x017F;ie der Fra&#x0364;u-<lb/>
lein Harlowe die Ehe ver&#x017F;prochen haben, und al-<lb/>
les das.</p><lb/>
          <p>Und ich vermuthe, mein Herr, &#x017F;ie werden<lb/>
mir vorzuwerfen haben, daß ich <hi rendition="#fr">alles das</hi> ohne<lb/>
die Ehe zu haben gewu&#x0364;n&#x017F;chet.</p><lb/>
          <p>Ey, mein Herr, ich weiß, daß &#x017F;ie als witzig<lb/>
geru&#x0364;hmet werden: aber darf ich nicht fragen, ob<lb/>
die&#x017F;e Dinge &#x017F;ie nicht allzu wenig anfechten?</p><lb/>
          <p>Wenn etwas ge&#x017F;chehen i&#x017F;t und nicht zu a&#x0364;n-<lb/>
dern &#x017F;teht: &#x017F;o i&#x017F;t es billig, &#x017F;ich darein &#x017F;o gut, als<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mo&#x0364;glich,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[411/0417] Wo das, was mir zu verſtehen gegeben iſt, mein Herr ‒ ‒ Verzeihen ſie mir ‒ ‒ der Fraͤulein geboten worden: ſo hat ſie ſich uͤber et- was mehr, als uͤber Kleinigkeiten, zu beklagen. Laſſen ſie mich wiſſen, Herr Hickmann, was ſie gehoͤret haben. Jch will getreulich auf die Klagen antworten. Sie wiſſen am beſten, mein Herr, was ſie gethan haben. Sie geſtehen ſelbſt, daß die Fraͤu- lein ſo wohl die am meiſten beleidigte, als am meiſten wohlverdiente Perſon von ihrem Geſchlechte ſey. Das iſt wahr, mein Herr. Dennoch aber wuͤrde es mir lieb ſeyn, zu erfahren, was ſie ge- hoͤret haben. Denn davon haͤngt vielleicht mei- ne Antwort auf die Fragen ab, welche mir die Fraͤulein Howe durch ſie vorleget. Wohlan denn, mein Herr, weil ſie darnach fragen: ſo koͤnnen ſie nicht uͤbel nehmen, wenn ich ihnen antworte. ‒ ‒ Zuerſt, mein Herr, wer- den ſie geſtehen, vermuthe ich, daß ſie der Fraͤu- lein Harlowe die Ehe verſprochen haben, und al- les das. Und ich vermuthe, mein Herr, ſie werden mir vorzuwerfen haben, daß ich alles das ohne die Ehe zu haben gewuͤnſchet. Ey, mein Herr, ich weiß, daß ſie als witzig geruͤhmet werden: aber darf ich nicht fragen, ob dieſe Dinge ſie nicht allzu wenig anfechten? Wenn etwas geſchehen iſt und nicht zu aͤn- dern ſteht: ſo iſt es billig, ſich darein ſo gut, als moͤglich,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/417
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/417>, abgerufen am 24.11.2024.